GA-Weihnachtsaktion

Ziel: Schritt für Schritt den Alltag zurückerobern

Astrid Fertig
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Von Astrid Fertig
| 17.12.2021 12:10 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Um zu zeigen, wie sie mit den Patienten arbeiten, hat sich Sabine Peters-Hempen hier in einen Freistehbarren gestellt, flankiert von ihrer Kollegin Stefanie von Garrel. Mit diesem Gerät mobilisieren die Ergotherapeutinnen auch die Bewohner der Facheinrichtung für Intensivpflege, FIP. Fotos: Fertig
Um zu zeigen, wie sie mit den Patienten arbeiten, hat sich Sabine Peters-Hempen hier in einen Freistehbarren gestellt, flankiert von ihrer Kollegin Stefanie von Garrel. Mit diesem Gerät mobilisieren die Ergotherapeutinnen auch die Bewohner der Facheinrichtung für Intensivpflege, FIP. Fotos: Fertig
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Die Therapeuten, die mit den Patientinnen und Patienten der Facheinrichtung für Intensivpflege arbeiten, bemühen sich, ihnen ein Stück Alltag und Eigenständigkeit zurückzugeben. Jeden Tag aufs Neue.

Barßel - Die Physiotherapeutin hat ihre Arme auf die Schultern der Patientin gelegt. Die hält sich an ihr fest. Gemeinsam bewegen die Frauen sich auf dem Flur der Facheinrichtung für Intensivpflege, FIP, in Barßel, umrunden das Treppenhaus. Die Therapeutin geht rückwärts, ihre Patientin bewegt sich langsam vorwärts, Schritt für Schritt.

Anerkennend sehen die Ergotherapeutinnen Stefanie von Garrel und Sabine Peters-Hempen den Beiden zu. Sie kennen die Patientin gut, wie sie alle Bewohner der FIP kennen, weil sie sie langfristig begleiten. Nach einem schweren Unfall kam die Patientin vor einigen Jahren in die FIP, nachdem sie vorher monatelang im Krankenhaus gelegen hatte.

Patienten werden regelmäßig mobilisiert

Anfangs hätte sie überhaupt keinen Schritt mehr gehen können, berichten die Ergotherapeutinnen. Sie hat schwere neurologische Störungen. Dass die Frau mit Unterstützung heute wieder laufen kann, ist auch den Therapien zu verdanken, die sie in der FIP täglich erfährt.

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„Wir holen den Patienten da ab, wo er steht“, schildert Peters-Hempen, „und bauen darauf auf.“ Gemeinsam versuchten Therapeuten, Ärzte und Pflegekräfte, die Schwerstpflegebedürftigen so weit zu mobilisieren, wie es möglich ist. Stefanie von Garrel schildert, wie sie etwa beim täglichen Waschtraining erlebe, dass – wenn sie Patienten die Hand führe – diese manchmal anfingen, mit dem Waschlappen selbst ihr Gesicht zu reinigen, sich mit der Bürste durchs Haar fahren oder die Zahnbürste im Mund bewegten. Alte Bewegungsmuster wieder zu aktivieren, sei einfacher, als Neues zu lernen, erläutert von Garrel. Natürlich sei bei Wachkoma-Patienten jeder Tag anders. Was heute gut läuft, klappt am nächsten Tag vielleicht nicht.

Therapiepraxis liegt gleich neben FIP

Die 46-jährige Stefanie von Garrel leitet die Ergotherapie-Abteilung des Therapiezentrums Barßel am Mühlenweg, das räumlich an die FIP angebunden, aber eine eigenständige Praxis ist. Das Angebot an Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie dort richtet sich an jeden, nicht nur an die Patienten der Fachintensivpflege. Die können ihre Therapeuten grundsätzlich selbst wählen. Doch weil viele von ihnen von weit her kommen, werden die meisten von den Fachkräften des Barßeler Therapiezentrums betreut.

Das Therapiezentrum Barßel liegt benachbart zur Facheinrichtung für Intensivpflege am Mühlenweg, ist jedoch eine eigenständige Praxis. Viele Patienten der FIP werden von den Therapeuten, die dort arbeiten, betreut.
Das Therapiezentrum Barßel liegt benachbart zur Facheinrichtung für Intensivpflege am Mühlenweg, ist jedoch eine eigenständige Praxis. Viele Patienten der FIP werden von den Therapeuten, die dort arbeiten, betreut.

Jeder Patient habe das Recht auf Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie, erläutert Rolf Kornblum, der stellvertretende Leiter der FIP. Die Facheinrichtung und das Therapiezentrum setzen sich engagiert mit den Kostenträgern auseinander, um das zu ermöglichen.

Keine zwei Patienten sind gleich

Stefanie von Garrel arbeitet seit mehr als 20 Jahren mit Patienten in der FIP. Sie war schon im ehemaligen Krankenhaus St. Elisabeth mit dabei. Damals sei es ein ganz kleines Team gewesen, erzählt sie. Mittlerweile ist das Therapiezentrum auf mehr als 30 Mitarbeiter gewachsen. „Ich habe in all der Zeit keine zwei gleichen Patienten kennengelernt“, sagt die Friesoytherin. Jeder bringe seine eigenen, individuellen Fähigkeiten mit. „Die Brücken dazu müssen wir finden“, erklärt die Ergotherapeutin. „Wer reagiert auf die Stimme, wer besser auf Berührung?“

Wie ist es, mit und für Menschen tätig zu sein, die nicht sagen können, ob und wo ihnen etwas wehtut? „Man braucht viel Empathie für die Bewohner und deren Einschränkungen“, sagt Sabine Peters-Hempen. Die Emsländerin ist ebenfalls 46 Jahre alt, seit 1999 in die Arbeit bei der FIP eingebunden und seit 2015 dort fest angestellt.

Übungen angelehntan den Alltag

Zur genauen, täglichen Beobachtung komme der stete Blick auf die Geräte, die Herzfrequenz und Sauerstoffversorgung anzeigten. Oft reiche es schon, dem Patienten zu helfen, sich auf die andere Seite zu drehen. Die Ergotherapeutin erläutert, worauf es bei ihrer Arbeit ankommt: Sie wolle den Weg gemeinsam mit dem Betroffenen gehen – nicht für ihn, sondern mit ihm, um ihm möglichst viel Eigenständigkeit zu ermöglichen. Alles sei angelehnt an den normalen Alltag.

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Das Ziel sei, die Patienten irgendwann aus der FIP zu entlassen. „Das klappt nicht bei jedem“, sagt der stellvertretende Einrichtungsleiter Kornblum, „aber bei einigen schon.“ Manche lernten sogar wieder zu sprechen. Mit anderen entwickle man einen Kommunikationscode etwa über Augenbewegungen oder Händedruck. Bei manchen Patienten scheinen alle Brücken zum eigenen Bewusstsein abgebrochen. Doch bei anderen tue sich auch nach Jahren noch wieder etwas.

In der FIP hat man Zeit füreinander

Anders als auf der Intensivstation oder in einer Reha-Maßnahme, wo der Aufenthalt zeitlich begrenzt ist, bleiben die Wachkoma-Patienten in der FIP dauerhaft. „Wir haben Zeit – Pfleger, Therapeuten und Bewohner“, stellt Kornblum fest. Im Laufe dieser Zeit sehe man Ressourcen und es komme zu Erlebnissen wie mit der Frau, die jetzt mit Hilfe wieder auf ihren eigenen Beinen gehe.

Das Gute an der FIP sei das Zusammenspiel des gesamten Teams, erklärt Peters-Hempen. Die Therapeuten tauschen sich interdisziplinär aus und arbeiteten oft gemeinsam am Patienten. Wenn jemand vom Ergotherapeuten mobilisiert werde und auf dem Bett sitze, könne auch der Logopäde besser mit ihm arbeiten, weil einem Menschen im Sitzen das Schlucken leichter falle als im Liegen.

Frische Luft gehört auch zur Therapie

Überhaupt ist die Natur so angelegt, dass ein Mensch sitzt, steht, läuft und sich bewegt. „Wer nur im Bett liegt, dessen Körperwahrnehmung verschwimmt“, erklärt Stefanie von Garrel. Weil aufrechte Haltung gut ist für Kreislauf, Knochen und die Funktionen im Magen-Darm-Trakt, nutzen die Ergotherapeuten bei ihrer Arbeit Stehbrett und Freistehbarren. Damit werden die Patienten in die Senkrechte bewegt. Das geschieht nicht schnell, nicht unbedingt vollständig und unterschiedlich lange. An manchen Tagen reicht es, wenn jemand nur in einen 45-Grad-Winkel gebracht wird und das nur für ein paar Minuten. Andere können an dem Gerät stehend essen oder sich mit Spielsteinen beschäftigen.

Zur Therapie gehört auch frische Luft. Im Sommer werden Patienten auf die Wiese gelegt und bekommen Schuhe und Strümpfe ausgezogen, damit sie das frische Gras auf bloßer Haut spüren, den Wind und die Sonne. „Da erlebt man oft ein tolles Feedback“, sagt von Garrel. Auch die Angehörigen können eine wichtige Rolle bei der Therapie spielen.

Frust kommt bei Fachkräften nicht auf

Kommt auch manchmal Frust auf, wenn sie sich um einen Patienten jahrelang kümmern, ohne dass der Fortschritte macht? „Wenn ich einen Patienten 20 Jahre lang betreue, dann denke ich eher, dass er deshalb noch hier ist, weil wir vieles richtig gemacht haben“, sagt Sabine Peters-Hempen. Ohne ihre Unterstützung wäre er sonst vielleicht gar nicht mehr da.

Dafür wird gesammelt

Der General-Anzeiger widmet seine Weihnachtsaktion in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Stiftung der Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO) „Ein Herz für Ostfriesland“ in diesem Jahr der Arbeit in der Facheinrichtung für Intensivpflege, FIP, in Barßel. Mit Hilfe von Spenden soll für die Wachkoma-Patienten eine Rollstuhl-Rikscha angeschafft werden. Die funktioniert ähnlich wie ein Lastenfahrrad: Vorn kann der Rollstuhl mit dem sitzenden Passagier hineingestellt werden. Ein solches Spezialfahrrad würde den Bewegungsradius der FIP-Patienten und ihrer Familien entscheidend vergrößern. Sie könnten miteinander Ausfahrten unternehmen – etwa auf dem Deichwanderweg der nahegelegenen Soeste.

Das Spendenkonto bei der Volksbank eG Westrhauderfehn lautet: IBAN DE62 2859 1654 0032 6518 02; Stichwort: Förderverein KIDS e. V.

Payplal geht auch: : https://www.paypal.com/donate?hosted_button_id=38XPGLGFYG8MC