Berlin (dpa)
Bahnchef Lutz: Fahrgastzahl wird deutlich steigen
Mehr Kunden, mehr Einnahmen: Nach zwei Krisenjahren will sich der Staatskonzern allmählich Richtung Normalität bewegen. Der Bahnchef erklärt, wie das trotz Omikron gelingen soll.
In die Fernzüge der Deutschen Bahn werden nach Erwartung des Konzerns in diesem Jahr wieder deutlich mehr Menschen steigen als in den vergangenen beiden Corona-Jahren.
„Für dieses Jahr rechnen wir im Fernverkehr damit, wieder die Marke von 100 Millionen Fahrgästen deutlich zu übertreffen“, sagte Vorstandschef Richard Lutz der Deutschen Presse-Agentur. Im vergangenen Jahr waren es 81,3 Millionen gewesen, rund 400 000 mehr als 2020.
„Die Menschen wollen Bahnfahren“, sagte Lutz. Große Fahrplaneinschränkungen in der Omikron-Welle erwartet er nicht. Nach deutlichen Verlusten im laufenden Geschäft soll es in diesem Jahr auch finanziell besser laufen für den Bundeskonzern.
Ausfälle vermeiden
Angesichts steigender Krankmeldungen setzt die Bahn seit dem 10. Januar in einigen Fällen kürzere Züge ein. Das soll vorsorglich die Instandhaltungswerke entlasten. „Wir haben in den letzten Tagen unser Angebot minimal reduziert und teilweise die Zugbesetzung ein bisschen ausgedünnt“, sagte Lutz. Derzeit laufe der Betrieb insgesamt aber ruhig und weitestgehend reibungslos.
„Allerdings: Wenn die Infektionszahlen weiter so rasant steigen, werden wir uns das natürlich noch einmal anschauen“, fügte Lutz hinzu. „Klar ist: Wir wollen so viel wie irgend möglich fahren. Im Moment sieht es jedenfalls ganz gut aus und ich rechne nicht mit drastischen Einschränkungen unseres Fahrplans, so wie wir es zu Beginn der Pandemie ja schon erleben mussten.“
Um größere Ausfälle zu vermeiden, habe die Bahn Vorkehrungen bei besonders sensiblen Berufsgruppen getroffen, erklärte Lutz. „In Stellwerken beispielsweise fahren wir Zwei- statt Drei-Schichtbetrieb, das heißt eine Schicht bleibt frei und kann notfalls einspringen.“ Bahnfahren sei sicher, betonte Lutz. Nichts deute auf ein erhöhtes Infektionsrisiko hin.
Optimismus trotz Corona
Die Corona-Krise hatte die Fahrgastzahl in den ICE und Intercitys nahezu halbiert - 2019 waren es noch rund 151 Millionen Passagiere gewesen. Die hoch verschuldete Bahn rutschte tief in die roten Zahlen und wird mit staatlichen Milliarden gestützt. 2021 dürfte der Verlust nach Informationen aus Aufsichtsratskreisen bei knapp 1,9 Milliarden Euro vor Zinsen und Steuern (Ebit) gelegen haben.
Lutz ist für das neue Jahr optimistischer. „Wir gehen davon aus, dass wir im Geschäftsjahr 2022 knapp über einer schwarzen Null liegen werden, also nach zwei tiefroten Jahren wieder ein positives operatives Ergebnis (Ebit) erwirtschaften können.“ Wie das Jahresergebnis unterm Strich ausfallen könnte, ließ er offen.
Zuletzt war im Aufsichtsrat von einem Ebit-Plus von rund 100 Millionen Euro 2022 die Rede gewesen. Nach der Mittelfristplanung des Konzerns soll das laufende Geschäft dann vom nächsten Jahr an wieder deutlichere Gewinne abwerfen.
Im Weihnachtsgeschäft hatten die Fahrgastzahlen nur noch rund zehn Prozent unter Vorkrisenniveau gelegen, sagte Lutz. Auch im üblicherweise eher schwachen Januar gebe es bisher stabile Zahlen. So erreiche der Nahverkehr rund 50 bis 60 Prozent der Vor-Corona-Zeit.
„Daher bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass der Trend zu klimafreundlicher Mobilität und Logistik sich nach dem Ende der Pandemie weiter fortsetzen wird“, sagte Lutz. Der Konzern investiere, modernisiere, rekrutiere und qualifiziere deshalb auf Rekordniveau - auch wenn es zulasten des Ergebnisses gehe. „Das Klima wartet nicht, und unsere Kunden warten auch nicht. Wir schielen nicht kurzfristig auf Quartalsergebnisse.“
Verkauf von Arriva
Die Bahn will einen neuen Anlauf unternehmen, die internationale Tochter Arriva verkaufen, wie Lutz angekündigte. Arriva betreibt Busse und Bahnen in 14 europäischen Ländern, vor allem in Großbritannien. Die Bahn nimmt seit einigen Jahren aber ihren Heimatmarkt wieder stärker in den Blick. 2019 hatte die Bahn den Verkauf im Vorfeld des Brexits und wegen zu geringer erwartbarer Erlöse gestoppt. Im Folgejahr belasteten Abschreibungen bei der Tochter das Konzernergebnis.
„Arriva ist im Kern eine gesunde Firma in einem attraktiven Markt“, sagte Lutz. Es sei deshalb richtig, die Tochter in neue Hände zu geben, die das Wachstumspotenzial stärker unterstützen und finanzieren könnten. „2023 oder 2024 wollen wir bei Arriva wieder in die Verkaufsaktivitäten einsteigen.“
Zu immer wiederkehrenden politischen Forderungen, auch die internationale Logistiktochter Schenker abzustoßen, äußerte sich Lutz zurückhaltend. Die Logistik-Tochter habe zwei fantastische Jahre hinter sich und stabilisiere den Konzern finanziell mit Rekordumsätzen und Rekordgewinnen. „Was die Zukunft bringt, das wird man sehen. Derzeit bin ich jedenfalls heilfroh, dass wir Schenker haben.“
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