Wiesbaden (dpa)
Deutsche Industrie: Bestellungen legen kräftig zu
Die deutsche Industrie profitiert von gestiegener Nachfrage im Zuge der weltweiten Konjunkturerholung. Die Auftragsbücher sind so gut gefüllt wie seit Jahren nicht.
Die deutsche Industrie kann dank prall gefüllter Auftragsbücher auf einen kräftig Aufschwung im laufenden Jahr hoffen. Manche Ökonomen rechnen mit einem regelrechten Boom, vorausgesetzt die Lieferengpässe entspannen sich.
Im vergangenen Jahr legten die Bestellungen im Verarbeitenden Gewerbe gegenüber dem Corona-Krisenjahr 2020 um 17,8 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte. Das Niveau des Vor-Krisenjahres 2019 wurde um 9,3 Prozent überschritten. Die Auftragsbücher seien so prall gefüllt wie noch nie seit Anfang der 1960er Jahre, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
„Jetzt kommt es darauf an, dass sich die Lieferengpässe entspannen, um eine Erholung der Industrieproduktion zu ermöglichen“, sagte Krämer. Eine durchgreifende Entspannung erwartet er für den Frühsommer. „Dann dürfte sich die deutsche Wirtschaft kräftig erholen.“
Wegen Lieferengpässen und Materialmangels bei Rohstoffen und Vorprodukten können viele Unternehmen Aufträge nicht im gewohnten Tempo abarbeiten. Das dämpft die Produktion und belastet die Geschäfte. Der Umsatz in der deutschen Industrie lag im vergangenen Jahr zwar kalenderbereinigt um 5 Prozent höher als im Vorjahr. Das Niveau des Vorkrisenjahres wurde aber um 5,5 Prozent unterschritten.
„Boom“ erwartet
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, erwartet einen „regelrechten Boom“, sobald die Materialströme wieder in ausreichendem Maße fließen. Es müssten nicht nur die liegengebliebenen Aufträge abgearbeitet werden, sondern auch die leer gefegten Lager wieder befüllt werden. „Der Industrie stehen in der Post-Corona-Erholung also die besten Monate erst noch bevor.“ Als Risiko sieht Gitzel die Omikron-Welle des Corona-Virus, die die Lieferschwierigkeiten verschärfen könnte.
Zuletzt hatte sich die Lage laut einer Ifo-Umfrage etwas entspannt. Demnach berichteten im Januar 67,3 Prozent der Firmen von Engpässen und Problemen bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen. Im Dezember waren es noch 81,9 Prozent. Es sei allerdings noch nicht abzusehen, „ob dies eine Trendwende ist“, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, jüngst.
Weniger Bestellungen aus dem Ausland
Zum Jahresende 2021 schob eine kräftige Nachfrage aus dem Inland die die Bestellungen an. Insgesamt stieg der um Preiserhöhungen bereinigte (reale) Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe im Dezember zum Vormonat um 2,8 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahresmonat Dezember 2020 verzeichneten die Betriebe ein Plus von 5,5 Prozent. Die Bestellungen aus dem Ausland sanken allerdings gegenüber dem Vormonat um 3 Prozent.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht die Schwäche des Auslandsgeschäfts mit Sorge. „Der schrittweise Rückgang bei den Aufträgen aus dem Ausland seit Jahresmitte zeigt, dass die Weltkonjunktur an Dynamik verliert und die deutschen Unternehmen um ihre Wettbewerbsposition kämpfen müssen“, sagte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen.
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