Berlin (dpa)

Geldwäsche, Wirecard: Worüber Scholz und Laschet stritten

Theresa Münch und Andreas Hoenig, dpa
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Von Theresa Münch und Andreas Hoenig, dpa
| 12.09.2021 23:10 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Die Kandidaten fürs Bundeskanzleramt: Olaf Scholz (SPD, l-r), Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen) und Armin Laschet (CDU) im Triell-Fernsehstudio. Foto: Michael Kappeler/dpa-Pool/dpa
Die Kandidaten fürs Bundeskanzleramt: Olaf Scholz (SPD, l-r), Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen) und Armin Laschet (CDU) im Triell-Fernsehstudio. Foto: Michael Kappeler/dpa-Pool/dpa
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Zwei Wochen vor der Wahl wird der Ton zwischen Union und SPD scharf. SPD-Kanzlerkandidat Scholz gerät in die Defensive: Unionskandidat Laschet wirft ihm vor, sich vor Verantwortung wegzuducken.

FIU, Bafin, Cum-Ex - viele Wählerinnen und Wähler dürften mit diesen Abkürzungen bisher wenig anfangen können. Nun aber rücken sie zwei Wochen vor der Bundestagswahl in den Fokus, und mit ihnen Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

Wegen angeblicher Verfehlungen im Finanzministerium attackiert der angesichts schlechter Umfragewerte unter Druck stehende Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet seinen Kontrahenten heftig. Scholz selbst muss sich bald möglicherweise nicht nur im TV-Triell, sondern auch im Bundestag zu den Vorwürfen äußern: die Opposition will noch vor der Wahl eine Sondersitzung des Finanzausschusses.

Es geht vor allem um eine Durchsuchung im Bundesfinanzministerium - doch Laschet warf Scholz vor, sich gleich in mehreren Fällen vor Verantwortung für Behörden zu drücken, die seinem Finanzministerium zugeordnet sind. Scholz dagegen betonte, er ducke sich nicht weg, sondern bringe „die Dinge auf den Weg, die notwendig sind“. Über folgende Fälle stritten die Kanzlerkandidaten:

GELDWÄSCHE-EINHEIT

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt gegen Mitarbeiter der Anti-Geldwäsche-Behörde FIU, die beim Zoll und dadurch indirekt beim Bundesfinanzministerium angesiedelt ist. Der Vorwurf: Die Mitarbeiter sollen Verdachtsmeldungen zur Terrorfinanzierung nicht rechtzeitig weitergeleitet haben, so dass Ermittler nicht eingreifen konnten. In diesem Zusammenhang gab es auch Untersuchungen im Finanzministerium - nicht, weil Ministeriumsmitarbeiter beschuldigt werden, sondern weil man an Emails zwischen FIU und Ministerium rankommen wollte.

Scholz betonte im Triell, die Untersuchungen hätten nichts mit dem Ministerium selbst zu tun. Laschet dagegen wies darauf hin, dass Scholz als Ministeriumschef für alles Verantwortung trage, was in seinem Haus und in den nachgeordneten Behörden schief laufe.

Laschet mit falschen Vorwürfen

Scholz' Ministerium habe die Fachaufsicht über die Geldwäsche-Einheit, erklärte Laschet. Das ist sachlich falsch, das Finanzministerium hat lediglich eine Rechtsaufsicht. Das bedeutet, dass es für die Einhaltung der Gesetze sorgen muss, aber nicht die Zweckmäßigkeit einzelner Maßnahmen beurteilen oder Weisungen erteilen darf. Operativ agiert die FIU unabhängig vom Ministerium.

Dass die Geldwäsche-Einheit überfordert ist, ist allerdings schon länger bekannt. Bereits unter dem CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble, Scholz' Amtsvorgänger, gab es Kritik, die Behörde habe zu wenige Mitarbeiter und keinen Zugriff auf relevante polizeiliche Datenbanken. Scholz stockte die Zahl der Beschäftigten laut Ministerium auf, die FIU kann heute zudem auf die Daten des Bundeskriminalamts zugreifen. Doch Experten gehen davon aus, dass sie trotzdem nicht effektiv arbeitet und jährlich Milliarden Euro aus krimineller Herkunft in Deutschland gewaschen werden.

WIRECARD-SKANDAL

Auch im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Milliardenbetrug beim ehemaligen Börsenstar Wirecard machte die Geldwäsche-Einheit keine gute Figur. Noch heftigere Vorwürfe werden Scholz aber gemacht, weil die Finanzaufsicht Bafin schwere Fehler beging. Ähnlich wie die FIU untersteht auch die Bafin dem Finanzministerium. Scholz hatte im Untersuchungsausschuss des Bundestags trotzdem stets betont: „Die Verantwortung für diesen großangelegten Betrug trägt nicht die Bundesregierung.“

Betrug seit 2015

Die inzwischen insolvente Wirecard AG hatte im Sommer 2020 eingestanden, dass in der Bilanz aufgeführte 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar sind. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht von einem „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“ aus - und zwar seit dem Jahr 2015. Der Bilanzskandal hatte für hohe Schäden bei Anlegern gesorgt, weil die Aktie abgestürzt war.

Politisch wurde lange darüber gestritten, wer die Hauptverantwortung dafür trägt, dass der Betrug so lange unentdeckt blieb: Die Wirtschaftsprüfer, die Bilanzen von Wirecard immer wieder absegneten oder die Bafin, die Spekulationen auf fallende Kurse verbot und den falschen Eindruck weckte, bei dem Unternehmen sei alles in Ordnung.

Scholz hat inzwischen eingeräumt, dass das staatliche Aufsichts- und Kontrollgefüge für einen solchen Betrug nicht gut genug gerüstet war. Deshalb, so betont er nun im Wahlkampf, habe man die Regeln auch geändert: Die Bafin bekam zusätzliche Befugnisse, die Zuständigkeiten für Bilanzkontrolle wurden gebündelt, Vorschriften für Abschlussprüfer verschärft. Laschet wirft ihm vor, persönlich keine Verantwortung für das Versagen der Finanzaufsicht übernommen zu haben und Fehler nicht einzugestehen. Am Sonntag sagte er, Millionen Kleinanleger hätten deshalb viel Geld verloren. Das ist übertrieben, betroffen waren zwar Tausende, wohl aber nicht Millionen Anleger.

CUM-EX-SKANDAL

Der dritte Fall ist der Cum-Ex-Skandal um Steuererlasse für die Hamburger Warburg-Bank. Scholz wird vorgeworfen, als Bürgermeister der Hansestadt Einfluss darauf genommen zu haben, dass das Finanzamt Millionen-Rückforderungen nicht weiterverfolgte.

Der 63-Jährige weist jegliche politische Einflussnahme zurück. Vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft gab er aber auch an, an konkrete Inhalte mehrerer Treffen mit den Bankeigentümern 2016 und 2017 keine Erinnerung zu haben. Eine Einflussnahme wäre aber eine „politische Dummheit“ gewesen, sagte er. „Dazu neige ich nicht.“

Mit Cum-Ex-Deals hatten Investoren, Banken und Aktienhändler den deutschen Staat über Jahre um Milliarden Euro geprellt. Dabei wurden Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch hin- und hergeschoben. Für diese Transaktionen ließen sich die Beteiligten Kapitalertragssteuer erstatten, die sie nie gezahlt hatten. Die Warburg Bank muss mehr als 176 Millionen Euro zurückzahlen, nachdem der Bundesgerichtshof „Cum-Ex“-Geschäfte Ende Juli endgültig für strafbar erklärte.

© dpa-infocom, dpa:210912-99-193686/5

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