München/Berlin (dpa)

Evakuierungsflüge: 20 „sicherheitsrelevante Fälle“

| 03.09.2021 15:28 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei einer Pressekonferenz. Foto: Wolfgang Kumm/dpa/Archivbild
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei einer Pressekonferenz. Foto: Wolfgang Kumm/dpa/Archivbild
Artikel teilen:

Eine Aufstellung, wie viele Ortskräfte und andere Schutzbedürftige die Bundeswehr aus Afghanistan ausgeflogen hat, will die Regierung demnächst vorlegen. Unter den Ausgeflogenen sind auch einige Problemfälle.

Über die Luftbrücke aus Kabul sind auch 20 Menschen nach Deutschland gekommen, die den Sicherheitsbehörden bekannt sind.

Bis zur Stunde seien 20 Fälle bekannt, „die sicherheitsrelevant sind, die dadurch, dass sie nicht schon in Kabul geprüft wurden, jetzt in Deutschland sind“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Freitag im Münchner Presseclub. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur kam auch ein Minister bei einem Evakuierungsflug nach Deutschland.

Unter den Straftätern sind laut Seehofer unter anderem verurteilte Vergewaltiger. Nach Deutschland sei zudem ein Mann gelangt, „der nach übereinstimmender Ansicht von Deutschland, Amerika und Großbritannien noch höher einzustufen ist“, berichtete der Minister. In anderen Fällen ging es um gefälschte Dokumente. Insgesamt vier der Ausgeflogenen waren - teilweise schon vor Jahren - von Deutschland nach Afghanistan abgeschoben worden. Eingereist sind nach dpa-Informationen neben Straftätern auch mehrere Menschen, deren Namen schon im gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern aufgetaucht waren.

Nicht mehr auf freiem Fuß

„Zwei Straftäter wurden aufgrund offener Haftbefehle in die Justizvollzugsanstalt eingeliefert“, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Steve Alter, auf Nachfrage. Zwei weitere Afghanen seien „nach wie vor in der Obhut der Behörden“.

Insgesamt kamen mit der Luftbrücke nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom Mittwoch 4587 Menschen nach Deutschland, davon 3849 Afghanen und 403 deutsche Staatsangehörige. Unter den Schutzbedürftigen waren auch Bürger zahlreicher anderer Staaten, wobei Deutsche wiederum auch vom Militär anderer Nationen ausgeflogen wurden.

„Die haben zum Teil die Papiere total gefälscht, von A bis Z, und zum Teil hat auch keiner mehr den Überblick gehabt“, sagte Seehofer. In Kabul habe eine Notsituation geherrscht, und solche Situationen würden immer auch von Kriminellen ausgenutzt. „Auf der einen Seite werde ich aufgefordert, "Türen auf, lasst sie kommen".“ Wenn dann die Sicherheitsüberprüfung erst bei der Einreise in Deutschland stattfinde, und sich dann herausstelle, dass auch einige unerwünschte Personen ins Land gekommen seien, werde er kritisiert. Es sei seine Aufgabe als Innenminister, bei den Ausgeflogenen genau hinzuschauen.

Auch Religionsminister ausgeflogen

„Wenn jemand in Deutschland Kinder vergewaltigt hat, wir ihn abgeschoben haben und er ist jetzt wieder in Deutschland, dann kann ich doch nicht sagen, ich verzichte darauf zu wissen, wer nach Deutschland einreist und ob das ein Sicherheitsproblem ist“, sagte Seehofer. Bei dem von ihm geschilderten Fall handele es sich um keine ehemalige Ortskraft. Ziel der Luftbrücke war es, vorrangig Deutsche sowie lokale Mitarbeiter und ihre Familien nach Deutschland zu bringen.

Zu den Menschen, die über die Luftbrücke nach Deutschland gekommen sind, gehört auch ein bisheriger Minister der Regierung von Präsident Aschraf Ghani. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur flog der afghanische Minister für religiöse Angelegenheiten, Mohammed Kasim Halimi, vor knapp zwei Wochen nach Deutschland.

Halimi hatte schon vor dem Sturz der Taliban 2001 in ihrer Regierung einen hohen Posten im Außenministerium bekleidet. Später gehörte Halimi zu den Kritikern der militant-islamistischen Taliban.

Die Taliban hatten nach dem angekündigten Truppenabzug der US-Armee mehrere Provinzstädte eingenommen und waren Mitte August dann praktisch kampflos in die Hauptstadt Kabul vorgedrungen. Präsident Ghani war vor den anrückenden Taliban ins Ausland geflüchtet, wie am 15. August bekannt geworden war.

© dpa-infocom, dpa:210903-99-82897/4

Ähnliche Artikel