Donaueschingen (dpa)
100 Jahre Donaueschinger Musiktage
Vor einem Jahrhundert schockte Paul Hindemith Konzertbesucher mit neuartigen Klängen. Den Durchbruch hatte der Komponist bei den Donaueschinger Musiktagen. Sie sind zum Synonym für neue Musikformen geworden,
Einmal in die Zukunft und zurück: Mit experimentellen Stücken und Erinnerungen an die Anfänge des traditionsreichen Festivals für Neue Musik feiern die Donaueschinger Musiktage ihren 100. Geburtstag.
Zum Auftakt am Donnerstag (14.10./16.00) gibt es einen Festakt mit einem Streichquartett von Paul Hindemith, der vor einem Jahrhundert das klassische Konzertpublikum mit provozierend neuartigen Klängen schockte. Zugleich stellt der junge polnische Komponist Mikołaj Laskowski ein zeitgenössisches Werk vor. Bis Sonntag (17. Oktober) stehen in der Stadt im Schwarzwald-Baar-Kreis 24 Konzerte mit 27 Uraufführungen auf dem Programm.
Die Donaueschinger Musiktage gelten als das weltweit älteste und bedeutendste Festival für Neue Musik. Prägende Figur der ersten Jahre war der Komponist Paul Hindemith (1895-1963). Das Festival, das 1921 unter fürstlicher Protektion in kleinem Rahmen startete, zieht inzwischen jährlich rund 10 000 Besucher an. „Es ist zum Synonym für neue Musikformen geworden“, sagte Festivalleiter Björn Gottstein der Nachrichtenagentur dpa.
Erstmals geht die Veranstaltung über volle vier Tage. Besonders gespannt ist der Intendant auf das Projekt „Donaueschingen global“, mit dem die Musiktage den Fokus auf globale Entwicklungen zeitgenössischer Musik richten. In den Schwarzwald kommen dafür Ensembles von weither - etwa aus Südafrika, Namibia, Usbekistan oder Kolumbien. Für das von der Kulturstiftung des Bundes geförderte Projekt hat ein Team zwei Jahre Regionen in Afrika, Lateinamerika, Asien und im Mittleren Osten bereist.
„Man kann 100 Jahre Donaueschingen nur feiern, indem man Experimente, Unvollendetes und Unabgeschlossenes auf die Bühne bringt“, ist Gottstein überzeugt. Den Komponisten habe er als Leitgedanken „Aufbruch“ mitgegeben. Sie setzten dies verschieden um: „Einige Werke kommen bruchstückhaft offen daher, einige beziehen sich auf die Geschichte Donaueschingen.“ Letztere sei geprägt von verschiedenen Stilrichtungen Neuer Musik, von serieller und spektraler Musik bis hin zu New Complexity und Neuer Einfachheit.
Das Jubiläumsfestival ist für Gottstein nicht nur inhaltlich besonders: „Es ist aufregend: Wir kommen aus der bleiernen Zeit von Covid-19 und dürfen nun 100 Prozent Auslastung umsetzen.“ Fast alle Veranstaltungen seien ausverkauft. Dass er mit der 3G-Regel nun volle Säle haben darf, macht den 53-Jährigen zum Abschied „sehr glücklich“. Die nächsten Donaueschinger Musiktage stehen bereits unter neuer Leitung: Im Frühjahr wird die Musikwissenschaftlerin und Kuratorin Lydia Rilling Nachfolgerin von Gottstein, der zur Ernst von Siemens Musikstiftung geht. Die Donaueschinger Musiktage werden unter anderem vom SWR, der Kulturstiftung des Bundes, dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Donaueschingen gefördert.
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