Washington (dpa)

Frühere US-Außenministerin Madeleine Albright ist tot

| 23.03.2022 20:05 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Der damalige US-Präsident Bill Clinton bespricht sich mit Madeleine Albright, bevor er die Abschlusserklärung des Nahost-Gipfels im Jahr 2000 abgibt. Foto: Jerome Delay/AP/dpa
Der damalige US-Präsident Bill Clinton bespricht sich mit Madeleine Albright, bevor er die Abschlusserklärung des Nahost-Gipfels im Jahr 2000 abgibt. Foto: Jerome Delay/AP/dpa
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Albright war die erste US-Außenministerin. Dabei steuerte sie den Kurs der US-Regierung in den Jahren nach dem Zerfall des Ostblocks. Bis zuletzt meldete sie sich zu Wort - etwa mit Kritik an Putin.

Die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright ist im Alter von 84 Jahren gestorben. Sie sei am Mittwoch im Kreis von Familie und Freunden einer Krebserkrankung erlegen, teilte ihre Familie über Twitter in einer Stellungnahme mit.

Albright wurde 1993 unter Präsident Bill Clinton Botschafterin der US-Regierung bei den Vereinten Nationen in New York. Später rückte sie ab 1997 als erste Frau an die Spitze des Außenministeriums in Washington. Dabei wurde die ursprünglich aus Osteuropa stammende Demokratin, deren Familie einst als Flüchtlinge in die USA eingewandert war, zu einer führenden Stimme der US-Außenpolitik im 20. Jahrhundert.

Zur Ehre der Verstorbenen werden die Flaggen in den USA auf halbmast gesetzt.

Clinton: „Ein immenser Verlust für die Welt“

In Anspielung auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine erklärte Clinton am Mittwoch, „Madeleines Tod ist ein immenser Verlust für die Welt - und das zu einer Zeit, in der wir die Lehren ihres Lebens am meisten brauchen“. Albright sei eine der besten Diplomatinnen, eine brillante Professorin und ein „außerordentlicher Mensch“ gewesen, erklärte Clinton. Als Außenministerin sei sie eine „leidenschaftliche Vertreterin von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten“ gewesen, betonte er.

US-Präsident Joe Biden erklärte, die Vereinigten Staaten hätten keine entschlossenere „Vorkämpferin für Demokratie und Menschenrechte“ gehabt als Albright, die selbst um die Gefahr von Autokratien wusste. Albright sei einst als schutzbedürftiger Flüchtling in die USA gekommen. „Und so wie viele vor - und nach - ihr war sie eine stolze Amerikanerin. Um das Land, das sie liebte, noch besser zu machen, trotzte sie Gewohnheiten und nahm immer wieder Hürden.“

US-Senator: „Albright war einzigartig“

Der Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat, Chuck Schumer, erklärte: „Madeleine Albright war einzigartig und die erste ihrer Art.“ Sie sei ein „Titan“ der US-Geschichte gewesen. „Ihre Brillanz ihr leidenschaftlicher Patriotismus und ihr scharfer Humor gaben ihr eine herausragende Präsenz auf der Weltbühne und ihre Geschichte inspirierte Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt“, erklärte Schumer. Ex-Präsident Barack Obama erklärte, Albright habe sich stets für demokratische Werte eingesetzt und dabei geholfen, den Balkan zu befrieden und in instabilen Ländern für Fortschritte zu sorgen.

Der frühere US-Präsident George W. Bush, der sich während seiner Amtszeit viel Kritik von Albright gefallen lassen musste, erklärte, sie habe sich als Ministerin ausgezeichnet für Freiheitsrechte und Frieden eingesetzt. Als Tochter von Flüchtlingen habe sie „den amerikanischen Traum gelebt und anderen geholfen, diesen zu verwirklichen“, erklärte der Republikaner.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock erklärte über Twitter, auch sie stehe heute auf Albrights Schultern. „Mit Haltung, Klarheit und Mut stand Madeleine Albright als erste US-Außenministerin ein für Freiheit und die Stärke von Demokratien“, schrieb die Grünen-Politikerin. „Mit ihr verlieren wir eine streitbare Kämpferin, wahre Transatlantikerin und Vorreiterin.“ Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte, Albright sei eine starke „Kraft für die Freiheit“, eine echte Freundin des Bündnisses und eine „inspirierende Kollegin“ gewesen.

Harte Worte für Putin

Kurz vor ihrem Tod fand Albright noch harte Worte für Russlands Präsidentin Wladimir Putin, einen Tag vor Kriegsbeginn. „Ein Einmarsch in die Ukraine würde nicht Russlands Weg zur Größe ebnen, sondern Herrn Putins Ehrlosigkeit besiegeln, indem er sein Land diplomatisch isoliert, wirtschaftlich angeschlagen und strategisch verwundbar gegenüber einem stärkeren, geeinten westlichen Bündnis macht“, schrieb sie in der „New York Times“. Wenn Putin sich in die Ecke gedrängt fühle, könne er sich dafür nur selbst die Schuld geben. Die Ukraine habe ein Recht auf ihre Souveränität, betonte Albright.

Albright war am 15. Mai 1937 als Marie Jana (genannt Madlenka) Korbelova in Prag als ältestes von drei Kindern einer jüdischen Diplomatenfamilie geboren worden. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen wanderte die Familie nach England aus, wo Albright in Unwissenheit ihrer jüdischen Herkunft katholisch erzogen wurde. Ihr Vater Josef Korbel diente nach dem Zweiten Weltkrieg der Tschechoslowakei als Diplomat. Nach der Machtübernahme der Kommunisten in Prag beantragte die Familie 1948 in den USA Asyl.

Der Milliardär und einstige demokratische Präsidentschaftsbewerber Mike Bloomberg schrieb auf Twitter: „Zu einer Zeit, in der Menschen vor einem brutalen Angriffskrieg fliehen, ist Madeleine Albrights Leben eine starke Erinnerung daran, dass jene, die mit nichts außer Träumen hierherkommen, unser Land stärker und die Welt friedlicher gemacht haben.“

Tschechische Politiker würdigten die verstorbene frühere US-Außenministerin für ihre politischen Verdienste. „Mitteleuropa weiß ihren Einsatz für die Nato-Osterweiterung heute mehr als jemals zuvor zu schätzen“, schrieb Außenminister Jan Lipavsky am Mittwochabend bei Twitter.

Tschechische Politiker würdigen Albright

„Kaum ein Staatsmann hat so viel für unser Land getan wie Madeleine Albright“, merkte der tschechische Regierungschef Petr Fiala an. Sie sei zweimal vor einer Diktatur geflohen - der nationalsozialistischen und der kommunistischen - und habe in der freien Welt eine neue Chance bekommen und genutzt. „Wir danken und werden nie vergessen!“

Mit dem damaligen tschechischen Präsidenten und früheren Bürgerrechtler Vaclav Havel (1936-2011) verband Albright eine enge persönliche Freundschaft. Sie nahm mehrmals an der von ihm organisierten internationalen Konferenz „Forum 2000“ teil. Vorschläge, nach Tschechien zurückzukehren und selbst für das Präsidentenamt zu kandidieren, wies sie indes zeitlebens als unrealistisch zurück.

© dpa-infocom, dpa:220323-99-644860/10

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