Wiesbaden (dpa)
Weniger Firmenpleiten dank Corona-Sonderregeln
Die Pleitewelle infolge der Pandemie ist ausgeblieben - bislang zumindest. Bei den Amtsgerichten sank die Zahl der Fälle zuletzt sogar. Ist das die Ruhe vor dem Sturm?
Die befürchtete Welle an Firmenpleiten zeigt sich bislang nicht in der amtlichen Statistik.
Mit 7408 Fällen lag die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr des laufenden Jahres sogar um 17,7 Prozent unter dem Wert der ersten sechs Monate 2020. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom Freitag wurde auch das Niveau des nicht von der Corona-Krise beeinflussten ersten Halbjahres 2019 um 22,9 Prozent unterschritten.
„Es ist davon auszugehen, dass die staatlichen Konjunkturhilfen für die Unternehmen sowie die erst ab Mai wieder durchweg geltende Insolvenzantragspflicht zu den niedrigen Insolvenzzahlen im 1. Halbjahr 2021 beigetragen haben“, erklärten die Wiesbadener Statistiker. Im Juni lag die Zahl der Firmenpleiten mit 1197 Fällen um 11,6 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresmonats.
Um eine Pleitewelle in der Corona-Krise zu verhindern, hatte der Staat die Pflicht zum Insolvenzantrag bei Eintritt eines Insolvenzgrundes wie Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zeitweise ausgesetzt. Seit dem 1. Mai gilt die Insolvenzantragspflicht wieder vollumfänglich.
Die Forderungen der Gläubiger aus beantragten Unternehmensinsolvenzen waren nach Angaben des Bundesamtes im ersten Halbjahr 2021 mit 31,8 Milliarden Euro fast doppelt so hoch wie ein Jahr zuvor (16,7 Mrd Euro). Das liege daran, dass im laufenden Jahr mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen den Gang zum Amtsgericht antraten. Die zahlenmäßig meisten Fälle gab es in den ersten sechs Monaten im Baugewerbe (1219) und im Handel (1120).
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), das monatlich einen Insolvenztrend veröffentlicht, geht in seiner jüngsten Publikation für August von weiter sinkenden Insolvenzzahlen aus. Auch im langfristigen Vergleich seien die Zahlen „extrem niedrig“, teilte das IWH Anfang dieser Woche mit.
„Aufgrund staatlicher Stützungsmaßnahmen spiegeln die anhaltend niedrigen Insolvenzzahlen nicht das tatsächlich Insolvenzgeschehen wider“, erklärte IWH-Forscher Steffen Müller. „Um einen immer größer werdenden Rückstau an Insolvenzen zu vermeiden, sollten laufende Unterstützungsmaßnahmen zügig auf den Prüfstand.“ Das Kurzarbeitergeld sei bei Ausbruch der Pandemie wichtig für die Stabilisierung der Wirtschaft gewesen, derzeit werde es aber noch „undifferenziert auch für gescheiterte Unternehmen in Branchen gezahlt, die von der Pandemie nicht betroffen sind und einen Boom erleben“, stellte Müller fest.
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