Frankfurt/Main (dpa)
Nach Hörmann muss auch Vorstandschefin Rücker gehen
Die Turbulenzen beim DOSB nehmen kein Ende. Nach Präsident Alfons Hörmann muss nun auch die Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker gehen. Ruhe dürfte beim Dachverband trotzdem nicht einkehren.
Die Vertrauenskrise um anonyme Vorwürfe von Mitarbeitern beim Deutschen Olympischen Sportbund kostet nun auch Vorstandschefin Veronika Rücker ihren Job.
Der DOSB habe sich mit der 51-Jährigen auf „eine einvernehmliche Beendigung der Zusammenarbeit“ zum Jahresende verständigt, teilte der Dachverband mit. Damit wolle man „auch im Bereich des Hauptamtes eine personelle Neuaufstellung“ ermöglichen. Zuvor hatte bereits DOSB-Präsident Alfons Hörmann (61) angekündigt, sein Amt aufzugeben. Am 4. Dezember soll in Weimar ein neues Präsidium gewählt werden.
„Kultur der Angst“
Doch nun wird der personelle Umbruch noch größer. Nach vier Jahren im Amt muss Rücker wegen der Verwicklung in die jüngste Affäre um juristische Attacken gegen das ehemalige Vorstandsmitglied Karin Fehres gehen. Auslöser des Wirbels war ein im Mai öffentlich gewordenes Schreiben, in dem Mitarbeiter über eine „Kultur der Angst“ in der Verbandszentrale klagten.
Vor wenigen Tagen war nun bekanntgeworden, dass die DOSB-Führung um Hörmann und Rücker unter Androhung einer Strafanzeige und Zivilklage Fehres aufgefordert hatten, sich als Verfasserin der anonymen Mail vom 6. Mai zu bekennen. Fehres hatte dies als „absurd und haltlos“ zurückgewiesen. Der DOSB hatte sich im November 2020 unerwartet und ohne Begründung von der 62 Jahre alten Sportfunktionärin getrennt.
Wegen des Drohbriefs an Fehres waren Hörmann und Rücker erneut in die Kritik geraten. Mehrere Spitzenorganisationen wie die Deutsche Sportjugend und der Deutsche Turner-Bund zeigten sich geschockt vom Umgang mit Fehres und stellten sich hinter die frühere DOSB-Funktionärin.
Versuche zu einer außergerichtlichen Klärung
Hörmann und Rücker verteidigten ihr Vorgehen. „Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass es im Grundsatz richtig und unsere Verantwortung war, zum Schutze des DOSB den Hintergründen des Schreibens nachzugehen“, teilten sie in einer Erklärung mit. Der Verband und Sportdeutschland hätten durch den Brief „erheblichen Schaden“ genommen, auch wenn die Ethik-Kommission und die Studie eines Beratungsunternehmens die Vorwürfe weitgehend entkräftet hätten.
Hinweise hätten auf eine Autorenschaft des Briefes außerhalb des Mitarbeiter-Kreises hingedeutet. Ein Sprachgutachter sei beauftragt worden. Aufgrund der Ergebnisse habe man auf Anraten der Rechtsberater zwei Versuche zu einer außergerichtlichen Klärung der Sache mit Fehres unternommen, hieß es weiter.
„Um den Vorgang nicht weiter eskalieren zu lassen, haben der Vorstand und Alfons Hörmann als persönlich Betroffener unmittelbar nach einer entsprechenden Empfehlung der Ethik-Kommission Ende Oktober entschieden, keine weiteren rechtlichen Schritte zu unternehmen“, betonten Hörmann und Rücker. Die Kritik an einem unverhältnismäßigen Vorgehen sei in der Rückschau berechtigt, räumten sie ein.
Ethik-Kommission: „geordneten Übergang“ sicherstellen
„Wir bedauern, wenn durch das Vorgehen der Eindruck entstanden ist, dass Frau Dr. Fehres in ungebührender Form unter Druck gesetzt werden sollte“, versicherten Hörmann und Rücker. Das scharf formulierte Schreiben eines Anwalts an Fehres sei allein von ihnen freigegeben worden.
Um weiteren Schaden vom Dachverband abzuwenden, habe sich das Präsidium mit Rücker auf die Trennung geeinigt. Zudem seien die Anwälte beauftragt worden, „eine Dokumentation dieses aktuellen Vorgangs zu erstellen, um diese der Ethik-Kommission zur Einschätzung zu übergeben“. Inmitten der Turbulenzen wolle man einen „geordneten Übergang“ für die neue Verbandsspitze sicherstellen.
Ruhe dürfte damit beim DOSB nicht einkehren. Beginnt doch gerade erst der Wahlkampf um die Hörmann-Nachfolge. Als Kandidaten für das Präsidentenamt empfahl eine Findungskommission zu Wochenbeginn die Ex-Weltklassefechterin Claudia Bokel, den CSU-Politiker Stephan Mayer und den scheidenden Tischtennis-Weltpräsidenten Thomas Weikert. Mit dem Aus für Rücker ist nun bald noch ein weiterer Spitzenjob zu vergeben.
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