Los Angeles (dpa)

Tommie Smith wartet auf Entschuldigung vom IOC

Interview: Maximilian Haupt, dpa
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Von Interview: Maximilian Haupt, dpa
| 21.06.2020 08:12 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Seine bei der olympischen Siegerehrung in den Himmel gestreckte Faust ist eine der berühmtesten Szenen der Sport-Geschichte. Tommie Smith ist eine Ikone der Bürgerrechtsbewegung und eine Stimme im Kampf gegen Rassismus. Vom IOC wartet er bis heute auf eine Entschuldigung.

Tommie C. Smith ist seit seiner in den Nachthimmel von Mexiko-Stadt gereckten Faust eine Ikone im Kampf gegen Rassismus.

Für den Olympiasieger über 200 Meter war die Karriere als Leichtathlet nach jener Siegerehrung 1968 vorbei, das Bild von ihm, seinem Teamkollegen John Carlos auf Rang drei und dem Australier Peter Norman aber ging um die Welt. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der inzwischen 76 Jahre alte Amerikaner über die aktuellen Proteste gegen Rassismus und die noch immer fehlende Entschuldigung des IOC.

Seit den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko-Stadt sind Sie eine Ikone im Kampf gegen Rassismus und für Gleichberechtigung. Bitte erklären Sie kurz, was sie damals gemacht haben und warum.

Tommie Smith: Es gab 1968 das olympische Projekt für Menschenrechte (Ein Bündnis Afroamerikanischer Athleten, Anm.). Ich war damals ein 24 Jahre alter Athlet mit einer Botschaft für Menschenrechte, einem Hilferuf für Freiheit. Ich habe damit einfach nur ausgedrückt, dass ich an Menschenrechte glaube, dass es Gleichberechtigung in den USA und in der ganzen Welt geben sollte. Mehr hatte ich damals nicht auf der Agenda, als die Ausrottung von Rassismus in den USA. Dafür habe ich meine Zukunft geopfert.

Was waren die Konsequenzen?

Smith: Man kann das mit nichts vergleichen, das hat davor nie jemand gemacht. Zurück in den USA hatte ich keinen Job, ich habe viele Freunde verloren. Es war sehr schwierig für mich.

Sind es die gleichen Gründe, aus denen die Leute heute auf die Straße gehen und protestieren, wie bei Ihnen damals?

Smith: Ja, das glaube ich. Es gibt verschiedene Gründe, gegen die man protestieren muss. Weil sie Geld lieben, schätzen manche Leute das Gefühl der Gleichberechtigung und des Teilens ebenso wenig wie das Reden und Kommunizieren. Wir müssen also weitermachen, daran zu arbeiten. Mexiko-Stadt war der Beginn für Leute, sich zu wehren. Diese Geste wurde mehr als einmal als die Stimme der Leute bezeichnet, die keine eigene Plattform hatten. Die keine Stimme hatten. Es wurde als deren Stimme gesehen, obwohl ich gar nichts gesagt habe. Aber was sie gesehen haben, war ihre Stimme. Das Recht auf Kommunikation.

Dieser Protest ist mehr als 50 Jahre her, heute gibt es noch immer die Notwendigkeit. Denken Sie, dass die Proteste dieses Mal zu einem nachhaltigen Wandel führen?

Smith: Es hat sich schon zum Besseren gewandelt. Die Bewegung jetzt ist, wie sie ist, weil viele Leute sich einbringen. Die Menschen beginnen zu verstehen, was alles verändert werden muss.

Sie haben sich mit dem Footballer Colin Kaepernick getroffen und Nachrichten ausgetauscht. Wie oft kommt es vor, dass sich Sportler bei Ihnen melden und um Rat oder Ihre Meinung fragen?

Smith: Das kommt oft vor, vor allem durch Textnachrichten. Ab und zu auch durch Anrufe. Das wird mehr, je mehr Zeit vergeht, auch wegen meines Hintergrunds als Wettkämpfer, Mexiko-Stadt und meiner Lehrtätigkeit. Ich habe 36 Jahre lang unterrichtet und mit Athleten zu tun gehabt und mit ihren Problemen, sich zu äußern. Jetzt fangen sie an, über ihre Gefühle zu sprechen. Insbesondere die Profis. Ich denke, das ist sehr wichtig, dass die über ihre Erfahrungen sprechen und man sich ein eigenes Bild machen kann. Kinder sehen in Athleten Vorbilder. Deswegen ist es so wichtig, da voran zu kommen.

In Deutschland gab es zunächst ein paar Fußball-Profis, die sich solidarisiert haben - inzwischen knien in der Bundesliga ganze Mannschaften vor dem Anpfiff. Was bedeutet Ihnen das?

Smith: Das ist Veränderung. Diese Athleten verändern etwas, indem sie sich zusammentun. Das sehen Leute und verstehen die Notwendigkeit für eine Veränderung. Ich unterstütze diese Sportler sehr.

Hat sich das Internationale Olympische Komitee jemals bei Ihnen entschuldigt?

Smith: Nein. Das hat das IOC nicht gemacht.

Es gab also nie einen Brief eines IOC-Präsidenten oder sonst eine Geste der Entschuldigung?

Smith: Nein. Kurze Antwort: nein.

Würde Ihnen eine Anerkennung heute noch etwas bedeuten, oder ist es dafür zu spät?

Smith: Es ist nie zu spät für eine gute Tat. Nie.

ZUR PERSON: Tommie C. Smith (76) holte 1968 Olympia-Gold über 200 Meter. Bei der Siegerehrung protestierten er und der Drittplatzierte John Carlos mit erhobenen Fäusten gegen Rassismus. Seine Karriere war damit im Alter von 24 Jahren beendet. Er unterrichtete später an Hochschulen und lebt inzwischen an der Ostküste Amerikas.

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