Rotterdam (dpa)
WM-Qualifikation geschafft: Van Gaal jubelt im Rollstuhl
Die WM 2018 hatten die Niederländer noch verpasst. 2022 in Katar sind sie jedoch nach langem Zittern dabei. Der entscheidende Sieg hatte vor allem für Trainer Louis van Gaal eine schmerzhafte Vorgeschichte.
Im Laufe seiner langen Trainerkarriere hat Louis van Gaal schon einige ikonische Bilder produziert, wie er bei der Meisterfeier des FC Bayern 2009 seine Waden auf dem Münchner Rathausbalkon schwang, oder auf den Schultern der Ajax-Spieler 1995 den Champions-League-Pokal hielt.
Die Fotos vom Dienstagabend aus dem Stadion De Kuip in Rotterdam werden ebenfalls in die niederländische Fußball-Geschichte eingehen. Sie zeigen den mittlerweile 70 Jahre alten van Gaal im Rollstuhl, wie er Oranjes Nationalteam zunächst per Handy von der Tribüne aus zur erfolgreichen WM-Qualifikation dirigiert. Und wie er später in der Kabine nach dem entscheidenden 2:0-Sieg gegen Norwegen jubelnd im Kreise seiner Spieler sitzt. „Wir haben auch Champagner getrunken“, betonte van Gaal. „Die Jungs haben den Plan fantastisch umgesetzt.“
Louis van Gaal: „Ich hatte Angst“
Noch am Wochenende zuvor war die Stimmung des ehemaligen Bayern-, Barcelona-, Ajax-Amsterdam- oder Manchester-United-Coaches eine ganz andere gewesen. „Ich hatte Angst, dass es ganz schiefgehen könnte“, gestand van Gaal im niederländischen Fernsehen.
Für einen derart selbst- und sendungsbewussten Menschen ist das schon eine bemerkenswerte Aussage. Den Zustand des stolzen niederländischen Fußballs spiegelte sie dennoch gut wieder. Die EM 2016 und WM 2018 wurden verpasst. Bei der Europameisterschaft in diesem Sommer scheiterte man im Achtelfinale an einer No-Name-Truppe aus Tschechien. Die große Chance, sich vorzeitig für die WM 2022 in Katar zu qualifizieren, wurde zuvor durch zwei späte Gegentore beim 2:2 in Montenegro verspielt. Und dann fiel van Gaal auch noch vom Fahrrad und brach sich einen Hüftknochen.
„Wir mussten nach dem Samstag eine Antwort geben und das haben wir getan“, sagte Kapitän Virgil van Dijk. „Jetzt fahren wir zur WM. Ich kann es kaum erwarten, dabei zu sein.“
„Nicht als Favorit, sondern als Außenseiter“ zur WM
Wer Profis wie van Dijk vom FC Liverpool oder die Torschützen Steven Bergwijn (Tottenham Hotspur/84. Minute) und Memphis Depay (FC Barcelona/90.+1) im Kader hat, der gehört auch zu einer WM. Trotzdem weckt diese Generation in einem Land, das der Fußball-Welt schon Spieler wie Johan Cruyff oder Marco van Basten bescherte, immer noch große Skepsis und teils beißende Kritik.
„Oranje fährt nicht als Favorit, sondern als Außenseiter nach Katar“, schrieb die Zeitung „De Telegraaf“. Die Kollegen von „De Volkskrant“ sahen gegen Norwegen „ein Spiel von monumentaler Langeweile. Als ob Fußballspielen auf einmal etwas Schwieriges war, das sie erst ein paar Mal getan hatten und das nicht ihr Beruf ist“.
Van Gaal kennt als niederländischer Bondscoach beide Extreme. Vor 20 Jahren scheiterte er mit begnadeten Spielern wie Marc Overmars und Patrick Kluivert völlig überraschend an der Qualifikation zur WM 2002. 2014 in Brasilien führte er dafür ein deutlich schwächer eingeschätztes Team um Arjen Robben bis ins WM-Halbfinale. Auf van Gaals Fähigkeiten, ein Team zusammenzustellen und zu formen, wird es in Katar wieder besonders ankommen. Mit dann 71 Jahren dürfte er bei der WM 2022 zum letzten Mal im Blitzlicht stehen.
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