Berlin (dpa)

Tankstellen-Verband stößt Sicherheitsdebatte an

| 24.09.2021 16:23 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Polizisten sicherten die Tankstelle in Idar-Oberstein, in der ein Angestellter erschossen worden war. Foto: Christian Schulz/Foto Hosser/dpa
Polizisten sicherten die Tankstelle in Idar-Oberstein, in der ein Angestellter erschossen worden war. Foto: Christian Schulz/Foto Hosser/dpa
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Wer schützt die Menschen, die Corona-Maßnahmen durchsetzen sollen? Nach dem tödlichen Schuss auf den Mitarbeiter einer Tankstelle stellt der Branchenverband diese Frage.

Der Tankstellen-Interessenverband hat der Politik nach dem tödlichen Schuss auf einen Verkäufer in Idar-Oberstein vorgeworfen, Mitarbeiter an Tankstellen mit der Durchsetzung von Corona-Maßnahmen allein zu lassen.

„Mit den Corona-Regeln wälzt die Politik polizeiliche Aufgaben auf Unternehmen ab. Der Tankstellenbedienstete wird zum Polizisten“, kritisierte Sprecher Herbert Rabl im Gespräch mit der „Welt“. Die Mitglieder des Verbands berichteten auch von Bußgelddrohungen durch Ordnungsämter. Es gebe also einen hohen Druck, Regeln durchzusetzen. „Die Mitarbeiter sind besorgt und fragen sich: Wie werden wir geschützt? Wer hilft uns?“

Verfassungsschützer warnen derweil vor einer Gefahr durch radikalisierte „Querdenker“. Wegen mangelnden Erfolgs auf der Straße sei ein kleiner Teil der Protestbewegung dabei, „sich nun im Kampf gegen eine eingebildete Unterdrückung zu radikalisieren“, sagte der Hamburger Verfassungsschutzchef Torsten Voß dem „Spiegel“.

Seine baden-württembergische Amtskollegin Beate Bube, die Ende 2020 als erste Verfassungsschutzpräsidentin Teile der Coronaleugnerszene unter Beobachtung stellte, sieht sich in ihrer Einschätzung bestätigt. „Viele extremistische Verschwörungsmythen, wie sie auch von „Querdenkern“ verbreitet werden, transportieren Staatsfeindlichkeit, Antisemitismus und teils auch Rassismus“, sagte Bube dem „Spiegel“. Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer sagte: „Die Tat von Idar-Oberstein ist nicht im luftleeren Raum entstanden. Wir beobachten seit Monaten eine Eskalationsspirale, bis hin zu Mordaufrufen in den sozialen Netzwerken. Irgendwann werden aus Worten Taten.“

Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) forderte von der Politik Klarheit beim Thema Hasskriminalität im Internet. Es gebe Hinweise, dass die beim Dienstleister Telegram vorhandenen öffentlichen Gruppen und Kanäle regelmäßig genutzt würden, um Empfänger auch mit Verschwörungstheorien und rechtsextremen Gedankengut zu beeinflussen. „Im Interesse einer wirksamen und zügigen Strafverfolgung muss schnell Klarheit geschaffen werden, ob Dienstleister wie Telegram den Vorgaben des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes unterfallen“, sagte Mertin. Dann wären sie verpflichtet, Beschwerdemöglichkeiten gegen rechtswidrige Inhalte zu eröffnen und diese gegebenenfalls auch zu entfernen.

Aus Ermittlerkreisen war bekannt geworden, dass der 49 Jahre alte Täter von Idar-Oberstein in den Theorien der Corona-Leugner „bewandert“ sei. „Er kennt die Quellen und hat auch angegeben, dass er sich da schlau gemacht hat“, hieß es. Ob er sich in sozialen Netzwerken radikalisiert hat, ist bisher nicht belegt.

Dem 49-jährigen Deutschen wird vorgeworfen, einem 20 Jahre alten Kassierer in einer Tankstelle in Idar-Oberstein in den Kopf geschossen zu haben. Der junge Mann hatte ihn zuvor auf die Maskenpflicht hingewiesen. Nach seiner Festnahme sagte der Täter den Ermittlern zufolge, dass er die Corona-Maßnahmen ablehne. Der zuvor nicht polizeibekannte Deutsche sitzt wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Die Tat löste bundesweit großes Entsetzen und Anteilnahme aus.

© dpa-infocom, dpa:210924-99-346147/2

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