Fürth (dpa)
Bayern nicht „sinnbefreit“ nach Fürth - Aufsteiger „mutig“
5:0? 6:0? 7:0? Im Grunde geht es nur um die Frage, wie hoch der FC Bayern um Rekordtorjäger Robert Lewandowski in Fürth gewinnt. Ministerpräsident Söder wagt vor dem Duell der krassen Gegensätze eine Prognose.
Julian Nagelsmann lächelte, als es um die Gefahr ging, dass sein großer FC Bayern nach dem 7:0-Spektakel gegen den VfL Bochum die kleine SpVgg Greuther Fürth zu locker nehmen könnte.
„Ich liebe diese Fragen“, entgegnete der 34-Jährige vor dem nächsten ungleichen Fußball-Duell mit einem Aufsteiger. „Wenn man dahinfährt und gewinnt, sagen alle, es ist normal. Wenn man verliert, heißt es, man hat den Gegner unterschätzt. Das ist sehr plakativ.“
In der öffentlichen Wahrnehmung geht es vor dem Freistaat-Duell am Freitag (20.30 Uhr/DAZN) aber nur um die Frage, wie hoch die Münchner gewinnen. Für Nagelsmann spielen solche Gedanken wenige Tage vor der nächsten Champions-League-Partie gegen Dynamo Kiew keine Rolle. „Es gibt in jedem Spiel eine kleine Überschrift über dem taktischen Plan. Der war letzte Woche: Unser Ziel ist entscheidend“, führte der neue Bayern-Coach aus: „Und diese Woche lautet er: Unser Ziel ist entscheidend, Teil 2.“ Einen Gegner zu unterschätzen, sei „sinnbefreit“, sagte der 34-jährige Nagelsmann. Das Ziel lautet, Platz eins auf dem Weg zum zehnten Titel in Serie zu verteidigen.
Fürth zu Hause sieglos
In insgesamt 19 Heimspielen gelang den Franken in ihrer nun zweiten Saison in der Bundesliga noch kein einziger Sieg. Kaum vorstellbar, dass die Premiere ausgerechnet im Spiel der großen Gegensätze glücken sollte: Erster gegen Letzter, bester Angriff gegen schwächste Abwehr, ein Spieler-Marktwert von geschätzten 850 Millionen Euro trifft auf ein Team, das 40 Millionen wert sein soll. „Die Vorzeichen der beiden Clubs sind natürlich total unterschiedlich“, räumte Nagelsmann ein: „Wir müssen uns schon auf viel Kampf einstellen.“
Den kündigten die Franken für das ungleiche Kräftemessen vor 11.730 Zuschauern postwendend an. Mit hoher körperlicher Präsenz wolle man die großen Bayern „ärgern, um das Spiel so lange wie möglich offen zu halten“, sagte Trainer Stefan Leitl am Jahrestag des am 23. September 1903 gegründeten Altmeisters. „Wir können die Leinen loslassen und mit Freude und Mut spielen“, sagte der in München geborene Leitl, der beim FC Bayern als Spieler ausgebildet und schließlich Profi wurde. Wichtig sei, „an die Leistungsgrenze zu gehen“, betonte Leitl.
38 Tore erzielten die Bayern in acht Pflichtspielen dieser Saison, fast fünf pro Partie. „Gier und Charakter dieser Mannschaft sind einfach außergewöhnlich“, beschrieb es Nagelsmann. Selbst dem ruhmreichen FC Barcelona ließen die Münchner beim 3:0 keine Chance. „Wir sind natürlich ein anderes Kaliber als der FC Barcelona“, meinte der gebürtige Münchner Leitl im Vorfeld augenzwinkernd.
Gnabry und Musiala wieder dabei
Beim Duell des Tabellenführers der ewigen Bundesliga-Tabelle gegen den Spitzenreiter der Allzeit-Zweitliga-Tabelle kann Nagelsmann wieder auf die zuletzt angeschlagen Serge Gnabry und Jamal Musiala zurückgreifen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass beide von Beginn an spielen, ist sehr gering, auch wenn beide könnten“, sagte er. Beide sollen „mit 100 Prozent Fitness“ am Mittwoch gegen Kiew dabei sein.
Zuvor will das Ensemble um den in dieser Woche mit dem Goldenen Schuh für den besten Torjäger Europas ausgezeichneten Robert Lewandowski und den mit dem Bayerischen Verdienstorden geehrten Manuel Neuer in Fürth siegen. „Ich denke, dass es keine leichte Aufgabe für uns sein wird“, sagte Kapitän Neuer pflichtgemäß.
Vorbereitung wie auf Barcelona
Nagelsmann bereite sein Team auf „vermeintlich schwächere Namen wie Bochum oder Fürth“ mit genauso intensiven Analysen „wie vor einem Champions-League-Spiel in Barcelona“ vor. Rekordmann Lewandowski könnte im 16. Ligaspiel nacheinander mindestens einmal treffen - das glückte bislang nur Gerd Müller. „Ich bin ein Spieler, der immer auf die nächste Challenge fokussiert ist“, sagte der Weltfußballer.
Einen prominenten Daumendrücker wissen die Fürther, die ihr erstes Bundesliga-Heimspiel im August 2012 mit 0:3 gegen Bayern verloren, auf ihrer Seite: Ministerpräsident Markus Söder. Als stolzer Franke wies der Politiker darauf hin, dass „jeder fränkische Verein“ gegen den FC Bayern über sich hinauswachse. Das glückte auch einem Teilverein der heutigen SpVgg Greuther Fürth einst: Am 14. August 1994 warf der unterklassige TSV Vestenbergsgreuth die großen Bayern durch ein 1:0 aus dem DFB-Pokal.
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