Hamburg (dpa)
„Tagesthemen“ binden weiter externe Stimmen ein
Den Kommentar in den „Tagesthemen“ gibt es seit mehr als 40 Jahren. Warum es aus Sicht der ARD heute auch Mut braucht, eine Meinung zu präsentieren.
In den ARD-„Tagesthemen“ werden in diesem Jahr erneut auch externe Kommentatoren zu sehen sein. Der Zweite Chefredakteur von ARD-aktuell, Helge Fuhst, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Der Blick von außen ist wertvoll.“ Er erläuterte auch: „Es gab noch nie so viele externe Stimmen wie im vergangenen Jahr in der Meinung.“
Den Kommentar, der 2020 in Meinung umbenannt wurde, gibt es schon seit mehr als 40 Jahren in der Nachrichtensendung im Ersten. „Die Meinungsrubrik wird Teil der "Tagesthemen" bleiben“, sagte Fuhst. Neben der Namensumbenennung hatte die Redaktion das Format zudem etwas erweitert - der reine Kommentar wird seither hin und wieder durch ein Pro-und-Contra-Format ergänzt.
Zum Thema Diversität betonte Fuhst: „Wir haben Riesenschritte geschafft und zugleich noch einige Schritte vor uns. Da befinden wir uns wie viele andere Sendungen und gesellschaftliche Bereiche gerade in einem längeren Prozess, Diversität noch besser abzubilden, was ja heißt, unsere Gesellschaft in ihrer gesamten Breite vorkommen zu lassen.“
Kommentatoren sehen sich den Angaben zufolge immer häufiger Hass und Hetze ausgesetzt. „Hetze, Hass und Bedrohungen haben deutlich zugenommen. Es braucht bei einigen Themen sogar Mut für Journalistinnen und Journalisten, eine Meinung mit Namen und Gesicht zu präsentieren“, sagte Fuhst.
Zu Kritik, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu wenig konservative Stimmen haben könnte, sagte er: „Gerade die Meinungsrubrik zeigt doch im letzten Jahr: Wir sind alle streitbaren Themen ergebnisoffen angegangen. Sie finden über das Jahr verteilt alle politischen Richtungen und alle Perspektiven bei uns, das ganze demokratische Spektrum.“ Da laufe die Kritik inzwischen ins Leere.
Auf die Frage, woher dann die Kritik komme, betonte er: „Bei manchen sitzt die Kritik seit Jahren tief, da braucht es Zeit bis die Veränderungen wahrgenommen werden.“ Was man nicht erfüllen könne sei, „die guten alten Zeiten“ zurückzuholen. „Bestimmte Köpfe und Charaktere werden so nicht zurückkommen.“ Die Gesellschaft habe sich verändert und man sei heute, was Diskussionen und auch Meinungen angeht - auch wenn sie deutlich artikuliert werden -, durchaus sachlicher und abwägender geworden.
Anteilig die meisten „Tagesthemen“-Kommentare präsentierte 2021 die TV-Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio, Kristin Schwietzer (Mitteldeutscher Rundfunk). „Ich bin als langjährige Korrespondentin zuständig für CDU/CSU, da gab es im letzten Jahr natürlich viel zu berichten und zu kommentieren. Corona war auch oft Thema und auch Themen, die in Ostdeutschland spielen“, sagte die Journalistin. Es gebe auch die Bestrebung in der ARD, ostdeutschen Kommentatoren und ostdeutschen Themen mehr Sichtbarkeit zu geben. Schwietzer wurde in Magdeburg geboren und wuchs in der DDR auf.
Von ostdeutschen Politikern - vor allem von der CDU in Sachsen-Anhalt - kam in der Vergangenheit die Forderung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mehr über den Osten berichten sollte. Schwietzer sagte dazu: „Bei vielen Ostdeutschen besteht der Wunsch nach mehr Wahrnehmbarkeit, dass ihre Erfahrungen, Lebenswirklichkeiten, Sorgen und Wünsche auch bundesweit mehr Sichtbarkeit erhalten. Nicht nur im regionalen Programm, auch auf der großen Fläche.“ Ihr sei es wichtig, die Vielfalt der Gesellschaft noch besser abzubilden, dazu gehöre auch die ostdeutsche Perspektive. „Es hat sich viel verändert, die Wahrnehmbarkeit ist schon gesteigert, und wir arbeiten weiter daran.“
Hinter der Kritik steckten zwei Gründe. „Das eine ist etwas Politisches: Dass es viele Dinge gibt, die einfach nicht oder noch nicht erfüllt worden sind.“ Mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gebe es die Erwartungshaltung, dass dies oder jenes erfüllt sein müsse. „Die Wirtschaft ist immer noch kleinteilig, Arbeitsplätze sind nicht ausreichend vorhanden, und darüber entsteht eine Unwucht. Und diese Unwucht ist die zweite Ebene.“ Das spiegele sich in einer gefühlten Wahrnehmung wider. Schwietzer ergänzte: Es sei eine reale Erfahrung und habe gleichzeitig eine gefühlte Wahrnehmungsebene. „Das wirkt nach außen nicht immer gerechtfertigt. Hat aber reale Gründe, die auch die Politik lösen muss.“
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