Islamabad (dpa)
Außenminister Maas hofft auf Kooperation der Taliban
Die letzten Soldaten der internationalen Afghanistan-Truppe haben das Land verlassen. Das bedeutet auch für die Evakuierung Schutzsuchender ein radikales Umdenken. Ohne die Taliban geht jetzt nichts mehr.
Nach dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan hofft Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nun auf die Kooperation der militant-islamistischen Taliban bei der Ausreise Schutzsuchender.
Er verwies am Dienstag bei einem Besuch des Nachbarlands Pakistan darauf, dass die neuen Machthaber sicheres Geleit zugesagt hätten. „Ob man sich darauf verlassen kann, wird man, glaube ich, erst in den kommenden Tagen und auch Wochen sehen“, fügte er hinzu.
Mit dem Abzug der letzten amerikanischen Soldaten in der Nacht zu Dienstag sind die militärischen Evakuierungsaktionen westlicher Staaten endgültig abgeschlossen. Die Bundeswehr hat mehr als 5000 Menschen ausgeflogen, insgesamt waren es fast 120.000. Deutschland will aber noch mehr als 40.000 weitere Menschen außer Landes bringen - auf dem Landweg über die Nachbarländer oder auf dem direkten Luftweg vom Flughafen Kabul.
Bei beiden Optionen ist man auf die Taliban angewiesen, die den Flughafen wieder kontrollieren und Checkpoints an den Straßen zu den Grenzen haben. Die Bundesregierung hat deswegen den Diplomaten Markus Potzel ins Golfemirat Katar geschickt um mit Taliban-Vertretern zu verhandeln. In der Hauptstadt Doha sitzt mit dem politischen Büro quasi das Außenministerium der Taliban. Maas wollte am Nachmittag von der pakistanischen Hauptstadt Islamabad nach Katar fliegen, will aber nicht selbst mit den Taliban reden.
Der Außenminister äußerte die Hoffnung, dass der Flughafen „in einem überschaubaren Zeitraum“ wieder betriebsfähig ist und von dort Charterflüge starten können. Um die Ausreise auf dem Landweg zu organisieren, besuchte Maas auf seiner Reise die drei afghanischen Nachbarländer Usbekistan, Tadschikistan und Pakistan.
Der pakistanische Außenminister Shah Mehmood Qureshi empfahl dem Westen nach seinem Treffen mit Maas, den Taliban einen Vertrauensvorschuss zu geben und das Engagement für das Land fortzusetzen. „Wir sollten sie in die richtige Richtung schubsen.“ Andernfalls werde das Konsequenzen haben. „Lasst uns nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen“, sagte Qureshi.
Maas bot Pakistan auch Hilfe in der derzeitigen Krisensituation an und verwies darauf, dass Deutschland 500 Millionen Euro humanitäre Hilfe für Afghanistan und die Nachbarstaaten bereitstellen wolle. Das Geld ist auch für die Versorgung von Flüchtlingen gedacht. Pakistan hat in den vergangenen 40 Jahren Millionen afghanischer Flüchtlinge aufgenommen. Aktuell sind noch etwa 1,4 Millionen registriert. Hinzu kommen schätzungsweise 600.000 weitere Flüchtlinge, die nicht registriert sind. Derzeit will Pakistan allerdings keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen. „Es ist keine Frage des Geldes, (...) es ist eine Frage der Kapazitäten“, sagte Qureshi.
Maas rief nach dem Abzug der US-Truppen auch dazu auf, sich vor künftigen Militäreinsätzen besser über die Ziele klar zu werden. Militäreinsätze seien nicht geeignet, „um langfristig eine Staatsform zu exportieren“, sagte er. Der Versuch sei in Afghanistan gescheitert und man müsse die Lehren daraus ziehen. Militärische Interventionen seien allerdings dazu geeignet, eine terroristische Bedrohung, einen Krieg oder die Verletzung von Menschenrechten zu beenden.
Mit dem Abzug der letzten US-Soldaten endete ein 20-jähriger internationaler Militäreinsatz, an dem auch die Bundeswehr beteiligt war. Die Nato-Truppe in Afghanistan sollte für eine Stabilisierung des Landes sorgen und bekämpfte die Taliban, die jetzt wieder an der Macht sind.
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