Berlin (dpa)
Nouripour will Grünen-Chef werden - Neue Fraktions-Spitze
Nach dem Streit um die Postenvergabe für die Bundesregierung wollen die Grünen die Neuaufstellung der Partei- und Fraktionsspitze wieder harmonischer hinbekommen. Ein Kandidat und eine Kandidatin sind bereits im Rennen.
Omid Nouripour will Grünen-Vorsitzender werden. „Ich möchte mich auf dem digitalen Parteitag Ende Januar bewerben, Parteivorsitzender zu werden“, kündigt der 46-Jährige in der Aufzeichnung der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ vom Donnerstag an, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.
Die Grünen wählen ihre neue Führung am 28. und 29. Januar. Der Außenpolitiker Nouripour ist der erste, der seine Kandidatur offiziell erklärt. Als Co-Vorsitzende ist die stellvertretende Parteichefin Ricarda Lang (27) im Gespräch.
Da die derzeitigen Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck in den Bundestag gewählt worden sind und Regierungsämter übernehmen, müssen sie nach den Regeln der Parteisatzung ihre Parteiämter aufgeben. Nouripour ist im Iran geboren und im Alter von 13 Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen. In den letzten Jahren hat er sich im Bundestag als Außen- und Verteidigungspolitiker profiliert. Bei der Wahl gewann er in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main ein Direktmandat.
„Diese Stadt und diese Partei haben mir alles gegeben, was ich jetzt bin und wofür ich nicht ausreichend dankbar sein kann“, sagte Nouripour den dpa-Informationen zufolge bei Lanz. „Wenn ich in dieser Situation als Parteivorsitzender ein Stückchen was zurückgeben dürfte, wäre es mir eine große Freude.“
Die grüne Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner will sich einem Bericht des „Spiegel“ zufolge nicht mehr um den Parteivorsitz bewerben. Sie wolle sich stattdessen auf ihre neue Aufgabe als Parlamentarische Staatssekretärin im neuen Ministerium für Wirtschaft und Klima unter der Leitung von Robert Habeck konzentrieren, hieß es.
Auch die Spitze der Grünen-Bundestagsfraktion wird neu aufgestellt. Der bisherige Fraktionschef Anton Hofreiter will bei der für kommende Woche geplanten Wahl nicht mehr kandidieren. Das wurde der Deutschen Presse-Agentur aus Fraktionskreisen bestätigt. Hofreiters Co-Vorsitzende Katrin Göring-Eckardt wird als Nachfolgerin von Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth gehandelt, die in der neuen Bundesregierung Kulturstaatsministerin werden soll. Als neue Doppelspitze werden nun zwei Frauen favorisiert: die Wirtschaftsexpertin Katharina Dröge und Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann.
Es wäre erst das zweite Mal seit dem Einzug der Grünen in den Bundestag 1983, dass die Fraktion von einer weiblichen Doppelspitze geführt wird. Zwischen 2002 und 2005 waren Krista Sager und Göring-Eckardt Fraktionschefinnen. Nach der Geschäftsordnung der Fraktion muss mindestens eine der beiden Vorsitzenden eine Frau sein.
Hofreiter hatte intern schon vor der Bundestagswahl klargemacht, dass er den Fraktionsvorsitz abgeben möchte. Allerdings ging der dem linken Parteiflügel angehörende Biologe bei der Postenvergabe für das neue Bundeskabinett leer aus. An seiner Stelle übernimmt nun der Realo Cem Özdemir das Agrarministerium, falls die Ampel-Koalition wie geplant zustande kommt. Bei den Parteilinken hat das für massiven Ärger gesorgt.
Hofreiter blieb trotzdem bei seiner Entscheidung, nicht erneut für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren. Aus seinem Umfeld hieß es, ein Zusammenhang mit der Kabinettsbesetzung bestehe aber nicht. Hofreiter unterstütze nun die Kandidatur der 37 Jahre alten Abgeordneten Dröge, die wie er dem linken Parteiflügel angehört.
Dröge hatte ihre Kandidatur vor wenigen Tagen in einem Brief an alle Abgeordneten erklärt. Andere offizielle Kandidaturen gibt es noch nicht. Die 59-jährige Haßelmann wird aber schon seit längerem für den Fraktionsvorsitz gehandelt.
Die Partei gab am Donnerstag auch bekannt, welche Staatsminister und Parlamentarische Staatssekretäre den fünf Ministern der Grünen zur Seite gestellt werden sollen. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner folgt Parteichef Robert Habeck in das neu strukturierte Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Auch die Europapolitikerin Franziska Brantner sowie der Umwelt- und Wirtschaftspolitiker Oliver Krischer werden Parlamentarische Staatssekretäre in Habecks Ministerium.
Der künftigen Außenministerin Annalena Baerbock werden die Expertin für Rüstungsexporte, Katja Keul, der Verteidigungspolitiker Tobias Lindner und die Europapolitikerin Anna Lührmann als Staatsministerinnen und Staatsminister zur Seite stehen.
Staatsminister und Parlamentarische Staatssekretär müssen dem Bundestag angehören, unterstützen die Minister bei ihren politischen Aufgaben und können auch als Stellvertreter der Minister auftreten, zum Beispiel als Redner im Bundestag oder bei politischen Veranstaltungen.
Insgesamt werden nach dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP künftig fünf Ministerien von Grünen-Politikern geleitet. Diese Politiker sind als künftige Parlamentarische Staatssekretäre in den anderen drei Ministerien vorgesehen:
- Ernährung und Landwirtschaft: Ophelia Nick und Manuela Rottmann
- Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ekin Deligöz und Sven Lehmann
- Umwelt und Verbraucherschutz: Bettina Hoffmann und Chris Kühn.
Die Parteitage von SPD und FDP müssen dem Koalitionsvertrag noch zustimmen, bei den Grünen läuft dazu noch bis Montag eine Mitgliederabstimmung. Ziel der Ampel-Parteien ist es, Olaf Scholz (SPD) am kommenden Mittwoch zum Bundeskanzler zu wählen.
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