Frankfurt/Main (dpa)
Zinstief setzt Pensionskassen weiter unter Druck
Pensionskassen haben es in der Niedrigzinsphase besonders schwer. Leistungskürzungen sind bei einigen Einrichtungen auf absehbare Zeit nicht auszuschließen.
In der Zinsflaute könnten weiteren Betriebsrentnern in den nächsten Jahren finanzielle Einschnitte drohen.
Bei einer ganzen Reihe von Pensionskassen seien die Trägerunternehmen bereit, Geld nachzuschießen, um Kürzungen der Betriebsrenten für die Mitarbeiter zu vermeiden, sagte Deutschlands oberster Versicherungsaufseher Frank Grund. „Problematisch sind aber die Fälle, wo es kein entsprechendes Bekenntnis der Arbeitgeber gibt. Es ist daher nicht auszuschließen, dass es in den nächsten Jahren weitere Leistungskürzungen geben wird, mit größeren Fällen rechne ich aber nicht.“
Rund 90 Prozent der Verpflichtungen von Pensionskassen sind Grund zufolge ab Anfang 2022 voll durch den Pensionssicherungsverein geschützt. Dieser springt ein, wenn eine Pensionskasse ihre Leistungen kürzt und der Arbeitgeber die Differenz nicht ausgleichen kann, insbesondere wegen Insolvenz.
Bafin: Pensionskassen haben es schwerer
In der Vergangenheit hatten die Pensionskasse der Caritas und das Schwesterunternehmen, die Kölner Pensionskasse, die Leistungen kürzen müssen. Von den rund 135 Pensionskassen sind derzeit rund 40 unter verschärfter Beobachtung. „Pensionskassen haben es schwerer als Lebensversicherer, da sie ausschließlich lebenslange Garantien anbieten und nicht auf andere Produkte ausweichen können“, sagte der Exekutivdirektor der Finanzaufsicht Bafin der Deutschen Presse-Agentur. Lebensversicherer bieten im Neugeschäft mittlerweile weitgehend nur noch Produkte mit abgespeckter Garantie an.
Den deutschen Lebensversicherern bescheinigte Grund, „angesichts der Herausforderungen durch die Niedrigzinsen bislang ziemlich gut durch die Pandemie gekommen zu sein.“ „Wir machen uns wegen der Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber den Kunden keine größeren Sorgen.“ Rund 20 Lebensversicherer stünden unter intensivierter Aufsicht der Bafin.
Den Assekuranzen fällt es in der Zinsflaute zunehmend schwer, die hohen Zinsversprechen der Vergangenheit zu erwirtschaften. „Wir gehen davon aus, dass die Zinsen am Finanzmarkt auch auf absehbare Zeit niedrig bleiben“, sagte Grund. Um die hohen Zusagen aus den Altverträgen abzusichern, müssen die Versicherer seit 2011 Geld zurückstellen. Der Kapitalpuffer - im Fachjargon Zinszusatzreserve (ZZR) genannt - steigt nach der Bafin-Prognoserechnung für 2021 um rund 9,5 Milliarden Euro, in diesem Jahr dürften etwa 6 Milliarden hinzukommen. „In den nächsten Jahren rechnen wir mit einem weiteren Aufbau der ZZR, Umfang und zeitlicher Verlauf sind jedoch von der konkreten Zinsentwicklung abhängig“, sagte Grund.
Zugleich mahnte Deutschlands oberster Versicherungsaufseher, der eine oder andere Versicherer müsse sich „noch anstrengen“, um die Kapitalanforderungen nach den europäischen Kapital- und Aufsichtsregeln (Solvency II) ab dem Jahr 2032 ohne Erleichterungen voll zu erfüllen. „Rein theoretisch gilt: Versicherern, bei denen die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass sie die Kapitalanforderungen 2032 nicht erfüllen werden, müssten wir heute schon die Übergangsmaßnahmen streichen“, erläuterte Grund. „Hierfür sehen wir aktuell keinen Anlass. Die Hürde dafür ist ohnehin relativ hoch.“ Das Unternehmen hätte dann noch die Möglichkeit, sein Kapital aufzustocken. „Falls das nicht gelänge, würde es seine Lizenz verlieren und dürfte kein Neugeschäft mehr machen. Die Erfüllung der Ansprüche der Versicherten wäre aber gewährleistet.“
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