Berlin/Düsseldorf/Mainz (dpa)
Wiederaufbaufonds für Flutschäden: Viele Milliarden nötig
Die Hochwasserkatastrophe hat vor allem Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz schwer getroffen. Der Wiederaufbau wird viel Geld kosten. Die Bevölkerung soll künftig in Katastrophenfällen besser gewarnt werden.
Der geplante Wiederaufbaufonds nach der Flutkatastrophe vor allem im Westen Deutschlands könnte ein Volumen von etwa 30 Milliarden Euro haben.
Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Montag aus Regierungskreisen nach einer Schaltkonferenz der Chefs der Staatskanzleien sowie Vertretern der Bundesregierung. Zuerst hatte der „Spiegel“ darüber berichtet.
Die Ministerpräsidenten der Länder und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollen den Aufbaufonds am Dienstag vereinbaren. In Länderkreisen hieß es, die Summe sei noch nicht festgezurrt. Es fehlten noch Berechnungsgrundlagen.
Nach einem Beschlussentwurf vom Montag um 12.05 Uhr ist die Einrichtung eines nationalen Fonds „Aufbauhilfe 2021“ als Sondervermögen des Bundes geplant. Der Entwurf lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Die Bauprojekte sollen je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert werden. Die Länder sollen über eine angepasste Verteilung des Umsatzsteueraufkommens über 20 Jahre beteiligt werden.
Allein in Nordrhein-Westfalen belaufen sich die Schäden durch das Unwetter Mitte Juli nach ersten Schätzungen auf mehr als 13 Milliarden Euro, wie Ministerpräsident Armin Laschet, der auch CDU-Chef ist, am Montag in einer Sondersitzung des Düsseldorfer Landtags bekanntgab. Die Schäden in Rheinland-Pfalz seien mindestens ebenso hoch, so dass der geplante nationale Wiederaufbaufonds 20 bis 30 Milliarden Euro umfassen müsse.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hatte der „Welt“ gesagt, sie gehe davon aus, dass für den Wiederaufbau ein zweistelliger Milliardenbetrag gebraucht werde. Vor allem Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz waren von der Flutkatastrophe schwer getroffen worden.
Das Bundeskabinett beabsichtigt laut Beschlussentwurf für das Bund-Länder-Treffen, den Aufbaufonds am 18. August zu beschließen. Geplant ist ein Bundesgesetz. Der Bundestag muss zustimmen, auch der Bundesrat muss das Gesetz billigen.
Laschet sagte im Landtag, vor der Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin hätten alle Länder ihre Bereitschaft signalisiert, die erforderliche Summe für den Wiederaufbau zu erbringen. „Deshalb sind wir dankbar für diese bundesweite Solidarität.“ Jetzt sei ein zügiges parlamentarisches Verfahren mit Sondersitzungen von Bundestag und Bundesrat nötig, bekräftigte Laschet, der auch Kanzlerkandidat der Union ist. „Ich denke, dass im August noch der Bundestag zusammenkommen kann.“
Im Beschlussentwurf für die Beratungen von Bund und Ländern heißt es, die Hochwasserereignisse der letzten Wochen in einigen Regionen seien eine Katastrophe von nationalem Ausmaß: „Die Zahl der Todesopfer ist erschütternd, die Schäden sind immens.“ Der Bund werde die Länder umfangreich bei ihren Soforthilfeprogrammen unterstützen und stehe zudem bereit, sich in den nächsten Monaten und Jahren am Wiederaufbau finanziell zu beteiligen.
Technisch soll sich der Aufbaufonds nach dpa-Informationen an dem Fonds nach der Flut 2013 orientieren. Damals ging es um ein „Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens Aufbauhilfe“. Der Fonds finanzierte Hilfen zur Reparatur von Hochwasserschäden und zum Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur. Mittel flossen an geschädigte Privathaushalte und Unternehmen, soweit die Schäden nicht durch Versicherungen abgedeckt waren.
Bund und Länder streben nach dem ersten Beschlussentwurf außerdem an, die dezentrale Warnung der Bevölkerung im Katastrophenfall zu verbessern. Dazu gehöre insbesondere das Sirenenförderprogramm des Bundes, mit dem den Ländern bis 2023 insgesamt bis zu 88 Millionen Euro für die Ertüchtigung und Errichtung von Sirenen zur Verfügung gestellt werden. Weiter heißt es: „Zusätzlich soll das Cell-Broadcasting-System eingeführt werden, mit dem künftig auch die Warnung der Bevölkerung mit Textnachrichten auf Mobiltelefonen ermöglicht wird.“
Beim Cell Broadcasting wird ähnlich wie bei einer SMS eine Nachricht an Handy-Nutzer verschickt - und zwar an alle Empfänger, die sich zu dem Zeitpunkt in der betreffenden Funkzelle aufhalten. Diese Technologie wird in vielen anderen Staaten bereits genutzt.
In dem Entwurf, über den auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete, heißt es weiter, parallel sollten „zeitnah“ die Mobilfunkmasten in Deutschland technisch angepasst werden. Weiter heißt es: „Die Bundeskanzlerin und Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bitten die Justizministerkonferenz vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse zu prüfen, ob die bisherige Bewertung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden aktualisiert werden sollte.“ Bisher gibt eine solche Pflicht nicht.
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