Berlin (dpa)
Katastrophenschutz: Seehofer hält Warn-Pflicht für notwendig
Nach der Unwetterkatastrophe vom Juli gab es viel Kritik an fehlenden, verspäteten oder unklar formulierten Warnungen. Die Schuldfrage ist noch nicht in jedem Fall eindeutig geklärt. Einigkeit besteht darüber, dass Verbesserungen nötig sind.
Bei der Warnung der Bevölkerung vor Katastrophen plädiert Bundesinnenminister Horst Seehofer für klarere Vorgaben und einheitliche Regeln.
Es sei wichtig, dass bei einem Schadensereignis der höchsten Gefahrenstufe „eine Warnung der Bevölkerung ausgelöst werden muss und nicht nur kann“, sagte der CSU-Politiker nach einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages zu den Folgen der Unwetterkatastrophe im Westen Deutschlands.
Außerdem müssten Sirenen als Mittel der Alarmierung der Bevölkerung wieder überall verfügbar sein, forderte Seehofer. Der Katastrophenschutz in Friedenszeiten liegt in der Verantwortung von Ländern und Kommunen. Der Bund hatte jedoch schon vor der Flutnacht am 14. Juli ein Sirenen-Förderprogramm in Höhe von 88 Millionen Euro aufgelegt. Er gehe davon aus, dass dieser Betrag nicht ausreichen werde, sagte Seehofer.
Sirenen-Förderprogramm in Höhe von 88 Millionen Euro
Nach Starkregen waren am Abend des 14. Juli im Westen Deutschlands mehrere Ortschaften überflutet worden. 183 Menschen starben. Die meisten Opfer waren im Ahrtal zu beklagen.
Der Innenpolitiker André Hahn (Linke) sagte, einige Länder wollten einen neuen Warnton, andere setzten auf Sirenen, die auch per Durchsage warnen können. Hier fehlten klare Vorgaben. „Ich finde, wenn der Bund Geld gibt, dann muss es eine einheitliche Ausstattung geben.“
Die Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindholz (CSU) stellte fest: „Diese Flutkatastrophe hätte nicht diese tödlichen Folgen haben dürfen.“ Nötig sei ein nationaler Konsens zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Hilfsorganisationen, um den föderalen Bevölkerungsschutzes zu modernisieren. „Zuverlässiger Katastrophenschutz darf keine Frage der Postleitzahl sein.“
Die Innenminister von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sehen bei der Warnung zwar auch Verbesserungsbedarf. An dem Prinzip, dass die Lage im Katastrophenfall in den Gemeinden vor Ort eingeschätzt wird, wollen sie aber auch nach den Erfahrungen der Katastrophe im Juli nicht rütteln.
Innenminister Lewentz in der Kritik
Konkrete Angaben zu seiner eigenen Rolle während des Unwetters am 14. Juli machte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz am Donnerstag nicht. Nach Angaben von Teilnehmern der Sitzung verwies der SPD-Politiker auf eine mögliche Untersuchung der Ereignisse im Landtag von Rheinland-Pfalz sowie auf die laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und ein weiteres Mitglied des Krisenstabes. Der Katastrophenalarm soll im Landkreis Ahrweiler erst sehr spät ausgelöst worden sein.
Aus Termingründen waren Lewentz und sein Amtskollege aus NRW, Herbert Reul (CDU), zu der Sondersitzung per Video zugeschaltet. Reul sagte nach Angaben von Teilnehmern, er sehe unter anderem Verbesserungsbedarf bei der Vernetzung von Hochwasserschutz und Katastrophenschutz sowie bei der Einbindung ziviler Helfer.
Zunehmende Extremwetterereignisse in Deutschland
Enttäuscht von den Ergebnissen der Sitzung zeigte sich der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle. Er sagte: „Angesichts der hohen Anzahl an Todesopfern und bei zunehmenden Extremwetterereignissen in Deutschland dürfen sich Bund und Länder nicht weiter dagegen stemmen, grundsätzlich über die föderale Aufgabenverteilung beim Thema Katastrophenschutz nachzudenken.“
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