Frankfurt/Main (dpa)
Katholiken auf Reformkurs - Bätzing tadelt Konservative
Nach einer langen Corona-Pause nimmt der Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland seit Donnerstag wieder Fahrt auf. Kritik von konservativer Seite weist der Chef der Bischofskonferenz zurück.
Mit einer scharfen Replik gegen den konservativen Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hat die zweite Synodalversammlung der katholischen Kirche in Frankfurt/Main begonnen.
Voderholzer, neben dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki Wortführer der Traditionalisten, hatte den Reformern vorgeworfen, sie würden den Missbrauchsskandal für eine Umgestaltung der Kirche instrumentalisieren.
Dazu sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, am Donnerstag: „Von Instrumentalisierung des Missbrauchs zu sprechen, wenn wir uns hier an die Aufgabe heranmachen, die Situation der Kirche in unserem Land so zu verändern, dass Menschen in unserem Land uns wieder vertrauen, das, finde ich, ist eine sehr unerlaubte, sehr anmaßende Stellungnahme.“ Eine große Mehrheit stehe hinter dem Synodalen Weg und trage die angestrebte Erneuerung mit, stellte Bätzing klar.
Wie sehr das Thema Missbrauch, aber auch der Umgang der Kirche mit denjenigen, die als Vorgesetzte in der Verantwortung standen, in Bistümern und Gemeinden die Menschen verstört, machten schon die ersten Stunden der Synodalversammlung deutlich. Kurzfristig wurde eine Aussprache über die Papstentscheidung zu Bischofsrücktritten eingeschoben. Nach dieser Entscheidung könne nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden, so Bätzing.
Papst Franziskus hatte das Rücktrittsgesuch des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln abgelehnt. Der Papst entschied auch, dass der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki im Amt bleibt.
Es sei nicht nachvollziehbar, wenn systemisches Versagen aufgezeigt werde und persönliche Verantwortung ausbleibe, sagte Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). In den Gemeinden gebe es ganz massiv „Ärger, Wut und Enttäuschung.“
Die bis Samstag tagende Synodalversammlung ist das Hauptgremium des Reformprozesses Synodaler Weg. „Wir sind wieder da“, sagte Bätzing in der Auftakt-Pressekonferenz. „Der Synodale Weg geht weiter. Wir wurden ausgebremst durch Corona, aber nicht gestoppt.“ Auch in den vergangenen eineinhalb Jahren sei in den vier Synodalforen wichtige Arbeit verrichtet worden.
Konservative Kritiker wie Voderholzer und Woelki werfen den Reformern vor, dass der ganze Prozess zum Scheitern verurteilt sei, weil der Vatikan am Ende doch keine wesentlichen Änderungen mittragen werde. Bischof Bätzing wies diese Sicht im Interview der Deutschen Presse-Agentur zurück: „Zunächst einmal gehen wir im Synodalen Weg vieles an, was ohne römische Zustimmung von uns aus verändert werden kann. Ich nehme aber auch aus Rom andere Zeichen wahr, zumindest was meine Gespräche mit Papst Franziskus angeht.“
Sternberg sagte, engagierte Gläubige müssten stärker an der Leitung der Gemeinden beteiligt werden. Dies gelte insbesondere für Frauen. „Die Vielfalt der Lebensformen muss gesehen und anerkannt werden. Der Segen für gleichgeschlechtliche Paare, den es ja längst gibt, sollte selbstverständlich werden.“ Eben das aber hatte der Vatikan kürzlich noch ausdrücklich verboten.
Es gehe auch um das Demokratieverständnis der Kirche, sagte Karin Kortmann vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken vor Beginn der Beratungen. Dies werde von einzelnen Vertretern abgelehnt. „Ein Wesensmerkmal von Demokratie muss in der Kirche Fuß fassen“, betonte Kortmann. Wenn das nicht der Fall sei, seien viele der in den kommenden Tagen eingebrachten Papiere „Makulatur“.
„Ich bin heute mit mehr Wut als Liebe gekommen“, sagte eine Laienvertreterin in der ersten Aussprache. Eine andere Teilnehmerin betonte: „Wir müssen die Menschen im Blick behalten.“ Sie wisse gar nicht, ob sie mit Menschen diskutieren wolle, denen es vorrangig darum gehe, die Kirche schützen zu wollen. „Es gibt nicht nur das Problem des Missbrauchs, nicht nur das Problem der Vertuschung“, betonte ein ZdK-Vertreter. „Es gibt auch das Problem des Umgangs mit aufgedeckten Fehlern.“
Katholische Reformgruppen bezeichneten den Synodalen Weg am Donnerstag in Frankfurt als „dringend notwendig“. Dies gelte insbesondere für die Überwindung der sexualisierten Gewalt, betonte Christian Weisner von Wir sind Kirche. Ungeachtet einer schon viel zu lange dauernden Blockade des Reformprozesses gebe es auch positive Signale, etwa von Bätzing. „Das Problembewusstsein ist angekommen.“
Agnes Wuckelt, die als stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands auch an der Synodalversammlung teilnimmt, verglich dabei das Ringen um Veränderungen mit einer Wohnungsauflösung nach einem Todesfall. „Wir dürfen nicht einfach die Tür verschließen und das, was eigentlich raus muss, vergammeln lassen“, sagte sie. Stattdessen müsse man großzügig und mutig wegwerfen. Dabei könne auch Wertvolles, aber lang Vergessenes wieder zum Vorschein kommen. „Wenn Altes verloren geht, kann Neues wachsen“, betonte auch Magnus Lux von Wir sind Kirche.
Die Synodalversammlung zählt 230 Mitglieder: die 69 deutschen Bischöfe, 69 ZdK-Vertreter - dies ist die Vertretung der Laien, also der Nicht-Kleriker - und 92 Vertreter verschiedener katholischer Berufsgruppen. Sie behandelt vier Themenfelder: die Position der Frau in der Kirche, den Umgang mit Macht, die katholische Sexualmoral und die priesterliche Ehelosigkeit (Zölibat).
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