Hilfe für die Flutopfer
Vom Grillplatz zur Anlaufstelle für die Flutopfer
Das Versorgungscamp „Willy“ aus Stolberg hilft den Betroffenen der Flutkatastrophe seit vielen Wochen. „Ein Herz für Ostfriesland“ unterstützt den Verein mit 58.932,24 Euro.
Gemeinsam mit der Aachener Zeitung sammelt diese Zeitung Geld für die Betroffenen der Flutkatastrophe in Stolberg und Eschweiler. In diesem Text wird das zweite Projekt vorgestellt, das vom Hilfswerk „Ein Herz für Ostfriesland“ mit einer Spende von 58.932,24 Euro unterstützt wird.
Stolberg - Christoph Giebeler und Oliver Stöber sehen erschöpft aus. Die beiden jungen Männer arbeiten seit mehreren Wochen ehrenamtlich für das Versorgungscamp „Willy“ am Willy-Brandt-Platz in Stolberg. Eigentlich waren sie kurz nach der Flutkatastrophe des 15. Julis aus Aachen nach Stolberg gekommen, um dabei zu helfen, die Keller auszuräumen und die Straßen wieder frei zu machen. Im Gegensatz zu vielen anderen Helfern sind sie aber geblieben. Auf dem Platz nahe der Stolberger Innenstadt stehen mehrere Zelte, Pavillons und Container, die für die Betroffenen zum Anlaufpunkt geworden sind. Hier gibt es warme Mahlzeiten, Lebensmittel, psychologische Beratung, die Möglichkeit sich warm zu duschen oder Wäsche zu waschen.
Angefangen hat hier alles mit einem Grill. „Ich bin an meinem ersten Tag hier irgendwie am Grill klebengeblieben und habe bestimmt 300 Würstchen über den Rost gejagt“, berichtet Giebeler. Schnell habe jemand Kontakt zum Deutschen Roten Kreuz (DRK) aufgenommen, um weitere Lebensmittel an die Betroffenen verteilen zu können. „Die DRK-Lager waren nämlich außerhalb der Stadt und somit für die meisten Leute gar nicht erreichbar“, sagt Giebeler, der eigentlich Fotograf ist. „Dann haben wir ein Zelt bekommen und das innerhalb einer Nacht alles aufgebaut. So konnten wir eine halbwegs vernünftige Lebensmittelausgabe machen.“ Schnell seien weitere Zelte hinzugekommen und aus dem Grillplatz wurde ein Ort, den man heute vielleicht als Versorgungscamp bezeichnen könnte.
„Wir haben gesehen: Die Not ist riesig“
Auch Oliver Stöber ist gemeinsam mit seinen Kommilitonen nach Stolberg gekommen, um mit anzupacken. „Irgendwann waren dann die Keller leer und dann wussten wir nicht so recht, was wir machen sollen. Denn wir haben gesehen: Die Not ist riesig“, sagt er. Die Studentinnen und Studenten der Sozialen Arbeit der der Katholischen Hochschule Aachen hätten sich deshalb bei der Notfallseelsorge gemeldet, um ihre Hilfe anzubieten. „Mit denen sind wir dann durch Stolberg gefahren und haben geschaut, welche Nöte die Menschen haben“, so Stöber. Wie ist die Lage vor Ort? Wer braucht Hilfe? Welche Hilfe wird konkret benötigt? All diese Dinge hätten sie aufgeschrieben und an den Krisenstab der Stadt weitergegeben. Etwa zwei Wochen nach der Flut sei der Katastrophenfall dann aber aufgehoben worden und die Studenten hätten nicht mehr mit den Notfallseelsorgern zusammenarbeiten können. Und das, obwohl, so Stöber, noch viele Menschen Hilfe brauchten.
„Dann sind wir hier an den Willy-Brandt-Platz gekommen. Hier waren Leute wie Christoph, die wussten am besten Bescheid. Die kannten die Leute und ihre Not. Die waren jeden Tag hier vor Ort und haben die Essensausgaben gemacht“, erinnert sich der Student. Anfang August seien die angehenden Sozialarbeiter in ein Versorgungszelt auf dem Platz gezogen, um soziale Beratung, Hilfe bei den Anträgen zur Hilfszahlung, psychologische Hilfe und ein offenes Ohr für die Betroffenen zu bieten. Das reine Versorgungsangebot wurde so also schnell erweitert auf eine soziale Ebene.
Ein wenig Normalität und Ablenkung für die Kinder
Dass es sich bei dem Versorgungscamp nur um eine provisorische Lösung handeln kann, ist den Organisatoren von „Willy“ bewusst. Erst vor kurzem, berichten sie, wurden etwa die Pavillons der Essensausgabe durch einen Sturm zerstört. Deshalb findet die Ausgabe nun in einer Art Hinterhof statt – jedoch mit einem Haken. „Das geht jetzt auf die Kosten unserer Kinder- und Jugendarbeit, die sonst im Innenhof stattgefunden hat“, erklärt Giebeler.
Die Kinder und Jugendlichen liegen den Ehrenamtlichen besonders am Herzen. Das merkt man. In der „Kinderoase“, wie der Bereich für die Kinder und Jugendliche genannt wurde, gab es verschiedene Angebote. „Wir hatten zum Beispiel einen Tanz-Workshop und einen Theater-Workshop für die Kinder. Auch ein Clown war schon einmal da“, erklärt der Fotograf. Oliver Stöber ergänzt: „Wir hatten im Sommer jeden Tag 40 bis 50 Kinder zur Ferienbetreuung hier bei uns. Weil es auch einfach nichts anderes gab.“ Gemeinsam hätten sie versucht, den Kindern ein wenig Normalität und Beschäftigung zu bieten. „Es ging uns auch darum, die Kinder buchstäblich aus dem Dreck zu holen. Die haben teilweise in dem kontaminierten Schlamm gespielt. Mit Öl und Fäkalien“, so Giebeler. Und ganz nebenbei könnten sie so auch noch die gestressten Eltern entlasten: „Die sitzen nämlich auch zu Hause, haben mega viele Sorgen und sind einfach nur froh, wenn sie auch einmal weinen können oder sich aussprechen können, ohne dass die Kinder dabei sind“, sagt der Fotograf.
Schimmelnde Wohnungen und „eiskaltes Nass“
Aktuell stehen die Freiwilligen von „Willy“ vor der Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschen sicher durch den Winter kommen. Dafür haben die Studentinnen und Studenten um Oliver Stöber einen Fragebogen entwickelt, so dass die Bedürftigen mitteilen können, was ihnen fehlt. „Es wird ja jetzt kalt und super viele Leute haben nicht einmal Strom. Das ist wirklich lebensgefährlich. Es schimmelt überall – eiskaltes Nass könnte man das nennen“, beschreibt Stöber die verheerende Situation der Flutopfer. Die Freiwilligen würden nun jeden Haushalt ansprechen, nach den Nöten fragen und diese dann an die Stadt weitertragen. Dies ginge über das Internet oder über Papierbögen, die dann an mehreren Stellen in der Stadt abgegeben werden könnten. „Da können die Hilfsangebote dann angepasst werden an die Leute“, erklärt der Student.
Nicht nur die Betroffenen stehen mit ihren kalten und von Schimmel befallenen Wohnungen vor der Herausforderung, durch die kalte Jahreszeit zu kommen. Auch die Ehrenamtlichen von „Willy“ sehen der kalten Jahreszeit mit Sorge entgegen: „Wir müssen winterfest werden“, meint Giebeler. Die Anträge für weitere Container seien bereits vor einigen Wochen gestellt worden, doch die Mühlen der Bürokratie bewegten sich sehr langsam.
Das Spendengeld aus Ostfriesland wollen die Ehrenamtlichen nutzen, um die Container zu finanzieren und den Betroffenen weiter einen Rückzugsort bieten zu können. Das Ziel, für die Betroffenen da zu sein, schwebt bei „Willy“ über allem. Das merkt man auch, wenn man die Ehrenamtlichen danach fragt, wie sie persönlich mit den Schicksalen der letzten Wochen umgehen können. Oliver Stöber betont: „Die Leute leiden hier. Alle wissen das. Wir sind aber wenigstens für sie da. Es wäre ja viel schlimmer, ihnen nicht zu helfen.“
„Auf der Mühle packen alle sofort mit an“
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