Berlin (dpa)

Umstrittene Museen im Humboldt Forum öffnen

Gerd Roth, dpa
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Von Gerd Roth, dpa
| 20.09.2021 14:53 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Eine Trommel aus Kamerun, die die Form eines Fantasietieres hat, ist im Humboldt Forum ausgestellt. Foto: Jörg Carstensen/dpa
Eine Trommel aus Kamerun, die die Form eines Fantasietieres hat, ist im Humboldt Forum ausgestellt. Foto: Jörg Carstensen/dpa
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Nach ersten Öffnungsschritten wird es langsam ernst im Humboldt Forum. Nun gibt es auch Zugang zu Museen mit Objekten aus kolonialen Zeiten. Die Verantwortlichen wollen das als Chance sehen.

Mit einer weiteren Öffnung sind im Berliner Humboldt Forum von diesem Donnerstag an erstmals auch wegen kolonialer Hintergründe umstrittene Objekte der beteiligten Museen zu sehen.

Ethnologisches Museum und Museum für Asiatische Kunst öffnen in der zweiten und dritten Etage des Westflügels ihre ersten Räume. Aus Sicht von Hartmut Dorgerloh, Intendant des Zentrums für Kunst, Kultur und Wissenschaft, sind die Museen von „entscheidender Bedeutung für das Gelingen des Gesamtprojekt“.

Mit ihren Objekten seien sie zentrale Ausgangs- und Bezugspunkte. Die Ausstellung ermögliche „die erforderlichen Debatten über Kolonialismus und über Rassismus, über Diskriminierung und Machtverhältnisse“. Die neuen Präsentationen seien Anlass für Befragung und kritische Überprüfung der eigenen Geschichte.

Am Mittwoch wird der Museumsteil von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet. Dabei werden auch grundlegende Einschätzungen zum Umgang mit Objekten aus kolonialen Kontexten erwartet. Von Donnerstag an können Besucherinnen und Besucher die Objekte in riesigen Vitrinen und aufwendigen Aufbauten sehen.

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, nannte die Museen der Stiftung am Montag „thematisches Rückgrat“ des Humboldt Forums. „Die Debatte um die kolonialen Kontexte dieser Sammlung haben schon auch dazu geführt, dass die Museen nicht nur in Berlin, auch in Deutschland und anderswo ihre Haltung ändern“, sagte Parzinger. Mit Blick auf die Restitutionsdebatte um Objekte aus kolonialen Unrechtszusammenhängen bekräftigte er, im nächsten Jahr werde es „zu substanziellen Rückgaben kommen“. Parzinger sieht darin eine „Chance für das Humboldt Forum“, die Sammlungen sollten nicht als Last begriffen werden.

Von den etwa 500 000 Objekten der zuvor im Stadtteil Dahlem präsenten Museen sollen rund 20 000 im Humboldt Forum gezeigt werden. Dazu gehören auch die als koloniales Raubgut geltenden Benin-Bronzen, die mit dem letzten Öffnungsschritt dann vermutlich Mitte 2022 zu sehen sein sollen.

Auch jetzt gibt es bereits umstrittene Objekte wie ein großes Auslegerboot, das von der Südseeinsel Luf stammt. Der Historiker Götz Aly hatte mit seinem Buch „Das Prachtboot“ die Debatte befeuert, unter welchen kolonialen Bedingungen das Boot in den Besitz des Museums gelangte. Museums-Vize Alexis von Poser berichtete am Montag, im Rahmen von Recherchen seien in der Region erstmals Nachfahren von als ausgestorben geltenden Luv-Bewohnern gefunden worden. Von dort gebe es Nachfrage nach einer Kopie des Bootes, nicht aber nach dem Original. Es sei „ein recht häufiges Phänomen, dass es vielfach gar nicht unbedingt darum geht, ein Original zu haben, sondern man möchte eine originalgetreue, aber funktionstüchtige neue Interpretation dieses Themas haben“, sagte von Poser.

Andrea Scholz, Kuratorin für transkulturelle Zusammenarbeit, sagte zur Kolonialdebatte, Museen mit problematischen Sammlungen seien nur eine Spitze des Eisbergs, „dessen Ausmaß unsere Gesellschaft vielleicht gerade beginnt zu erahnen“. Ziel in den Museen sei es, Sammlungen zu öffnen und Menschen aus den Herkunftskulturen Respekt und Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. „Zuhören üben wir noch“, sagte Scholz mit Blick auf bisherige Erfahrungen.

Das 680 Millionen Euro teure Humboldt Forum war nach jahrelangen Diskussionen und einigen Verzögerungen im Juli in einem ersten Schritt eröffnet worden. Das rund 40.000 Quadratmeter umfassende Gebäude im Herzen Berlins teilen sich die Museen der Stiftung, das Land Berlin, die Humboldt-Universität und die Stiftung Humboldt Forum. Gezeigt werden Exponate aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien sowie Objekte zur Geschichte Berlins. Das Gebäude selbst ist wegen seiner historisierenden Barockfassade des alten Stadtschlosses umstritten.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), die am Montag von „Maßstäben für einen sensiblen Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ sprach, hatte zuletzt ein „schlüssiges Gesamtkonzept“ im Humboldt Forum angemahnt. Dorgerloh verwies auf entsprechende Entscheidungen von Bund und Land Berlin. „Das ist auch genau der richtige Ausgangspunkt, um jetzt zum Humboldt Forum zu werden.“

© dpa-infocom, dpa:210920-99-289208/3

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