Rom (dpa)
Sea Watch wirft libyscher Küstenwache Kidnapping-Drohung vor
Hilfsorganisationen sind für viele Flüchtlinge auf dem Mittelmeer die letzte Rettung. Die Besatzung der Berliner Sea Watch erhebt jetzt schwere Vorwürfe gegen die libysche Küstenwache.
Ein Schiff der Berliner Hilfsorganisation Sea Watch ist nach Angaben der Seenotretter von Libyens Küstenwache im Mittelmeer mit Entführung bedroht worden.
Die Helfer veröffentlichten in der Nacht auf Freitag bei Twitter Aufnahmen eines Funkverkehrs, in dem dem Schiff „Sea Watch 4“ befohlen wird, seinen Kurs zu ändern. Auf die Antwort, man befinde sich in internationalen Gewässern, wurde die Aufforderung nach der Kurskorrektur wiederholt. „Sonst nehmen wir euch mit nach Libyen! Ist das klar für euch?“, rief die Stimme am anderen Ende des Funkes. „Ihr kennt die Regeln in Libyen.“
Sea Watch schrieb in einem Tweet kurz darauf, dass sich die Situation danach wieder entspannt habe. Am frühen Abend veröffentlichte die Organisation dann ein weiteres Video mit einem Funk-Dialog, in dem das Schiff aufgefordert wurde, den Motor zu stoppen. „Sonst werden wir auf euch schießen!“, warnte ein Mann, der sich am Funk als libysche Marine („libyan navy“) identifizierte. Sea Watch forderte Europa auf, die Zusammenarbeit mit Libyen im Mittelmeer zu beenden.
120 Migranten aus Libyen an Bord
Die „Sea Watch 4“ hat nach eigenen Angaben 120 Migranten an Bord, die aus Libyen geflüchtet seien. Einige davon seien bei einer dramatischen Rettungsaktion aus dem Wasser geholt worden. Wie die Helfer berichteten, habe die libysche Küstenwache die Menschen abgefangen und an Bord geholt. Diese seien dann aber wieder ins Wasser gesprungen, um zum Seenotrettungsschiff zu gelangen.
Unterdessen teilte die Organisation Ärzte ohne Grenzen mit, dass ihr Schiff „Geo Barents“ mit 186 Geretteten in der sizilianischen Hafenstadt Messina anlegen dürfe. Neben den Überlebenden hat das Schiff auch zehn Leichen an Bord, die bei einer Rettung von 99 Menschen am Dienstagnachmittag im Rumpf von deren Holzboot entdeckt worden waren. Sie seien unter Deck erstickt, hieß es.
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