Berlin (dpa)

Long Covid: Wenn der Atem wegbleibt und der Puls rast

Jens Marx, dpa
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Von Jens Marx, dpa
| 29.10.2021 05:01 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Litt vor seiner Olympia-Teilnahme an Long Covid: Ringer Frank Stäbler. Foto: Marijan Murat/dpa
Litt vor seiner Olympia-Teilnahme an Long Covid: Ringer Frank Stäbler. Foto: Marijan Murat/dpa
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Joshua Kimmich hat Bedenken wegen der Vakzine und lässt sich bisher nicht impfen. Was passieren kann, wenn Hochleistungssportler sich infizieren und unter Long Covid leiden, zeigen Beispiele.

„Ich steige langsam wieder ins Training ein und fühle mich soweit ganz gut. Es wird aber noch ein langer Weg bleiben.“ Kanutin Steffi Kriegerstein erkrankte vor fast einem Jahr im Dezember 2020 an Corona.

Seitdem ging nicht viel bei der Olympia-Zweiten von Rio im Vierer-Kajak über 500 Meter. Long Covid. Keine Wettkämpfe, keine Spiele in Tokio. Den Sommer über half die 28 Jahre alte Dresdnerin stattdessen als Übungsleiterin im Verein.

Ein Beispiel. Es gibt weitere, manche sind bekannt, andere weniger, weil es nicht hochdekorierte Sportlerinnen und Sportler aus der ersten Reihe sind wie der ehemalige Ringer Frank Stäbler. Der dreimalige Weltmeister und zweimalige Europameister litt vor seiner Olympia-Teilnahme an Long Covid, hatte Probleme mit der Atmung. Nur mit Mühe arbeitete er sich wieder heran und gewann sogar Bronze in Tokio.

Pongracic zu früh zurück

Grundsätzlich seien Leistungssportlerinnen und -sportler besser aufgestellt, sagt Professor Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule in Köln: Sie hätten in der Regel ein leistungsfähigeres Immunsystem, das besser mit Infekten umgehen könne. Übertragen auf die Covid-Situation, würde er einen Leistungssportler auch eher im Vorteil sehen, erklärte der 62-Jährige in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Ein Leistungssportler merkt eher als ein Ottonormalverbraucher, dass in seinem Körper etwas nicht stimmt.“

Daher würden Leistungssportler auch eher bemerken, wenn sie nicht hundertprozentig auf dem Niveau wie vor einer Covid-Infektion seien, betonte Bloch, Professor für Molekulare und zelluläre Sportmedizin.

So es wie letztlich auch Marin Pongracic hätte spüren sollen. Der mittlerweile 24 Jahre alte kroatische Fußball-Nationalspieler erkrankte im November 2020, als er noch für den VfL Wolfsburg spielte, an Corona. Nach negativen Tests kehrte er zurück. Zu früh, befanden damals schon externe Experten. „Marin hatte große Probleme mit der Luft“, erklärte der damalige Trainer Oliver Glasner, als er Pongracic zur Pause beim Spiel gegen den 1. FC Union Berlin auswechseln musste. „Er hatte schon während der ersten Halbzeit hin und wieder beide Arme auf den Knien, wie man es normalerweise am Ende einer Verlängerung kennt.“ Bei Pongracic sei es nach 15 Minuten zum ersten Mal passiert, meinte Glasner. Dabei sind längst Protokolle für eine Rückkehr in den Leistungssport erarbeitet worden - im Sinne der Gesundheit, die auf dem Spiel steht.

Impfung angeraten

Mediziner Bloch rät eindringlich zur Impfung, nachdem die Debatte durch die Äußerungen von Pongracics Bundesliga-Kollegen Joshua Kimmich und dessen Bedenken gegen die aktuellen Vakzine erneut mächtig in Fahrt gekommen ist. „Es gibt ja immer noch die Impfskeptiker auch unter Sportlern und Studenten hier, und ich gebe denen immer mit auf den Weg, dass Covid eine schwere Erkrankung ist, und das keiner davor geschützt ist“, sagte er. „Die Nutzen-Risiko-Abschätzung ist da ganz wesentlich. Die Impfung ist nicht nebenwirkungsfrei aber im Verhältnis zur Erkrankung viel, viel unproblematischer.“

Denn Long Covid belastet. Den Körper, weil das, was sonst kaum Mühe macht, schon zur großen Anstrengung wird. Den Geist, weil Sportlerinnen und Sportler mit einem derartigen Leistungsabfall mit manchmal unabsehbarem Ende bisweilen schwer klarkommen.

„Es sind eher Ausdauersportler“, die vorbeikommen würden, berichtet Bloch aus seinen Erfahrungen an der Deutschen Sporthochschule. „Es hängt oft damit zusammen, dass bei denen spezifische Anforderungen an die Lunge und an den Stoffwechsel gestellt werden.“ Nach ein paar Metern schon rast der Puls. „Ein Klassiker“, wie es Bloch formuliert. Hundertprozentig wüssten sie auch nicht, warum das so sei. Meist ist auch die Ruhe-Herzfrequenz höher als vor der Corona-Infektion.

Belastungsintensität steuern

Es scheine so zu sein, dass Menschen nach einer Erkrankung in solchen Fällen früher in den sogenannten anaeroben Stoffwechsel kämen. Dabei geht es um den Bereich der höchstmöglichen Belastungsintensität. Eine Triathletin habe beispielsweise berichtet, dass sie bei Belastung unter Kurzatmigkeit leide und die Belastung dann abbrechen müsse. Erst nach einer Weile gehe es unter Belastung etwas besser. Bloch: „Das ist das typische Phänomen. Das würde auch der Ottonormalverbraucher merken, wenn er es machen würde.“

Hochleistungssportler sind in vielen Bereich längst auch gläsern. Sämtliche Werte werden gemessen, verglichen und dienen als Grundlage für den Training. „Wenn jemand im Sport durch Long Covid Leistungseinbußen hat, dann kann man es nicht erzwingen, was den Aufbau angeht“, betont Bloch.

Er rät dann zu generell zu kurzen Belastungsphasen mit reduzierter Intensität. Dann die Belastungszeiten verlängern und die Pausen reduzieren, damit man dann auf eine kontinuierliche Belastung kommt. „Und dann kann man auch wieder die Intensität erhöhen.“ Viele würden letztlich ihr Leistungsniveau wieder erreichen. Bei manchen aber sei er skeptisch.

© dpa-infocom, dpa:211028-99-775351/4

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