Hamburg (dpa)

Michael Degen: Vom Verfolgten zum Publikumsliebling

Ulrike Cordes, dpa
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Von Ulrike Cordes, dpa
| 12.04.2022 14:02 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Donna Leons Commissario Brunetti (Uwe Kockisch, r) hat wieder Ärger mit Vice-Questore Patta (Michael Degen). Foto: Nicolas Maack/MDR/ARD Degeto/BR/dpa
Donna Leons Commissario Brunetti (Uwe Kockisch, r) hat wieder Ärger mit Vice-Questore Patta (Michael Degen). Foto: Nicolas Maack/MDR/ARD Degeto/BR/dpa
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Er ist in viele Rollen geschlüpft: Hamlet, Hitler, Vice-Questore Patta aus den „Donna Leon“-Filmen. Zudem hat sich Degen als Buchautor einen Namen gemacht. Auch der Bundespräsident zeigte sich beeindruckt.

Ein Schauspieler sei stets in Gefahr, durch seine Einfühlung in viele Rollenfiguren das Empfinden für die eigene Persönlichkeit zu verlieren, sagte Michael Degen einmal im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Er selbst habe sich davor nur retten können, indem er zeitweise weniger Angebote angenommen und sich andere Aufgaben wie das Schreiben gesucht habe. Dennoch gelang es dem 1932 in Chemnitz geborenen Degen, mit einer Fülle extrem unterschiedlicher Theater-, Film- und Fernsehrollen zu einem der angesehensten und populärsten Darsteller des Landes zu werden.

Der stets sympathisch bescheiden auftretende Künstler mit attraktiver Gentleman-Ausstrahlung ist im Alter von 90 Jahren am Samstag in Hamburg gestorben, wie der Rowohlt-Verlag am Dienstag in Berlin mitteilte.

Auch als Autor aktiv

Degen gelang es auch, als Autor Aufsehen zu erregen - mit oft autobiografisch inspirierten Büchern wie „Nicht alle waren Mörder. Eine Kindheit in Berlin“ (1999). In der 2006 von Jo Baier für die ARD verfilmten Geschichte erzählt Degen von Ereignissen, die ihn sein Leben lang nicht loslassen sollten: Sein jüdischer Vater Jakob, ein Sprachenprofessor und Kaufmann, starb 1940 an den Folgen seiner KZ-Haft in Sachsenhausen.

Um ihrer Deportation zu entgehen, verbrachten Michael und seine Mutter Anna einige Kriegsjahre als sogenannte „U-Boote“ in Berlin - untergetaucht bei Helfern, an die Degen in seinem Werk dankbar erinnert. Jahrzehnte später, 1986, musste er erleben, dass Neonazis seine Hamburger Wohnung verwüsteten und er Morddrohungen erhielt, nachdem er gegen ein Treffen von SS-Veteranen protestiert hatte.

Zu seinem 90. Geburtstag am 31. Januar gratulierte ihm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und zeigte sich von seinem Lebensweg beeindruckt. „Ihre Biografie spiegelt den Abgrund deutscher Geschichte. Trotz allem, was Ihnen und Ihrer Familie angetan wurde, haben Sie sich nicht von Deutschland abgewandt“, sagte der Politiker in Berlin.

Ohnmächtige Wut

Im dpa-Interview zu seinem Ehrentag erklärte Degen, wie sehr ihn das Wiedererstarken rechter Kräfte entsetze. „Dass junge deutsche Juden wieder um ihr Leben fürchten müssen, dass Antisemitismus und Rassismus nicht zu tilgen sind, lässt mich mit ohnmächtiger Wut zurück.“ Und angesichts seines eigenen Einsatzes dagegen in Büchern, Rollen und Interviews fügte er hinzu: „Glauben Sie mir, das ist keine befriedigende Bilanz nach 90 Jahren Leben.“

Allgemein präsent war der Schauspieler, der mit seiner dritten Ehefrau, einer Journalistin, zuletzt in der Hansestadt lebte, zuletzt vor allem im Unterhaltungsfernsehen - als eitler Vice-Questore Patta in der „Donna Leon“-Krimidauerserie des Ersten. Doch der Akteur hat alles gespielt - ob Shakespeare, Molière oder Brecht, an ersten Häusern in Berlin, Salzburg, Wien, München oder auch Hamburg, unter Regiestars wie Peter Zadek („Ghetto“), George Tabori und Ingmar Bergman. Er hat auch selbst als Regisseur gearbeitet.

Einem großen TV-Publikum war Degen 1979 als Bendix Grünlich in Franz Peter Wirths „Die Buddenbrooks“ bekannt geworden. Mit der NS-Vergangenheit setzte er sich unter anderem in Egon Monks „Die Geschwister Oppermann“ (1983) und in Michael Kehlmanns „Geheime Reichssache“ (1987), wo er Hitler verkörperte, auseinander.

Zuschauerhits in TV-Serien

Doch der Schauspieler, der - wie er es einmal formulierte - vier Kinder zu ernähren hatte, trat häufig auch in Zuschauerhits auf: von „Diese Drombuschs“ an der Seite von Witta Pohl in den 80ern und 90ern über „Derrick“ und „Klinik unter Palmen“ bis zu „Traumschiff“ und „Rosamunde Pilcher“. Seinem Renommee hat es nicht geschadet.

Degen stand in Deutschland immer gern auf den deutschen Bühnen. 1949 war er als 17-Jähriger - nach Studium und erstem Engagement am Deutschen Theater Berlin - auf Wunsch seiner Mutter nach Israel ausgewandert. Dort diente er bei den Streitkräften, trat an den Kammerspielen von Tel Aviv in neuhebräischer Sprache auf. „Was mich 1951 zur Rückkehr bewegt hat, war mein Beruf“, erklärte er später in Interviews.

Er habe „große Sehnsucht“ verspürt, „wieder einmal in deutscher Sprache auf der Bühne zu stehen“. Bald wirkte er in Brechts Berliner Ensemble im Ost-Teil der Stadt. In das Land im Nahen Osten kehrte Degen jedoch immer wieder für Dreharbeiten und Gastrollen zurück. Bis zuletzt war er deutscher und israelischer Staatsbürger.

© dpa-infocom, dpa:220412-99-892905/6

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