Frankfurt am Main (dpa)

Der große Ukraine-Schock bleibt an Finanzmärkten vorerst aus

| 22.02.2022 16:53 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Demonstranten halten vor der russischen Botschaft in Kiew ein Transparent mit der Aufschrift „Stoppt Putin“. An den Kapitalmärkten hat das russische Vorgehen bisher nicht zu großen Verwerfungen geführt. Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa
Demonstranten halten vor der russischen Botschaft in Kiew ein Transparent mit der Aufschrift „Stoppt Putin“. An den Kapitalmärkten hat das russische Vorgehen bisher nicht zu großen Verwerfungen geführt. Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa
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Russland erkennt Teile der Ostukraine als unabhängige Staaten an und schockiert damit den Westen. Die weltweiten Börsen hingegen bleiben relativ gelassen. Das muss nicht so bleiben.

Nach einem ersten Schreck infolge der Eskalation der Ukraine-Krise durch Russland haben sich die Finanzmärkte der Welt am Dienstag rasch gefangen.

Die Aktienbörsen Europas drehten zwischenzeitlich sogar in die Gewinnzone, auch am Anleihe- und am Goldmarkt war die Aufregung überschaubar. Nur die Ölpreise schlugen zuletzt mit hohen Gewinnen noch deutlicher aus.

In den vergangenen Tagen hatte die Furcht vor einer Invasion der Ukraine durch Russland spürbar zugenommen. Investoren hatten sich bereits entsprechend positioniert, sich von Aktien getrennt und eher auf vermeintlich sichere Häfen wie Staatsanleihen großer westlicher Länder und Gold gesetzt. Nun scheint der russische Präsident Wladimir Putin zumindest vorerst nur nach den von russischen Separatisten besetzten Regionen in der Ostukraine zu greifen und nicht nach der ganzen Ukraine. Mittlerweile ratifizierte auch das Unterhaus des russischen Parlaments, die Staatsduma, die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten.

„An den Kapitalmärkten wird der weitere Eskalationsschritt in der Ukraine-Krise eingepreist, aber sicher noch nicht eine das ganze Land umfassende Invasion“, erklärt Portfoliomanager Christoph Schmidt vom Vermögensverwalter DWS. Nun gelte es, die Folgen etwa der Sanktionen des Westens und die russischen Reaktionen darauf zu beobachten.

Die EU-Kommission präsentierte den Mitgliedsstaaten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur einen Entwurf, der unter anderem vorsieht, den Handel mit russischen Staatsanleihen zu verbieten, um eine Refinanzierung des russischen Staats zu erschweren. Zudem sollen mehrere Hundert Personen und Unternehmen auf die EU-Sanktionsliste kommen. Die deutsche Regierung stoppte vorerst das Genehmigungsverfahren für die umstrittene Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2.

Angesichts der anstehenden Sanktionen des Westens gegen Russland nimmt laut dem Rohstoff-Experten Carsten Fritsch von der Commerzbank das Risiko von Unterbrechungen der russischen Öl- und Gaslieferungen zu.

Die Ölpreise, die schon seit Monaten nur eine Richtung kennen, erklommen am Dienstag die höchsten Stände seit dem Herbst 2014. Für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent etwa mussten rund 100 US-Dollar gezahlt werden.

Anders als am Ölmarkt entspannte sich die Lage an den Aktienbörsen im Laufe des Tages. Nachdem der deutsche Leitindex Dax seine zuletzt deutlichen Verluste zuerst noch um zweieinhalb Prozentpunkte ausgeweitet hatte, notierte er am frühen Nachmittag um seinem Vortagesschluss, ebenso wie der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50.

Sogar das russische Börsenbarometer RTS machte seine Verluste von zeitweise fast elf Prozent ein gutes Stück wett. Zuletzt ging es an der Börse in Moskau noch um gut zwei Prozent abwärts. Damit summierten sich die Verluste binnen vier Handelstagen aber immer noch auf mehr als ein Fünftel.

Marktexperte Andreas Lipkow von Comdirect begründete die Stabilisierung mit der vagen Hoffnung auf diplomatische Lösungen. Es scheine sich keine Eskalation zwischen der Nato und Russland abzuzeichnen, sondern ein Mittelweg herauszukristallisieren. So hält Moskau am Treffen des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit seinem US-Kollegen Antony Blinken an diesem Donnerstag in Genf fest. Laut dem DWS-Experten Schmidt sollten sich Anleger allerdings auf weitere, durch Schlagzeilen rund um die Ukraine-Krise getriebene Kursausschläge einstellen.

Auch beim jüngst deutlich gestiegenen Goldpreis kehrte mit kleineren Verlusten ein wenig Ruhe ein, nachdem der Preis für eine Feinunze (rund 31,1 Gramm) in der Nacht mit 1914 US-Dollar noch den höchsten Stand seit Juni 2021 erreicht hatte. Laut dem Edelmetallhändler Alexander Zumpfe vom Handelshaus Heraeus dürften einige Investoren erst einmal Kasse gemacht haben. Zudem gebe es Goldverkäufe, um Verluste in anderen Vermögensklassen auszugleichen.

Am Devisenmarkt weitete der russische Rubel seine jüngsten Verluste gegenüber dem Dollar aus und erreichte zwischenzeitlich den tiefsten Stand seit März 2020. Der Kurs des Euro legte nach einem verhaltenen Start im Vergleich zum US-Dollar zu. Auch hier ist also eine zumindest leichte Entspannung bei den Investoren zu beobachten.

© dpa-infocom, dpa:220222-99-241455/2

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