München (dpa)
MAN erwartet vom neuen Traton-Chef mehr Zugkraft
In der VW-Lastwagenholding Traton ist MAN das Sorgenkind. Vorstandschef Tostmann sagt, warum es bis zu deutlich besseren Gewinnmargen noch dauern wird und wie die Halbleiterkrise MAN bremst.
MAN-Vorstandschef Andreas Tostmann erwartet von der Berufung seines Scania-Kollegen Christian Levin zum neuen Chef der VW-Lastwagenholding Traton neuen Schwung. „Wir müssen jetzt sehen, wie wir schneller vorankommen innerhalb von Traton“, sagte Tostmann der Deutschen Presse-Agentur.
Er schätze Levin „als Kollegen und erfahrenen Manager“. Auf die Frage nach einer Verschiebung der Machtverhältnisse im Traton-Vorstand sagte der MAN-Chef: „Er ist auf der Traton-Seite derjenige, der die Traton-Gruppe koordiniert, neben der Scania-Aktivität. Ich denke, das passt gut zusammen.“
VW dringt seit gut 14 Jahren auf eine enge Zusammenarbeit von MAN und Scania, um Synergien in Milliardenhöhe zu heben. Der Chef des hoch profitablen schwedischen Lkw-Bauers Scania wurde vor einer Woche überraschend in Personalunion auch zum Traton-Chef berufen und soll jetzt für „stärkere Rentabilität und Wachstum“ in der Gruppe sorgen.
Sorgenkind MAN
MAN schwächelt seit Jahren und hat im ersten Halbjahr eine halbe Milliarde Euro Verlust gemacht. „Wir gehen davon aus, dass wir 2023 und in den folgenden Jahren mit unserer Restrukturierung so weit vorangekommen sind, dass wir unsere Profitabilität deutlich verbessern“, sagte Tostmann. „Wir befinden uns in einer Restrukturierung. Um MAN auf die Zielprofitabilität zu heben, müssen wir das erst komplett umgesetzt haben.“ Dann sollen 8 Prozent vom Umsatz als Betriebsgewinn bleiben.
„Bis 2030 dürften wir 90 Prozent der Stadtbusse und ungefähr 60 Prozent der Lastwagen im Regional- und Verteilerverkehr sowie 40 Prozent im Fernverkehr mit batterieelektrischem Antrieb in Europa verkaufen“, sagte Tostmann. Im Zuge der Transformation baut MAN in Deutschland gerade 3500 Stellen ab, hat sein Werk im österreichischen Steyr verkauft und fertigt seine leichten und mittelschweren Lastwagen künftig in Polen.
Bei den Zukunftsthemen gebe es große Synergiepotenziale für die Traton-Gruppe, zu der auch der US-Lastwagenbauer Navistar und die brasilianische VW Caminhoes gehören. „Gemeinsame Lademodule, Antriebsmodule, all das sind Themen, an denen jetzt gearbeitet wird“, sagte Tostmann. „In Zukunft wird es auch deutlich mehr Synergien mit dem Autobau geben, beispielsweise bei CO2-freien Antrieben, Batterietechnik, autonomem Fahren. Da tun sich Möglichkeiten auf, die es in der Vergangenheit nicht gab. Diese Stärke müssen wir entwickeln und nutzen.“
Halbleiter sind Mangelware
Zurzeit könnten Halbleiter-Engpässe „hier und da zu Produktionsausfällen führen, auch im vierten Quartal. Es kann durchaus sein, dass es zu Schichtabsagen kommt“, sagte Tostmann. Ob Halbleiter im Traton- oder VW-Konzern vorrangig an hochprofitable Hersteller und Fahrzeuge gehen, ließ er offen. „Wir haben da eine sehr partnerschaftliche Lösung. Wir nutzen die gemeinsame Stärke im Einkauf.“ Der Auftragsbestand sei gut. „Damit die Wartezeiten für unsere Kunden nicht zu lang werden, haben wir auch einige Lastwagen soweit fertiggestellt, dass lediglich eine Nachrüstung erforderlich ist.“
Während Daimler und Volvo ab 2025 gemeinsam Brennstoffzellen für ihre schweren Lastwagen im Fernverkehr bauen wollen, setzt Traton auf Batterien. „Unsere erste Priorität ist batterieelektrisch. Wasserstoff und Brennstoffzelle schauen wir uns als Option für spezielle Anwendungen an Regionen, wo extrem große Reichweiten notwendig sind und die Infrastruktur nicht so gut ist“, sagte Tostmann. Im Fernverkehr schaffe ein Fahrer in seiner erlaubten Lenkzeit 300 bis 400 Kilometer. Die Batterie könne in der Ruhezeit und beim Be- und Entladen des Lkws geladen werden. Sie wiege für diese Reichweite heute etwa drei Tonnen, aber daran werde gearbeitet.
Grundlegend verändern werde sich das Lkw-Geschäft bald durch das autonome Fahren: „Das ist der Game Changer“, sagte Tostmann. Ohne Lkw-Fahrer sänken die Transportkosten deutlich. „Auf der Autobahn in Europa kann ich mir das Ende des Jahrzehnts vorstellen.“
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