Baltimore/München (dpa)
Erstmals Schweineherz-Transplantation für einen Menschen
An der Verwendung tierischer Organe im Menschen forschen Mediziner schon lange. Nun erhält ein Schwerkranker ein Schweineherz. Läutet dies das Ende von Spende-Wartelisten und lebenslanger Dialyse ein?
Es ist ein Meilenstein auf dem Gebiet der Organtransplantation: Erstmals weltweit ist einem Menschen ein Schweineherz als Ersatzorgan eingesetzt worden.
Der an einer lebensgefährlichen Herzkrankheit leidende 57-Jährige habe das genetisch veränderte Organ am Freitag bekommen, teilte das University of Maryland Medical Center in Baltimore mit. Die Operation dauerte laut US-Medien acht Stunden, das transplantierte Herz habe seine Arbeit aufgenommen, dem Patienten gehe es gut.
Joachim Denner von der Freien Universität Berlin sagte, der Patient sei noch an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, die am (heutigen) Dienstag abgeschaltet werden sollte. Auch in Deutschland könnten solche Eingriffe möglicherweise in ein bis zwei Jahren vorgenommen werden, sagte der Münchner Herzchirurg Paolo Brenner vom Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
„Diese Organtransplantation zeigt erstmals, dass ein genetisch verändertes Tierherz wie ein menschliches Herz funktionieren kann, ohne dass es der Körper sofort abstößt“, teilte die Klinik in Baltimore mit. Der Patient werde in den kommenden Wochen genau beobachtet.
Letzte Alternative zum Tod
Es handle sich um einen Mann, der wohl wegen Verletzung der Vorgaben nicht mehr auf der Warteliste für ein Spenderherz gestanden habe und für den das tierische Organ die letzte Alternative zum Tod gewesen sei, sagte der Veterinärmediziner Heiner Niemann von der Medizinischen Hochschule Hannover der dpa. Sein Überleben über einige Tage zeige, dass das Team zumindest die gefährliche direkte Abstoßungsreaktion in den Griff bekommen habe.
„Ich weiß, es ist ein Schuss ins Dunkel, aber es ist meine letzte Chance“, wurde der Patient von der Klinik zitiert. Er freue sich darauf, zu genesen und wieder aus dem Bett aufstehen zu können. „Dies war eine bahnbrechende Operation und bringt uns der Lösung der Knappheit bei Organen einen Schritt näher“, sagte der durchführende Arzt Bartley Griffith.
Die Transplantation könnte Hoffnung für zehntausende Menschen bedeuten, die auf Spenderorgane angewiesen sind. Wissenschaftler versuchen seit geraumer Zeit, Organe aus Schweinen für Menschen nutzbar zu machen - neben Herzen etwa Nieren und Lungen. Prinzipiell sei kurzfristig auch für die Leber, aber auch Pankreasinseln, Haut und Cornea ein Ersatz aus Tieren vorstellbar, sagte der Tiermediziner Eckhard Wolf vom Gene Center der LMU der dpa.
Ein Team um Wolf, Brenner und dem Münchner Herzchirurgen Bruno Reichart hatte vor einigen Jahren gentechnisch veränderte Schweineherzen in Paviane transplantiert. Einige überlebten mehr als ein halbes Jahr, bevor die Studie wie vorgesehen abgebrochen wurde.
Genetische Anpassung nötig
Damit ihre Organe für den Menschen verwendet werden können, muss das Erbgut der Spendertiere verändert werden. Ohne genetische Anpassung käme es bei der Übertragung auf den Menschen zu einer sofortigen schweren Abstoßungsreaktion, erklärte Wolf. Im konkreten Fall seien zehn genetische Modifikationen vorgenommen worden.
Dabei gehe es unter anderem um bestimmte Zuckerstrukturen auf der Oberfläche von Schweinezellen, gegen die der Mensch von Natur aus Antikörper habe. „Ein weiteres Risiko ist, dass es - wenn menschliches Blut durch Blutgefäße im Schweineherz fließt – zu Gerinnseln kommt.“
„Weitere Genkonstrukte sorgen für die Bildung eines entzündungshemmenden Proteins“, erklärte Wolf. Zusätzlich sei das Gen für den Wachstumshormonrezeptor ausgeschaltet worden, um ein übermäßiges Wachstum der Schweineherzen nach der Transplantation zu verhindern. „Ob alle diese Modifikationen wirklich erforderlich sind, ist fraglich.“ In München vorgenommene Experimente mit Pavianen hätten gezeigt, dass ein Langzeitüberleben auch mit Spenderherzen mit nur drei genetischen Modifikationen möglich sei.
Sichergestellt müsse zudem sein, dass die Tiere frei von Mikroben sind, um eine Übertragung von Viren und anderen Krankheitserregern auf den Empfänger auszuschließen. Nebenwirkungsreichere Medikamente als bei einer Transplantation von Mensch zu Mensch werden Wolf zufolge nicht benötigt: Eine Immunsuppression sei zwar notwendig, sie sei aber nicht belastender als nach einer herkömmlichen Transplantation.
In Deutschland sei in den nächsten Jahren mit solchen Eingriffen zu rechnen, sagte Wolf. „Der klinische Versuch in den USA wird sicher auf das gesamte Feld eine positive Wirkung haben und die Entwicklung auch hier beschleunigen.“ Das Münchner Team plane eine klinische Studie in den kommenden ein bis zwei Jahren und habe bereits eine entsprechende Zulassung beim Paul-Ehrlich-Institut beantragt, sagt der Herzchirurg Brenner. Allerdings sei man noch nicht ganz auf dem Stand der US-Kollegen.
Organe aus Tieren haben Wolf zufolge einen entscheidenden Vorteil: „Es handelt sich um junge, gesunde Spender, die planbar zur Verfügung stünden.“ Wie schnell es auch bei anderen Organen zu Transplantationen kommen könnte, lässt sich schwer abschätzen. „Wenn es beim Herzen klappt, dann geht es auch bei der Niere“, sagt Brenner. Die Transplantation der Lunge sei etwas komplizierter. Großen Bedarf gebe es zudem für die Implantation von Inselzellen, die das Hormon Insulin produzieren.
Furchtbare Wartelisten
In absehbarer Zeit könnten die lebenslange Dialyse bei Nierenpatienten, die „furchtbaren Wartelisten“ für Spenderorgane und verfrühte Todesfälle wegen nicht rechtzeitig vorhandener Ersatzorgane zur Vergangenheit gehören, hofft der Hannoveraner Experte Niemann.
Die sogenannte Xenotransplantation wird seit den 1980er Jahren erforscht. Schweine sind als Spender besonders geeignet, weil ihr Stoffwechsel dem von Menschen ähnelt. In den USA hatte in den 1980er Jahren ein Arzt einem todgeweihten Neugeborenen mit funktionsunfähigem Herz ein Pavianherz einzusetzen. Das Mädchen überlebte aber nur wenige Wochen. In klinischen Studien wurden bereits Pankreas-Inselzellen aus Schweinen transplantiert, um Menschen mit Diabetes zu helfen.
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