Trier/Bad Neuenahr-Ahrweiler (dpa)

Wie Kulturgüter von der Ahr gerettet werden

Birgit Reichert (Text) und Harald Tittel (Foto), dpa
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Von Birgit Reichert (Text) und Harald Tittel (Foto), dpa
| 11.08.2021 16:30 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Tagelang stand die Sammlung der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler nach der Flut im Wasser und im Schlamm. Nach einer Notbergung helfen etliche Museen jetzt dabei, möglichst viel zu retten.

Das Gemälde ist mit einer Schlammschicht überzogen. In der Mitte ist - zwischen braunen Flecken - der Graf von Neuenahr zu erkennen.

„Es ist ganz furchtbar“, sagt die Leiterin des Stadtmuseums Bad Neuenahr-Ahrweiler, Heike Wernz-Kaiser, bei dem Anblick. Das Werk von 1870 gehört zu der Sammlung der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, die bei der Hochwasserkatastrophe Mitte Juli in einem Depot in einer Tiefgarage komplett geflutet wurde.

Welle der Hilfsbereitschaft

Um zu retten, was zu retten ist, ist auf Initiative des Museumsverbandes Rheinland-Pfalz eine einmalige Rettungsaktion angelaufen. Nach einem „Notruf“ hätten etliche Museen im Südwesten Deutschlands Hunderte Objekte in Obhut genommen, um diese zu sichten, zu reinigen und zu trocknen, sagt die Verbandsvorsitzende, Elisabeth Dühr, in Trier.

Die 55 Gemälde, die beispielsweise das Stadtmuseum Simeonstift Trier aufgenommen hat, seien „in einem katastrophalen Zustand“, sagt Dühr, die das Museum leitet. „Sie standen ja tagelang im Wasser und im Schlamm.“ War doch die Notbergung der Objekte erst möglich, nachdem angespülte Autos, Kühlschränke und Öltanks vor dem Eingang der Tiefgarage weggeräumt worden waren. Nun müssten die Bilder mit dem angetrockneten Schlamm erst mal austrocknen. „Wir haben sie mit einer Anti-Schimmel-Substanz besprüht“, sagt Dühr.

Wernz-Kaiser steht erstmals in Trier vor den verschlammten Bildern. „Ich finde es wichtig, dass diese Dinge bewahrt werden. Sie haben einen wichtigen Anteil an der Heilung unserer Stadt“, sagt sie. Die Sammlung sei „für uns ein Kleinod“ - weil sie die Entwicklung der Stadt bis zur Katastrophe am 14. Juli zeige. „Es ist das, was vom Leben übrig geblieben ist.“

„Es geht hier um Notsicherung“

Das Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) in Mainz hat unter anderem verschlammte Tonkrüge, Glasfunde aus der Römerzeit und Holzobjekte zum Reinigen bekommen. Skulpturen erreichten das Dommuseum in Mainz. Und beim Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) Karlsruhe gingen in einem Außendepot neben Gemälden auch Hunderte Grafiken ein. „Es geht hier um Notsicherung“, sagt die leitende Restauratorin Henrike Mall in Karlsruhe. Nach dem Säubern geht es darum, Gemälde zu fixieren - bevor man an Restaurierung denken kann.

Das Historische Archiv der Stadt Köln hat Dokumente und Akten nach der Reinigung schockgefroren auf minus 18 Grad - anschließend würden sie in eine Vakuum-Gefriertrocknungsanlage gebracht. „Damit will man eine Schimmelbildung vermeiden“, sagt eine Sprecherin der Stadt. Die ersten Schritte seien bereits abgeschlossen. Das geborgene Kulturgut in Kisten und auf Paletten wurde nach und nach zur Erstversorgung nach Köln gebracht.

Insgesamt zählte die Sammlung des Stadtmuseums Bad Neuenahr-Ahrweiler mehr als 2800 Objekte. Ein Großteil war eingelagert, weil das Museum 2013 aus Brandschutzgründen geschlossen wurde. Es handelte sich bei der Sammlung um eine „typische Mischsammlung, wie sie im Laufe der Jahre in einer Kommune zusammenkommt“, sagt Dühr. Auch archäologische Objekte, Truhen, Schränke und Textilien gehörten dazu.

Das Gedächtnis der Stadt

Die Sammlung sei „kulturhistorisch nicht von überragendem Wert“, sagt die Geschäftsführerin des Museumsverbandes Rheinland-Pfalz, Bettina Scheeder, in Ludwigshafen. „Aber sie ist natürlich für das Gedächtnis der Stadt, für die Stadtgeschichte, von hoher Bedeutung.“ Denn: „Da gibt es Bildnisse von Brücken, die es jetzt nicht mehr gibt. Und da sind Stadtansichten, wie sie heute nicht mehr bestehen.“ Bei der Flut sind weite Teile des Ahrtals zerstört worden.

Die rheinland-pfälzische Kulturministerin Katharina Binz (Grüne) sagt bei dem Vor-Ort-Termin in Trier Unterstützung zu. Das Land wolle, wo möglich, Gelder für Transport- und Restaurierungskosten zur Verfügung stellen. Es sei wichtig, „das kulturelle Erbe“ aus dem Ahrtal zu bewahren. Sie dankte auch allen Beteiligten für die schnelle Rettung.

Rund 30 Prozent der Stücke gelten jedoch als verloren. Nach Ansicht von Dühr wird die Flutung der Sammlung in der Kunstwelt nachwirken. „Ich denke, das hier war ein Weckruf für viele“, sagt sie. Man müsse sich mehr Gedanken machen über Notfallpläne und die sichere Lagerung von Kunstobjekten. Dazu werde der Museumsverband unter anderem Schulungen anbieten.

Inzwischen meldeten sich nach einem Aufruf bundesweit auch große Häuser, die Patenschaften für die Restaurierung einzelner Objekte übernehmen wollten, sagt Scheeder in Ludwigshafen. Darunter: die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die Klassik Stiftung Weimar, das Jüdische Museum Berlin und das Landesmuseum Württemberg. Es seien sicherlich „Tausende Arbeitsstunden“ nötig, meint Dühr. Wernz-Kaiser sagt: „Ich bin von der Hilfe absolut überwältigt.“

© dpa-infocom, dpa:210811-99-806818/3

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