Peking (dpa)

„China ist bereit“: Thomas Bachs heikles Winter-Olympia

Christian Hollmann, dpa
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Von Christian Hollmann, dpa
| 03.02.2022 14:47 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), spricht auf einer Pressekonferenz. Foto: -/kyodo/dpa
Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), spricht auf einer Pressekonferenz. Foto: -/kyodo/dpa
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Im Jahr des Tigers will China mit seinen Winterspielen Stärke zeigen. Auch das IOC und sein Präsident Thomas Bach mühen sich um frohe Botschaften inmitten heftiger Kritik.

Thomas Bachs Wunsch-Botschaft der höchst umstrittenen Spiele von Peking ist ganz auf der Linie von Chinas Präsident Xi Jinping.

„China ist jetzt ein Wintersport-Land“, das will der Chef des Internationalen Olympischen Komitees als Signal der Winterspiele in die Welt senden. Die hartnäckigen Boykott-Debatten, die bis zur Eröffnungsfeier am Freitag nicht verstummt sind? Die strikten Corona-Regeln, die alle Olympia-Beteiligten in eine enge Parallelwelt zwängen? Die Fragen nach der Unterdrückung der Uiguren und dem Wohlergehen der Tennisspielerin Peng Shuai? „Wir schreiben zusammen ein neues Kapitel der Sportgeschichte“, sagt Bach.

2470 der rund 2900 Athletinnen und Athleten sind da schon in Peking eingetroffen. Jeden Tag werden neue Corona-Fälle bei der Einreise und in der Olympia-Blase entdeckt, doch für Chinas Olympia-Macher und das IOC gibt es schon lange kein Zurück mehr. „Die Welt richtet ihre Augen auf China und China ist bereit“, sagt Staats- und Parteichef Xi in einem Video-Gruß an die 139. IOC-Session. Gerade hat das Jahr des Tigers begonnen - und das Staatsziel von mindestens 300 Millionen wintersport-begeisterten Chinesen ist übererfüllt. Sagen jedenfalls Xi und Bach in diesen Tagen immer wieder.

Kritik an China als Ausrichter

Als erste Metropole der Welt richtet Peking nach den Sommerspielen 2008 auch Winterspiele aus. „Das verändert die Landschaft des Wintersports für immer“, versichert Bach und meint das auch als frohe Kunde für die Wintersport-Industrie, die sich auf frische Milliarden freuen könne. In den politischen Streit um die Menschenrechtslage in China will sich das IOC auf keinen Fall einmischen. „Wenn wir einen politischen Standpunkt einnehmen und zwischen die Fronten von Konflikten und Konfrontationen zwischen politischen Mächten geraten, bringen wir die Spiele in Gefahr“, sagt Bach.

Kurz zuvor hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International ihre Kritik am Ringe-Zirkel erneuert. „Das IOC hat bisher beide Augen vor der Tatsache verschlossen, dass sich Chinas Menschenrechtsbilanz seit den Sommerspielen 2008 dramatisch verschlechtert hat – entgegen aller Zusicherungen der Regierung“, sagt Amnesty-Expertin Lisa Salza. Angeführt von den USA beschloss eine Reihe von Ländern einen diplomatischen Boykott der Winterspiele.

Die Gastgeber hatten sich bereits Kritik von Sportlern verbeten, ein hochrangiger Funktionär des Organisationskomitees drohte mit „Bestrafung“. Bach beteuert zwar, die Athleten würden abseits von Medaillenzeremonien und Wettbewerben Redefreiheit genießen. Er sagt aber auch: „Ich würde jedem Athleten empfehlen, wo auch immer die Spiele stattfinden, nicht andere Leute zu beleidigen und deren Rechte zu verletzen.“

Bach will Peng Shuai treffen

109 Medaillen-Entscheidungen wird es in den nächsten zwei Wochen geben, so viele wie nie zuvor bei Winterspielen. Während in Peking einige der Wettkampfstätten von 2008 wieder zum Einsatz kommen, sind in den Bergen teils protzige Neubauten entstanden. Seinen wichtigsten Termin aber wird der IOC-Präsident wohl abseits der olympischen Arenen haben. In den nächsten Tagen will er sich mit Peng Shuai treffen, deren Schicksal seit Monaten die Welt bewegt.

Die frühere Weltranglisten-Erste im Tennis-Doppel hatte Anfang November im sozialen Netzwerk Weibo Vorwürfe wegen eines sexuellen Übergriffs durch einen chinesischen Spitzenpolitiker veröffentlicht. Der Post wurde bald danach gelöscht. Seither äußerten Sportler, Politiker und Menschenrechtler Sorge um ihr Wohlergehen. Peng Shuai hatte später bestritten, die Vorwürfe erhoben zu haben. Das angeblich zufällige Interview mit ihr wirkte jedoch gestellt.

Für das Gespräch mit Bach soll Peng Shuai in die Olympia-Blase kommen. „Wenn alle Prozeduren dafür abgeschlossen sind, werden wir uns treffen“, sagt der 68-Jährige. Weil das IOC nach Video-Schalten mit Peng Shuai nie konkret ihre Vorwürfe benannte und auf eine „stille Diplomatie“ setzte, war der Dachverband attackiert worden. Man müsse die Wünsche der 36-Jährigen respektieren, entgegnet Bach. Peng Shuai sage, sie könne sich frei bewegen. „Jetzt gehen wir den nächsten Schritt in einem persönlichen Treffen, um uns von ihrem Wohlergehen und ihrem psychischen Zustand zu überzeugen“, sagt Bach.

Nach einer Stunde beendet sein Sprecher die erste Pressekonferenz mit dem IOC-Boss bei den Winterspielen in Peking - und entschuldigt sich vielmals. Es waren noch viele Fragen offen geblieben.

© dpa-infocom, dpa:220203-99-953013/5

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