Berlin (dpa)

Laschet gegen Scholz: Zweikampf ums Kanzleramt

den dpa-Korrespondenten
|
Von den dpa-Korrespondenten
| 26.09.2021 21:12 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Armin Laschet und Olaf Scholz - ihre Parteien liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Armin Laschet und Olaf Scholz - ihre Parteien liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Artikel teilen:

Es war eine der spannendsten Bundestagswahlen seit langem - Union und SPD liegen fast gleich auf. Sowohl Laschet als auch Scholz leiten daraus einen Machtanspruch ab.

Es ist eine historische Wahlschlappe für die Union: Am Ende der Ära von Kanzlerin Angela Merkel stürzen CDU und CSU auf ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl ab.

Aber auf den letzten Metern hat Kanzlerkandidat Armin Laschet noch einiges an Boden gut gemacht und liegt am Sonntagabend in den Hochrechnungen weniger weit hinter seinem SPD-Konkurrenten Olaf Scholz als von vielen erwartet.

Deswegen tritt er kurz vor 19 Uhr im Konrad-Adenauer-Haus sehr gefasst vor seine Anhänger. Das man mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein könne, erwähnt er nur beiläufig. Dafür erklärt er sehr selbstbewusst seinen Machtanspruch: „Eine Stimme für die Union ist eine Stimme gegen eine linksgeführte Bundesregierung. Deshalb werden wir alles daran setzen eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden.“ Damit gibt es zwei, die das Kanzleramt für sich beanspruchen.

Scholz: „Wir wollen die nächste Regierung bilden“

Kurz nach Laschet tritt Olaf Scholz im Willy-Brandt-Haus vor die Kameras. Er war als krasser Außenseiter in diesen Wahlkampf gestartet, hat die SPD in den letzten Monaten aber aus einem tiefen Umfrageloch an die Spitze im Dreikampf um das Kanzleramt katapultiert - auch dank der Fehler Laschets und Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Am Ende ist es eine knappe Sache geworden. Am Abend liegt der Vorsprung der SPD vor der Union zwischen 1,2 und 1,5 Prozentpunkten.

Auch Scholz macht seinen Anspruch deutlich, eine Regierung anzuführen. Zunächst noch etwas schüchtern und umschweifig, später immer deutlicher: „Ich glaube, dass wir daraus auch den Auftrag ableiten können, dass wir sagen: Wir wollen die nächste Regierung bilden“, sagt er.

Zwei Parteien als Kanzlermacher

Nach der spannendsten Wahl der letzten Jahrzehnte steht damit eine wohl noch spannendere Regierungsbildung bevor. Sowohl Laschet als auch Scholz werden ihre Koalitionsoptionen ausloten - egal ob sie auf Platz eins oder zwei liegen. Beide werden um dieselben Partner buhlen: Grüne und FDP. Die sogenannte Ampel (Rot-Grün-Gelb) tritt also an gegen eine nach den Landesfarben Jamaikas benannte Koalition von Union, Grünen und FDP.

Die beiden Parteien, die nun Kanzlermacher sind, haben vor der Wahl ziemlich deutlich gesagt, zu welcher Koalition sie tendieren: Für die FDP ist es Jamaika, den Grünen ist die Ampel lieber. Festlegen will sich am Sonntagabend aber niemand mehr.

Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, die weit abgeschlagen auf Platz drei hinter Laschet und Scholz gelandet ist, spricht lediglich von einem „Wählerauftrag, für eine Erneuerung im Land zu sorgen“.

Auch FDP-Chef Christian Lindner vermeidet es, sich klar für Union oder SPD als Koalitionspartner zu positionieren. Stattdessen stellt er lieber die Gemeinsamkeiten mit den Grünen heraus, mit denen er im Wahlkampf nicht besonders glimpflich umgegangen ist. „Grüne und FDP verbindet, dass beide einen eigenständigen Wahlkampf geführt haben. Beide haben sich - aus unterschiedlicher Perspektive - gegen den Status quo der großen Koalition gewandt“, sagt er.

Sondierungen kreuz und quer

Außerdem bringt er eine ganze neue Variante der Sondierung ins Spiel: Die beiden potenziellen Kanzlermacher werden erst einmal untereinander klären, mit wem sie koalieren wollen. „Uns geht's um Inhalte“, sagt er in der traditionellen Elefantenrunde nach der Wahl bei ARD und ZDF. Baerbock erklärt sich prompt dazu bereit.

Förmliche Regeln für die Regierungsbildung gibt es nicht. Normalerweise lädt die stärkste Partei zu Gesprächen ein. Es hat aber auch schon Wahlen gegeben, in denen die zweitstärkste Kraft eine Koalition gebildet hat. Gegen Sondierungsgespräche kreuz und quer ist also nichts einzuwenden.

Rückfalloption Rot-Grün-Rot scheidet wohl aus

Ein Trumpf fällt für Scholz dabei wohl weg. Die Rückfalloption Rot-Grün-Rot mit der Linken wird es für ihn wohl nicht geben. Die Linke kratzte am Sonntagabend noch an der Fünf-Prozent-Marke und selbst wenn sie in den Bundestag einzieht, dürfte es nach allen Hochrechnungen nicht für eine Mehrheit reichen. Eine Drohkulisse kann Scholz damit also nicht aufbauen.

Mit den besten Karten geht trotzdem derjenige in die Sondierungen, der nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis die Nase vorne hat. Und da wiesen die Zeichen am Abend klar auf die SPD.

Für den Notfall: Rot-Schwarz

Wenn alles schief läuft, gibt es doch noch eine Notfalloption: das Bündnis, mit dem Merkel 12 ihrer 16 Amtsjahre regiert hat. Die große Koalition der beiden stärksten Kräfte Union und SPD war schon nach der letzten Bundestagswahl der Notnagel nach dem Platzen der Jamaika-Verhandlungen. Die SPD quälte sich damals regelrecht in die sogenannte GroKo, die sie für ihr schlechtes Wahlergebnis mitverantwortlich machte.

Auch Laschet machte am Sonntagabend aber klar, dass er kein Interesse mehr an einer Neuauflage hat. Der Arbeitsstil dieses Bündnisses sei „nicht zukunftsträchtig“, sagte er. „Wir brauchen hier einen echten Neuanfang.“

Zuschauer wird bei den bevorstehenden Sondierungen neben der Linken übrigens auch die AfD sein. Sie ist die einzige Partei, mit der grundsätzlich niemand regieren will. Und sie wird wohl auch nicht mehr stärkste Oppositionspartei sein. Diese Rolle wird wohl Union oder SPD zukommen.

Schwierige Verhandlungen: Regierung erst nach Weihnachten?

In der Regel dauert es nach einer Bundestagswahl ein bis drei Monate bis zur Vereidigung eines neuen Kabinetts. Bis Weihnachten war man fast immer fertig. Mit einer Ausnahme: Nach der letzten Wahl 2017 gab es eine beispiellose Hängepartie. Erst am 14. März - fast ein halbes Jahr nach dem Wahltermin - hatte Deutschland eine Regierung. Dass es sehr viel schneller gehen kann, haben Willy Brandt (SPD) 1969 und Helmut Kohl (CDU) 1983 gezeigt, die nur 24 Tage brauchten, um Koalitionen mit der FDP zu schmieden.

Die komplizierte Konstellation spricht diesmal zwar dafür, dass es wieder sehr lange dauern. Andererseits gilt 2017 als abschreckendes Beispiel, das eigentlich niemand wiederholen möchte. Denn eine lange Übergangszeit macht auch international keinen guten Eindruck. Am 1. Januar übernimmt Deutschland die Präsidentschaft in der G7, dem Club der großen westlichen Wirtschaftsmächte. Da sollten die Verbündeten schon wissen, mit wem sie es zu tun haben.

Unter anderem deswegen zeigten sich die beiden Hauptakteure am Sonntag entschlossen, die Hängepartie von 2017 nicht zu wiederholen. Man wolle alles dafür tun, „dass wir vor Weihnachten fertig sind“, sagte Scholz. Und Laschet stimmte ein: „Auf jeden Fall vor Weihnachten.“

© dpa-infocom, dpa:210926-99-371217/3

Ähnliche Artikel