Berlin (dpa)
Bundesversammlung tritt zusammen - Steinmeier vor Wiederwahl
Deutschland bekommt ein neues Staatsoberhaupt. Schon vor der Wahl steht fest: Es wird das alte sein. Die Mehrheit für Bundespräsident Steinmeier in der Bundesversammlung ist enorm.
Kontinuität im höchsten Staatsamt: Wenn an diesem Sonntag die Bundesversammlung einen neuen Bundespräsidenten wählt, wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit den bisherigen im Amt bestätigen. An der Wiederwahl von Frank-Walter Steinmeier besteht kein Zweifel.
Der Sozialdemokrat, der seine Parteizugehörigkeit als Staatsoberhaupt ruhen lässt, wird von den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP sowie von der CDU/CSU-Opposition unterstützt. Ihre Partei- und Fraktionschefs haben Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) den 66-Jährigen offiziell zur Wahl vorgeschlagen.
Gegen den Amtsinhaber kandidieren für die Linke der Mediziner Gerhard Trabert (65) und für die AfD der Ökonom Max Otte (57), der Mitglied der CDU ist. Diese will ihn wegen der Kandidatur auf AfD-Ticket aus der Partei werfen. Zuletzt haben die Freien Wähler die Physikerin Stefanie Gebauer (41) nominiert. Alle drei haben jedoch angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung keine Chancen. SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU stellen zusammen 1223 der insgesamt 1472 Mitglieder. Die AfD kommt auf 151 und die Linke auf 71 Delegierte. Die Freien Wähler sind mit 18 Wahlfrauen und -männern vertreten, der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) mit 2. Außerdem gibt es einige Fraktionslose.
Steinmeier hat breite Mehrheit hinter sich
Steinmeier kann angesichts dieser Zahlen damit rechnen, bereits im ersten Wahlgang wiedergewählt zu werden. Dafür ist die absolute Mehrheit von 737 Stimmen erforderlich. Diese Stimmenzahl müsste auch in einem zweiten Wahlgang erreicht werden, im dritten würde die einfache Mehrheit reichen.
Der Amtsinhaber hat nicht nur in der Bundesversammlung eine breite Mehrheit hinter sich, sondern auch in der Bevölkerung. Im neuen ZDF-Politbarometer vom Freitag vertraten 85 Prozent der Befragten die Meinung, Steinmeier mache seine Arbeit als Bundespräsident eher gut. Als eher schlecht sahen 10 Prozent die bisherige Arbeit an.
Vor der Bundesversammlung werden sich die einzelnen Fraktionen zu letzten Vorbereitungen treffen. Bei den Grünen stellte sich Steinmeier bereits am Freitagabend in einer Online-Konferenz vor. „Frank-Walter Steinmeier ist ein sehr guter und hoch angesehener Bundespräsident“, sagten die Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge danach. „Deshalb empfehlen wir unseren Wahlleuten in der Bundesversammlung, Frank-Walter Steinmeier erneut zum Bundespräsidenten zu wählen.“
Am Samstag wird der Bundespräsident an den Fraktionssitzungen von SPD und CDU/CSU teilnehmen, die im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes stattfinden werden. Auch die Linke und die AfD tagen dann zusammen mit ihren Bewerbern. Weitere Fraktionssitzungen sind für den Sonntag unmittelbar vor Beginn der Bundesversammlung angesetzt.
Steinmeier war schon vor fünf Jahren von Union und SPD, die damals eine große Koalition bildeten, sowie von Grünen und FDP unterstützt worden und im ersten Wahlgang erfolgreich gewesen. Auf ihn entfielen 931 von 1253 abgegebenen Stimmen. Der frühere Außenminister und SPD-Fraktionschef im Bundestag trat seinerzeit gegen vier Mitbewerber von Linke, AfD, Freien Wählern und der Piratenpartei/Die Partei an.
Steinmeiers erste Amtszeit
In der Rede direkt nach seiner Wahl rief Steinmeier 2017 die Deutschen dazu auf, trotz schwieriger Zeiten anderen Mut zu machen und diesen selbst zu zeigen. „Wir sind Teil einer Welt mit ihren Risiken, und Risiken gibt es auch bei uns“, sagte Steinmeier damals. „Aber: Kaum irgendwo auf der Welt gibt es mehr Chancen als bei uns. Und wer, wenn nicht wir, kann da eigentlich guten Mutes sein?“
Mut machen - das spielte auch in Steinmeiers erster Amtszeit eine wichtige Rolle. So stellte er sich beispielsweise schützend vor Kommunalpolitiker, die sich zunehmend Hass und Hetze ausgesetzt sahen. Nach Ausbruch der Corona-Pandemie wandte er sich in Reden, Videobotschaften und einer Fernsehansprache an die Bürger, warb für das Einhalten der staatlichen Gegenmaßnahmen und bat um Geduld. Später appellierte er an sie, sich impfen zu lassen. Steinmeier rief immer wieder dazu auf, die unter Druck geratene liberale Demokratie zu verteidigen - sei es gegen verbale Angriffe in sozialen Netzwerken oder zuletzt durch aggressive Gegner der staatlichen Corona-Politik.
Auch auf seinen Reisen unterstützte Steinmeier gern Staatschefs, die als Reformer die Werte der Demokratie gegen Widerstand im eigenen Land vertraten oder den Anschluss in Richtung Europa suchten. Das galt für die Republik Moldau mit ihrer jungen Präsidentin Maia Sandu oder für den Sudan mit seinem - inzwischen allerdings gescheiterten - Ministerpräsident Abdullah Hamdok.
Steinmeier möchte „Wunden heilen“
Steinmeier hatte bereits im Mai vergangenen Jahres angekündigt, für eine zweite Amtszeit anzutreten. Er begründete dies seinerzeit damit, dass sich während der Corona-Pandemie tiefe Gräben in der Gesellschaft aufgetan hätten. „Wir haben uns wundgerieben im Streit um den richtigen Weg. Ich möchte helfen, diese Wunden zu heilen.“
Steinmeier wird erst der fünfte Bundespräsident sein, der eine zweite Amtszeit antritt. Ganze zehn Jahre waren jeweils Theodor Heuss, Heinrich Lübke und Richard von Weizsäcker im Amt. Horst Köhler wurde zwar 2009 wiedergewählt, trat aber ein Jahr später zurück.
Die Bundesversammlung ist so groß wie nie zuvor. Sie setzt sich zusammen aus den 736 Abgeordneten des Bundestags und einer gleich großen Zahl von Delegierten, die die 16 Landtage entsenden. Das Zusammentreffen von 1472 Menschen inmitten der Corona-Pandemie mit hohen Infektionszahlen stellte die Bundestagsverwaltung vor erhebliche Herausforderungen. Statt wie üblich im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes tritt die Bundesversammlung im benachbarten Paul-Löbe-Haus zusammen, in dem viele Sitzungssäle und Büros von Abgeordneten liegen. Dort ist mehr Platz. Allerdings werden die Wahlfrauen und -männer auf fünf Etagen verteilt sein.
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