Izu (dpa)
Rad-Vierer bei Weltrekord-Show der Italiener nur Zuschauer
In der einstigen deutschen Paradedisziplin über 4000 Meter legt Italien einen fulminanten Weltrekord auf die Bahn in Izu. Für den deutschen Vierer reicht es nur zu Platz sechs - trotz immer beserer Zeiten.
Roger Kluge und Co. standen staunend im Innenraum der Hochgeschwindigkeitsbahn von Izu und verfolgten begeistert den schier unglaublichen Weltrekord der Italiener im Vierer.
„Wahnsinn. Man hat es der Entwicklung in den letzten zwei, drei Jahren angesehen. Die haben Mega-Schritte gemacht. Mit Ganna haben sie einen Weltklassefahrer“, schwärmte Kluge, nachdem die Azzurri bei den olympischen Bahnrad-Wettbewerben im Finale über 4000 Meter gegen Dänemark in 3:42,032 eine Fabelzeit auf das Holzoval gezaubert hatten - so wie es am Vortag der deutsche Frauen-Vierer gemacht hatte.
Von solchen Zeiten kann der deutsche Vierer derzeit nur träumen, auch wenn es wieder einen Schritt voranging. Der deutsche Rekord am Dienstag in 3:48,861 hätte in Rio noch zum Olympiasieg gereicht, in Japan blieb aber nur Platz sechs. „Wir machen dieselben Schritte, nur halt verspätet, weil wir jahrelang nicht dabei waren“, versuchte Domenic Weinstein den ungleichen Wettlauf wie beim Hase-Igel-Rennen zu erklären.
Hinze kurz mit Problemen
Nur kurzzeitig in Erklärungsnot war indes Dreifach-Weltmeisterin Emma Hinze. Nachdem sie den Erstrunden-Lauf im Kampfsprint-Keirin verpatzt hatte, reparierte sie ihr Malheur im Hoffnungslauf. Die 23-Jährige aus Cottbus steht wie auch Kollegin Lea Sophie Friedrich (Dassow) im Viertelfinale. „Im ersten Lauf habe ich gepennt, da war ich nicht ganz wach. Manchmal braucht es so einen kleinen Denkzettel“, sagte Hinze, die am Montag zusammen mit Friedrich Silber im Teamsprint gewonnen hatte.
Eine Medaille ist auch der große Traum des Vierers. Jahrzehntelang hatte Deutschland diese Distanz dominiert. Fünf Olympiasiege und 16 Weltmeistertitel gewannen deutsche Vierer seit 1962. Nach dem zweiten Platz bei der WM 2002 fuhren deutsche Teams der Weltspitze aber nur noch hinterher. Die letzte olympische Medaille gab es bei der Goldfahrt in Sydney vor 21 Jahren.
„Wenn man sieht, dass der deutsche Vierer jahrelang nicht qualifiziert war, hat man sicherlich zehn bis zwölf Jahren Entwicklung verloren, wo man jetzt hinterherhinkt. Die anderen Nationen haben sich da stetig weiterentwickelt“, so Weinstein, der betont: „Wir sind im Leistungssport, da schläft keiner. Wenn man sich die italienische Mannschaft anschaut, da sind Weltklasse-Fahrer wie Filippo Ganna dabei. Das sind Jahrtausendtalente. Wir haben sogar Amateurfahrer in der Mannschaft.“
Groß geht zum Tour-Sieger
Einer davon macht nächstes Jahr den Sprung zu den Profis. Der Leipziger Felix Groß wechselt sogar ins UAE-Team um Tour-de-France-Champion Tadej Pogacar. „Ich habe ihn live kennengelernt. Ich bin froh, dass ich die Chance bekommen habe. Ich bin in gutem Kontakt zu ihm. Es macht Spaß“, berichtete Groß von der Begegnung mit dem Slowenen.
Dem Vierer will er aber treu bleiben. „Ich gehe den gleichen Schritt wie Roger. Ich werde den Vierer weiter unterstützen und versuche, den Sprung zwischen Straße und Bahn zu meistern“, sagte Groß. Kluge war am Mittwoch im unbedeutenden und verlorenen Lauf um Platz fünf gegen Kanada nur eingesprungen. Für ihn wird es ab Donnerstag im Omnium ernst. Die Sturzverletzungen von der Tour sind inzwischen auskuriert, und die Leistung im Vierer „geht mehr als in Ordnung“, wie Kluge betont.
Das trifft auch auf Routinier Maximilian Levy (Cottbus) zu, der sich im Sprint nach einer mäßigen Qualifikation von Lauf zu Lauf steigerte und ins Achtelfinale einzog. Für Ex-Weltmeister Stefan Bötticher (Chemnitz) war dagegen im Hoffnungslauf Endstation.
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