Berlin (dpa)

Neuer Bundestag tritt zusammen - Streit zeichnet sich ab

| 25.10.2021 17:16 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Blick in den Plenarsaal des Deutschen Bundestags mit der neuen Sitzanordnung für die 20. Legislaturperiode. Foto: Michael Kappeler/dpa
Blick in den Plenarsaal des Deutschen Bundestags mit der neuen Sitzanordnung für die 20. Legislaturperiode. Foto: Michael Kappeler/dpa
Artikel teilen:

Es wird ein wenig wie der erste Schultag nach den Sommerferien: Der neue Bundestag kommt erstmals zusammen. Es stehen wichtige Personalentscheidungen an. Bei einer davon scheint Streit programmiert.

Mit seiner konstituierenden Sitzung nimmt der am 26. September gewählte Bundestag an diesem Dienstag seine Arbeit auf. Der bisherige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) wird als dienstältester Abgeordneter die Sitzung eröffnen und so lange leiten, bis ein Nachfolger gewählt ist. Die SPD hat dafür die Abgeordnete Bärbel Bas nominiert. Auch im neuen Parlament wird voraussichtlich ein alter Streit fortgeführt, wenn es um einen Vizepräsidentenposten für die AfD geht.

Beginn der 20. Wahlperiode

Mit dem Zusammentreten des neu gewählten Bundestags beginnt die 20. Legislaturperiode. Bis zur Wahl 2017 wurde die erste Sitzung vom ältesten Abgeordneten des Parlaments eröffnet. Diese Regelung wurde dann jedoch dahingehend geändert, dass der Alterspräsident nun der Abgeordnete mit den meisten Parlamentsjahren ist. Das ist mit weitem Abstand Schäuble, der dem Bundestag seit 1972 angehört. Diese Änderung wurde seinerzeit vollzogen, um zu verhindern, dass Alexander Gauland von der AfD als Alterspräsident die erste Sitzung eröffnet.

Das Grundgesetz schreibt in Artikel 39 vor, dass der neue Bundestag spätestens am 30. Tag nach seiner Wahl zusammentritt - das ist an diesem Dienstag. Schäuble wird zum Beginn eine Rede halten und die Abgeordneten voraussichtlich auf die vor ihnen liegenden vier Jahre einstimmen.

Wahl des Bundestagspräsidenten

Wichtigster Tagesordnungspunkt der ersten Sitzung ist die Wahl des Bundestagspräsidenten und seiner Stellvertreter. Bundestagspräsident - das ist protokollarisch das zweithöchste Staatsamt nach dem Bundespräsidenten. Traditionell steht dieses Amt der stärksten Fraktion im Bundestag zu, jetzt also der SPD. Die von ihr nominierte Abgeordneten Bas kann sich ihrer Wahl sicher sein, weil üblicherweise die anderen Fraktionen der Personalie zustimmen. Nach ihrer Wahl wird Bas die Leitung der Sitzung übernehmen und ebenfalls eine Rede halten.

Wahl der Vizepräsidenten

Die ersten Stunden im Amt dürften für Bas gleich zur ersten Bewährungsprobe werden. Denn es zeichnete sich ab, dass es bei der Wahl der Vizepräsidenten - wie schon in der alten Wahlperiode - zum Streit mit der AfD kommen dürfte. Diese war seit 2017 mit sechs Kandidatinnen und Kandidaten in jeweils drei Wahlgängen gescheitert.

Nun schickt die rechtspopulistische Partei den neuen Abgeordneten Michael Kaufmann ins Rennen - ein geschickter Schachzug, denn er kann Erfahrung als Vizepräsident des Thüringer Landtags vorweisen. Die letzte Sitzung habe er erst am vergangenen Freitag geleitet, berichtete Kaufmann am Montag. Sein Kommentar zum bisherigen Verhalten der anderen Bundestagsfraktionen bei der Besetzung dieses Postens: „Das sind wirklich unwürdige Spielchen.“ Es deutet jedoch vieles darauf hin, dass auch Kaufmann nicht die nötige Stimmenzahl bekommen wird.

Mit der erforderlichen Unterstützung können dagegen die Kandidatinnen und Kandidaten der anderen Fraktionen rechnen. Neu ins Präsidium kommen soll die CDU-Politikerin Yvonne Magwas. Sie wurde nach dpa-Informationen von der Unionsfraktion einstimmig nominiert. Ebenfalls als neues Mitglied im Präsidium stellte die SPD-Fraktion die frühere Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, auf. Mit großen Mehrheiten wurden zudem die bisherigen Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten Claudia Roth (Grüne), Petra Pau (Linke) und Wolfgang Kubicki (FDP) von ihren Fraktionen wieder für das Amt benannt.

Bundesregierung nur noch geschäftsführend

Mit dem Zusammentreten des neuen Bundestags endet nach Artikel 69 des Grundgesetzes die Amtszeit des Bundeskanzlers und der Bundesminister. Deshalb wird in der konstituierenden Sitzung des Bundestags die Regierungsbank leer bleiben. Nach der Sitzung werden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Kabinett im Schloss Bellevue vorfahren. Dort wird ihnen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Entlassungsurkunden überreichen.

Allerdings ist Deutschland damit nicht regierungslos, auch wenn SPD, Grüne und FDP gerade noch um die Bildung einer Ampelkoalition ringen. Artikel 69 sieht nämlich auch vor, dass der Bundespräsident den Bundeskanzler beziehungsweise die Bundeskanzlerin und ihre Minister ersuchen kann, die Geschäfte bis zur Ernennung von Nachfolgern weiterzuführen. Genau dies wird Steinmeier tun.

Sitzung unter 3G-Bedingungen

Erstmals seit Monaten werden am Dienstag die Abgeordnetenbänke im Reichstagsgebäude wieder voll besetzt sein. Die coronabedingten Abstandsregeln mit leeren Sitzen entfallen. Dafür gilt ein striktes 3G-Reglement. Alle Abgeordneten müssen nachweisen, dass sie geimpft genesen oder frisch getestet sind. Nur dann dürfen sie in den Plenarsaal. Wer belegt, dass er die 3G-Regeln erfüllt, bekommt ein schwarz-rot-goldenes Bändchen ums Armgelenk. Dieses Vorgehen wurde laut Bundestagsverwaltung von allen Fraktionen vereinbart. Abgeordnete, die sich nicht daran halten, können die Sitzung nur von einer eigens dafür reservierten Zuschauertribüne verfolgen.

© dpa-infocom, dpa:211025-99-731608/4

Ähnliche Artikel