Düsseldorf (dpa)
Kachelmann: Extremereignis zeichnete sich Tage vor Flut ab
Hätte ein schnelleres Handeln der Behörden die schlimmsten Folgen der Hochwasser-Katastrophe im Westen Deutschlands verhindern können? Im NRW-Landtag tagt zu dieser Frage ein Untersuchungsausschuss.
Schon Tage vor der Flutkatastrophe zeichnete sich nach Einschätzung des Wetterexperten Jörg Kachelmann ein extremes Wetterereignis für den Südwesten von Nordrhein-Westfalen ab.
Am Montag sei nach den Wettermodellen eigentlich bekannt gewesen, dass etwas Großes passieren würde, sagte Kachelmann am Freitagabend im Untersuchungsausschuss des Landtags von Nordrhein-Westfalens zur Flutkatastrophe im Juli zu den Wettermodellen und der Prognose am Montag, dem 12. Juli.
„Die Informationen waren alle da“, betonte Kachelmann in seiner Befragung durch Landtagsabgeordnete. Warum seien die Menschen nicht 24 Stunden vorher darüber informiert worden, dass etwas komme, was man noch nicht gesehen habe? - das fragte er mit Blick auf die Ereignisse am 13. und 14. Juli, als großflächiger Starkregen zu Hochwasser und Überflutungen führte. „Wir haben immer genug Zeit“, betonte Kachelmann. Bei einer Wiederholung der Ereignisse müsse kein einziger Mensch ums Leben kommen, unterstrich er.
Kachelmann hatte am 13. Juli mittags in einem Tweet gewarnt, es werde „womöglich Zeit, Menschen allmählich behördlicherseits und medial auf ein Hochwasser-Szenario vorzubereiten“. In der folgenden Nacht kam es zu ersten Überschwemmungen.
Die britische Expertin Hannah Cooke äußerte sich im Untersuchungsausschuss ähnlich. Das europäische Hochwasser-Warnsystem EFAS habe schon einige Tage vor der Flutkatastrophe einen ersten Hinweis auf ein mögliches Extremereignis im Rheinland gegeben.
Am 10. Juli 2021 habe EFAS ein Hochwasser, das einmal in 20 Jahren auftritt, mit einer Wahrscheinlichkeit von 22 Prozent für das Rheinbecken prognostiziert, sagte die Hydrologie-Professorin.
Diese Information sei zwar noch unsicher gewesen, aber man sollte in einen solchem Fall besonders aufmerksam sein, erläuterte sie. Das wäre der Zeitpunkt, an dem national zuständige Behörden einige Informationen zusätzlich anschauen, um ein klareres Bild der Lage zu bekommen.
„Zugeben, dass das System insgesamt versagt hat“
Sie habe keine Hinweise, wie die von EFAS zur Verfügung gestellten Informationen von den entsprechenden nationalen und lokalen Stellen letztlich verwendet worden seien. EFAS-Partner erhielten Warnungen. Diese könnten dann selbstständig auf das Webportal des Warnsystems zugreifen und dort weiterarbeiten.
„Wenn so viele Menschen sterben, müssen wir zugeben, dass das System insgesamt versagt hat“, bekräftigte die Expertin ihre bereits geäußerte Kritik und verwies dabei auf die vielen Toten.
Sie betonte dabei auch, dass sich diese Kritik nicht auf bestimmte Teile in Nordrhein-Westfalen beziehe. Sie habe keine Untersuchungen angestellt, wie die einzelnen Teile des Systems im Fall der Flutkatastrophe von Juli funktioniert haben.
Der Untersuchungsausschuss im Landtag von Nordrhein-Westfalen war mit den Stimmen der Oppositionsabgeordneten von SPD und Grünen zustande gekommen. Das Gremium soll mögliche Versäumnisse, Unterlassungen oder Fehleinschätzungen der CDU/FDP-Landesregierung und nachgeordneter Behörden in Zusammenhang mit dem verheerenden Hochwasser von Mitte Juli mit 49 Toten in NRW untersuchen. Im Frühjahr 2022 soll dem Landtag ein öffentlicher Bericht über die bis dahin vorliegenden Erkenntnisse vorgelegt werden. Im Mai 2022 sind Landtagswahlen.
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