Parteien Kühnert-Nachfolger Miersch: Wofür der neue SPD-General steht
Der Neue in der SPD-Führung freut sich auf Debatten mit CDU-Kanzlerkandidat Merz. Kanzler Scholz könne auf ihn zählen, meint er - doch auch mit ihm will Miersch Klartext reden.
Der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hat Bundeskanzler Olaf Scholz seine Rückendeckung ausgesprochen - will ihm aber durchaus auch Kontra geben. „Olaf Scholz wird sich auf mich hundertprozentig verlassen können“, sagte der 55-Jährige in Berlin. Zugleich betonte er: „Ich werde nicht bequem und ein einfacher Ja-Sager sein.“
Der Niedersachse übernimmt mit sofortiger Wirkung das Amt von Kevin Kühnert, der am Montag aus gesundheitlichen Gründen überraschend zurückgetreten war. Er soll der nach Umfragewerten taumelnden Kanzlerpartei wieder Stabilität und Stärke verleihen.
Miersch setzt auf Scholz als Kanzlerkandidaten
Der Bundestagsabgeordnete steigt ein Jahr vor der Bundestagswahl - in einer strategisch kritischen Phase - damit auch in die Organisation des SPD-Wahlkampfs ein. Erwartet wird allerdings, dass hier auch Parteichef Lars Klingbeil kräftig mitmischen wird, der selbst den erfolgreichen Wahlkampf vor der vergangenen Bundestagswahl organisiert hat.
Wahlkampf werde „Aufgabe der Parteispitze jetzt sein“, sagte Klingbeil. Die SPD habe Lust darauf. Natürlich wolle sie kein vorzeitiges Ende der Koalition, sondern den Ampel-Vertrag erfüllen. Aber: „Wenn das anders kommen sollte, dann sind wir vorbereitet.“
Miersch betonte, er gehe fest von einem Kanzlerkandidaten Scholz aus. Es sei aber „überhaupt nicht notwendig“, ihn jetzt schon zu nominieren. „Wir haben einen Kandidaten“, betonte er. Nun müsse sich Scholz aber erst einmal auf die aktuelle Regierungsarbeit konzentrieren.
Auch über Koalitionsoptionen nach der nächsten Bundestagswahl will Miersch noch nicht öffentlich nachdenken. Das erklärte Ziel der SPD sei es, wieder zur stärksten Fraktion im Bundestag zu werden. „Und dann sehen wir weiter.“
Kenner in Energie-, Industrie- und Klimapolitik
Der gebürtige Hannoveraner Miersch ist ein erfahrener Politiker und Stratege. Er sitzt seit 2005 im Bundestag, ist einer der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD. Als Fraktionsvize ist er zuständig für Umwelt, Klimaschutz und Energiepolitik. Er hat nicht nur das umstrittene Heizungsgesetz mit Grünen und FDP verhandelt, sondern sammelt gerade auch Ideen der SPD für eine bessere Industriepolitik - zur Rettung von Arbeitsplätzen und für günstigen Industriestrom.
Damit ist Miersch Experte in einem Themenfeld, in dem die SPD eine harte Wahlkampf-Auseinandersetzung mit der Union erwartet. Der promovierte Jurist gilt aber auch als Generalist, der zu vielen politischen Themen sprechen kann. Das muss er nun unter Beweis stellen: Ohne größere Anlaufzeit muss er dem Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz zum Beispiel in Talkshows Paroli bieten.
Darauf freue er sich, betonte Miersch. Denn Merz verkörpere „alles, für das ich nicht stehe“. Beispielhaft nannte Miersch die Merz-Aussage, Deutschland brauche Respekt gegenüber Besserverdienenden. „Als Sozialdemokrat habe ich Respekt gegenüber allen“, betonte er. Aber Politik gelte gerade denjenigen, die das Land zusammenhielten und nicht zu den Besserverdienern gehörten.
Miersch: „Sowas wie Schicksal“
In der SPD wurde der Rechtsanwalt bereits seit Jahren für führende Posten als Minister oder Fraktionschef gehandelt - zog letztlich aber immer den Kürzeren. Dass Klingbeil und Co-Parteichefin Saskia Esken ihn nun gebeten hätten, Generalsekretär zu werden, sei „sowas vielleicht wie Schicksal“, sagte Miersch.
Dabei sei er sich sehr bewusst, dass der Politikbetrieb in Berlin gnadenlos sein könne. „Ich bin, glaube ich, jemand, der sehr sensibel sein kann“, gestand er. Er sei aber überzeugt, dass er der Aufgabe gewachsen sei.
Heikle Situation Schröder-Ehrung
Der 55-Jährige gilt als Vertrauter von Parteichef Klingbeil - beide stammen aus Niedersachsen. In der Fraktion wird er flügelübergreifend geschätzt, hat auch bei den Ländern einen guten Ruf.
Eine heikle Situation musste er managen, als der inzwischen umstrittene frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder für 60 Jahre SPD-Mitgliedschaft geehrt wurde. Miersch ist Bezirksvorsitzender in Schröders Heimat-SPD-Bezirk Hannover, hielt für Schröder eine Rede.
Nun rief er mit Blick auf den Altkanzler dazu auf, „nicht zu sehr in schwarz und weiß“ zu denken. Er teile Schröders Haltung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht und würde sich auch weiterhin von ihm klarere Worte zum russischen Angriffskrieg wünschen. „Aber ich verschweige auch nicht, und ich will nicht verschweigen, dass er als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland für dieses Land sehr viel gemacht hat, beispielsweise dieses Land herausgehalten aus dem Irak-Krieg.“
Miersch ist ein anderer Typ als sein Vorgänger Kühnert, der als rhetorisches Talent der SPD gefeiert wurde. Die Fähigkeit, Menschen zu begeistern, die schätze er an Kühnert besonders, sagte der Niedersachse.
Er selbst wirkt nüchterner, wenn er versucht, mit Inhalt zu punkten. Seine diplomatischen Qualitäten wird Miersch aber direkt beweisen können. Denn vor allem im linken Flügel, den er ja vertritt, grummelt es wegen des Asylkurses der Ampel und von Kanzler Scholz. Hier wird der neue Generalsekretär besänftigen müssen.