Rosenheim (dpa)
Illegale Schule: Betreiberin wohl aus „Querdenker“-Szene
In Oberbayern wollten Eltern ihre Kinder nicht mehr in staatliche Schulen schicken. Lieber gaben sie sie in eine fragwürdige private Einrichtung. Die Behörden reagierten nach ersten Hinweisen schnell.
Im oberbayerischen Landkreis Rosenheim haben möglicherweise Vertreter aus der sogenannten Querdenker- und Reichsbürger-Szene versucht, eine eigene Schule aufzubauen.
Die Bildungseinrichtung auf einem Bauernhof in Schechen wurde nach Hinweisen aus der Bevölkerung von den Behörden geschlossen. Die Betreiberin der illegalen Schule könne in die Querdenker- und Reichsbürger-Richtung eingeordnet werden, sagte der Sprecher der Regierung von Oberbayern, Wolfgang Rupp.
Dies gehe aus den Unterlagen der Einrichtung hervor. „Es gibt einige eindeutige Hinweise auf den querdenker- und reichsbürger-typischen Sprachgebrauch“, erläuterte er. Ob die Eltern der rund 50 an der Schule unterrichteten Kinder auch diesen Szenen zuzuordnen seien, könne aber noch nicht gesagt werden.
Gründerin weist Vorwurf zurück
Laut dem Bayerischen Rundfunk wies die Gründerin der nicht zugelassenen Bildungseinrichtung den Vorwurf zurück, dass es sich um eine „Querdenker-Schule“ handele. Die Frau habe erklärt, es handele sich um eine russische Stiftungsschule. Unter den Eltern der Kinder seien „unter anderem Kräuter- und Musik-Pädagogen, aber auch Schamanen“, berichtete der BR unter Berufung auf die Frau. Sie wolle nicht, dass ihr Name in der Berichterstattung genannt werde.
Nach Angaben des Sprechers der Regierung von Oberbayern handelt es sich um eine „selbst ernannte Stiftung“. Diese habe auch Schulverträge mit den Eltern abschließen wollen, es habe zudem Infoflyer für die Einrichtung gegeben. Demnach wollten die Betreiber die Kinder gegen Bezahlung auf dem Bauernhof unterrichten. Jungen und Mädchen aus der ersten bis zur neunten Klasse seien in die Einrichtung gegangen.
Vor dem Bauernhof war ein einfaches Schild mit der Aufschrift „Stiftung Freiheit braucht Mut“ angebracht. Die Bildungseinrichtung wurde darauf als „Ort der ganzheitlichen Begegnung“ bezeichnet.
Bei den Schülern soll es sich um Kinder handeln, die wegen der verpflichtenden Coronatests und der Maskenpflicht von den Eltern vom Präsenzunterricht an verschiedenen Schulen abgemeldet wurden. In diesen Fällen müssen Kinder in Bayern derzeit von ihrer Schule im Distanzunterricht betreut werden, beispielsweise mit der Überlassung von Lehrmaterial und der Betreuung per Online-Videoschalte. „Im Fernunterricht war bislang nicht bekannt, dass die Kinder gefehlt haben“, sagte Rupp.
Illegale Schule wurde geschlossen
Die Behörden hatten die nicht genehmigte Schule am Mittwoch geschlossen. Am Montag habe es erste Hinweise gegeben, dass dort eine schulische Einrichtung in einem alten Bauernhof betrieben werde, erklärte der Sprecher. Die Einrichtung in Schechen soll Schüler aus dem ganzen Landkreis und darüber hinaus aufgenommen haben. Wie lange dort schon Unterricht angeboten wurde, sei unklar. Nach Einschätzung der Behörden hätte die Schule selbst bei einem Antrag auf den Betrieb einer privaten sogenannten Ersatzschule keine Genehmigung erhalten.
Eine Nachbarin berichtete, dass der Hof bereits im Frühjahr neu bezogen worden sei. „Richtig viel los war die letzten beiden Monate“, sagte Jacqueline S. der Deutschen Presse-Agentur. Es seien bis zu 40 Autos zu dem ländlich gelegenen Anwesen gekommen. „Das kam uns etwas suspekt vor.“
Nach ihren Angaben hätten sich Nachbarn darüber ausgetauscht, was dort los sei, zumal es sich um schulpflichtige Kinder gehandelt habe. Konkrete Hinweise auf „Reichsbürger“ oder „Querdenker“ habe es nicht gegeben. „Aber wir haben uns schon gedacht, dass es sowas sein muss, weil die ja alle ohne Masken und auf engem Raum zusammen waren“, meinte sie.
Hinweis durch Elternteil
Die Behörden hatten auch durch einen Elternteil selbst einen Hinweis auf die illegale Schule bekommen. Dieser habe sein Kind offiziell von einer staatlichen Schule abgemeldet und an der nicht zugelassenen Privatschule angemeldet, sagte Rupp. „Das war strategisch etwas blöd.“
Der Fall erinnert an die Schule, die die Sekte „Zwölf Stämme“ einst im nordschwäbischen Landkreis Donau-Ries betrieben haben. Dort hatte der Freistaat der Sekte den Betrieb einer Privatschule allerdings gestattet, nachdem Eltern sich geweigert hatten, ihre Kinder in staatliche Schulen zu schicken. Die Behörden hatten dann aber jahrelang bei der Schule nicht mehr so genau hingeschaut.
Im Jahr 2013 wurde der Sekte die Ersatzschul-Genehmigung entzogen. Zudem wurde bekannt, dass an der Sektenschule das Verprügeln der Kinder zu den üblichen pädagogischen Maßnahmen zählte. Mehrere Sektenmitglieder mussten sich vor Gerichten verantworten, eine Lehrerin der Einrichtung erhielt sogar eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung. Die Frau hatte zudem gar nicht die notwendige Qualifikation, um überhaupt als Lehrerin zu arbeiten.
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