Düsseldorf (dpa)
Auf der Achterbahn Richtung Glasgow: BVB schöpft neuen Mut
Mal desolat, mal famos - Borussia Dortmund bleibt ein Team mit rätselhaften Formschwankungen. Nur ein Erfolg bei den Glasgow Rangers könnte für stabile Ruhe sorgen.
Rundum glücklich wirkte Marco Rose nicht. Bei aller Freude über das erstaunliche 6:0 (2:0) im Duell mit seinem ehemaligen Club aus Mönchengladbach überwog beim Dortmunder Fußball-Lehrer die Skepsis.
„Ich glaube, dass mit diesem Spiel die Enttäuschung nicht weg ist, sondern weiter nachhallt. Das merken wir ja alle“, bekannte der 45 Jahre alte Coach. Vor dem kniffligen Rückspiel seines neuen Teams in der Europa League gegen die Glasgow Rangers am Donnerstag (21.00 Uhr/RTL) mochte er dem vermeintlichen Aufwärtstrend nicht trauen: „Wir haben uns in zu vielen Spielen Nackenschläge eingehandelt.“
Reus kontert Kritik
Wie die erstaunliche Reaktion des BVB am Sonntag auf das peinliche 2:4 gegen die Schotten zu bewerten ist, wird sich erst im brodelnden Ibrox-Park erweisen. Immerhin wuchs der Glaube an ein kleines Fußball-Wunder in Schottland - mit jedem Treffer gegen Mönchengladbach mehr. „Wir wollten und wir mussten eine Reaktion zeigen, das haben wir geschafft. Heute haben wir uns unser Selbstvertrauen wieder zurückgeholt“, kommentierte der überragende Marco Reus.
Der BVB-Kapitän stand beim höchsten Dortmunder Sieg seit September 2018 (7:0 gegen Nürnberg) stellvertretend für die rätselhaften Formschwankungen des Teams. Auf kritische Medienkommentare in den Tagen nach dem 2:4 gegen die Rangers, wonach er in engen Spielen mitunter mehr Verstecken als Fußball spielt, gab der 32 Jahre alte Routinier mit zwei Treffern (26./81.) und drei Assists eine sportliche Antwort. Genau wie auf das harsche Urteil von Rekord-Nationalspieler und TV-Experte Lothar Matthäus vor der Partie: „Marco Reus kämpft mit sich selbst und hat keine Konstanz. Und solche Spieler sollen dann die Mannschaft führen? Sehr schwierig.“
Hoffnung auf Sieg gegen Rangers
Dank des fünften Sieges im sechsten Rückrundenspiel bleibt der BVB bei sechs Punkten Abstand einziger Verfolger des Spitzenreiters aus München. Doch der sportliche Zick-Zack-Kurs in dieser Saison gibt allen Beteiligten weiter Rätsel auf. „Keiner von uns will diese Achterbahnfahrt. Wir haben Spiele, wo wir uns alle ganz doll an den Kopf fassen“, bekannte Julian Brandt.
Gleichwohl hofft der Mittelfeldspieler, dass der Sieg über Mönchengladbach Signalwirkung für den restlichen Saisonverlauf und auch für das zweite Duell mit den Glasgow Rangers hat: „Ich habe die Hoffnung für Donnerstag noch nicht aufgegeben, und das sollte jeder andere auch nicht tun. Wir sind in der Lage, viele Tore zu schießen und auch zu Null zu spielen.“ Ein mögliches Comeback von Torjäger Erling Haaland, der am Montag das Training der Reservisten scheinbar problemlos überstand, könnte dabei helfen.
Zusätzlich zur Stimmungsaufhellung trug die Diagnose der Teamärzte nach der Untersuchung von Giovanni Reyna bei. Dem am Sonntag erstmals seit Ende August in die Startelf zurückgekehrten US-Nationalspieler droht demnach keine weitere lange Zwangspause. Anders als seine von Tränen begleiteten Auswechslung vermuten ließ, entpuppte sich die Oberschenkelblessur als weniger schwerwiegend. Bereits in zwei Wochen wird Reyna im Training zurück erwartet. Weniger Glück hatte der ebenfalls verletzt ausgewechselte Dan-Axel Zagadou. Der französische Abwehrspieler fällt mit einem Muskelfaseriss im Oberschenkel einige Wochen aus.
Auch Gladbachs Leistung schwankt
Wie dicht Freud und Leid bisweilen zusammenliegen, bekamen auch die Gladbacher zu spüren. Nach zwei zuvor ermutigenden Auftritten in Bielefeld (1:1) und gegen Augsburg (3:2) musste das Team wie schon am 14. Spieltag gegen Freiburg ein 0:6 hinnehmen. Der Relegationsplatz 16 liegt weiterhin nur vier Punkte entfernt. „Bis zum 0:3 war es gar nicht so verkehrt. Aber dann hast du ein bisschen das Gefühl, heute ist alles gegen dich. Es darf uns allerdings nicht passieren, dass wir uns so aufgeben“, klagte Mittelfeldspieler Christoph Kramer.
Sichtlich verbittert verfolgte der neue Sportdirektor Roland Virkus bei seiner Premiere auf der Borussen-Bank, wie das Team in der Schlussphase fast ohne Gegenwehr unterging. Dennoch sah Trainer Adi Hütter auch positive Ansätze: „So hart es bei diesem Resultat am Ende klingt, aber ich finde, bis zur 70. Minute war es ein Spiel auf Augenhöhe.“ Doch für den Auftritt seines Teams in den letzten Spielminuten fand auch der Österreicher deutliche Worte: „Nach dem 0:3 sind wir auseinandergefallen, das geht so einfach nicht.“
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