Best of 2022 Treibstoff sparen dank Quantencomputern
Containerschiffe klimaneutral zu betreiben, ist eine große Herausforderung. Alternative Antriebe und Kraftstoffe könnten Lösungen sein. Einen kurzfristigeren Ansatz verfolgt jetzt die Jade-Hochschule.
Containerschifffahrt klingt erst einmal nach großer weiter Welt und wenig nach dem beschaulichen Ostfriesland. 2022 hat aber gezeigt, wie sehr das Thema auch die Region trifft – wenn sich etwa, wie im Sommer geschehen, vor der ostfriesischen Küste die Schiffe stauen, weil sie ihre Fracht in Hamburg und Bremen nicht loswerden. Umso wichtiger ist es, dass die Schifffahrt klimaschonender wird. Ansätze dafür gibt es bereits, und einer kommt sogar aus dem Nordwesten.
Ostfriesland/Elsfleth/Hamburg - Die Schifffahrt ist für den internationalen Handel von immenser Bedeutung: Etwa 70 Prozent aller Güter weltweit werden nach Angaben des Umweltbundesamts auf dem Seeweg transportiert. Zwar haben einige Reedereien sich angesichts des Klimawandels das Ziel gesetzt, die Schifffahrt bis 2050 klimaneutral zu machen, doch ist der Weg bis dahin noch weit. Alternative Kraftstoffe und Antriebe sind hierbei ein Ansatz, um den Schadstoffausstoß der Schiffe zu verringern. Einem anderen geht nun hingegen die Jade Hochschule in Elsfleth mit mehreren Partnern in einem neuen Projekt nach.
Mithilfe von Quantencomputern sollen in Zukunft die Routen und Fahrtzeiten von Schiffen so berechnet werden, dass möglichst viel Treibstoff eingespart und somit der Ausstoß von Treibhausgasen verringert werden kann. „Wo heute noch mehrere Schiffe zu einem Liegeplatz eilen, kann zukünftig ökonomischer gefahren werden, indem neben Wetter und Verbrauch auch die Ankunftszeiten der anderen Schiffe geschätzt werden“, wird Professor Dr. Christian Denker, der das Projekt an der Jade-Hochschule leitet, in einer Mitteilung zitiert.
CO2-Bilanz ist bei Schiffen bereits besser als bei Lastwagen
In der Seeschifffahrt kommt bisher als Treibstoff vor allem Schweröl zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um Rückstände aus der Raffination, die laut Umweltbundesamt deutlich mehr Schadstoffe enthalten als Benzin- oder Dieselkraftstoffe, wie sie für Autos und Lastwagen verwendet werden. Zudem müsse das Schweröl mit großem Energieaufwand aufbereitet werden, um an Bord von Schiffen eingesetzt werden zu können. Kritik kommt vor allem von Umweltschützern: „Schiffe sind im Prinzip schwimmende Müllverbrennungsanlagen“, schrieb die Organisation Greenpeace bereit 2013.
Dennoch weisen Transporte per Containerschiff nach Angaben des Umweltbundesamts in Sachen Energieeffizienz eine bessere Bilanz auf als Transporte auf der Straße. Der Naturschutzbund Nabu errechnete, dass Lastwagen pro transportierter Tonne und Kilometer 50 Gramm Kohlendioxid (CO2) ausstoßen, Containerfrachter hingegen nur 15,1 Gramm.
Routen und Geschwindigkeit der Schiffe sollen optimiert werden
Trotz alledem, so kritisiert der Nabu, schneide die Seeschifffahrt deutlich schlechter ab als der Transport auf der Straße, wenn es um Luftschadstoffe gehe. Ausschlaggebend ist hierbei auch laut Umweltbundesamt unter anderem der Ausstoß von Schwefeloxid. Demnach liegt der Grenzwert für den Schwefelanteil bei Diesel bei 0,001 Prozent, für Schiffskraftstoff in Nord- und Ostsee seit 2015 bei 0,1 Prozent. Weltweit gilt seit Anfang 2020 ein Schwefel-Grenzwert von 0,5 Prozent. Zuvor hatte dieser laut Nabu bei 3,5 Prozent gelegen – also 3500-mal höher als bei Kraftstoffen für Autos und Lastwagen.
Das Team der Jade-Hochschule will mit dem Projekt „Quantum Supported Maritime Just-In-Time Navigation“ (QSMN) genau hier ansetzen: Es gehe darum, den Treibstoffverbrauch der Schiffe zu optimieren und damit den Schadstoffausstoß zu reduzieren – und das bei Einhaltung der vorgegebenen Fahrzeiten. Bei den hierfür notwendigen Berechnungen würden verschiedene Faktoren berücksichtigt – etwa das Wetter, Meeresströmungen und der Schiffsverkehr. Dies sei zwar im Prinzip nicht neu und werde auch heute schon praktiziert, erläuterte Denker auf Nachfrage unserer Redaktion. Dank des Einsatzes von Quantencomputern könne die Berechnung jedoch entscheidend beschleunigt werden, sodass auch während der Fahrt noch Änderungen etwa beim Wetter oder bei den Meeresströmungen berücksichtigt werden könnten.
Schiffsstaus wie vor der ostfriesischen Küste könnten verhindert werden
Auf diese Weise könne auch eine eventuelle Warteschlange vor dem jeweiligen Zielhafen berücksichtigt und die Geschwindigkeit entsprechend angepasst werden. Zuletzt hatte es wegen Problemen in den Häfen von Hamburg und Bremen sowie als Folge des Corona-Lockdowns im Hafen von Shanghai auch zwischen der ostfriesischen Küste und Helgoland Schiffsstaus gegeben. Aus der Grünen-Fraktion im Landtag in Hannover kam daraufhin Kritik und eine Aufforderung an die niedersächsische Landesregierung, enger mit den Nachbarn aus Hamburg und Bremen zusammenzuarbeiten.
Die Warteschlangen vor den Häfen könnten dank der QSMN-Methode fortlaufend beobachtet werden, so Denker. Auf diese Weise könne dann auch berechnet werden, wie sich ein Schiff möglichst wirtschaftlich einreiht. Sollte es Staus vor Engpässen geben – wie etwa durch die Blockade des Suezkanals durch den Frachter „Ever Given“ im März des vergangenen Jahres – könne zudem berechnet werden, ob es sinnvoller wäre, das Nadelöhr zu umfahren.
Grundsätzlich könne ein Hafen die geplanten Ankunftszeiten aller Schiffe mit der QSMN-Methode so vorgeben, dass nicht nur Terminals und andere Infrastruktur optimal genutzt, sondern auch der Treibstoffverbrauch aller Schiffe auf deren Routen möglichst gering gehalten wird. Die Weltschifffahrtsorganisation IMO spreche in so einem Fall vom Just-in-Time-Arrival-Prinzip, erläuterte Denker. Sie gehe davon aus, dass hierdurch der Treibstoffverbrauch um acht bis zehn Prozent verringert werden könne. Und auch der Verband Deutscher Reeder (VDR) sieht im Ansatz der Jade-Hochschule das Potenzial, die Treibhausgasemissionen des weltweiten Warentransports zu reduzieren, wie der Verband auf Anfrage unserer Redaktion mitteilte.
Noch fehlt es für das Projekt der Jade-Hochschule an der nötigen Rechenleistung
Bis es so weit ist, gibt es aber noch einiges zu tun: Quantencomputer, die für die Berechnungen notwendig sind, seien in ihrer Rechenkapazität bisher noch begrenzt. Es brauche also leistungsfähigere Computer, für welche die Grundlagen an der Goethe-Universität in Frankfurt erforscht werden sollen. Bis dahin werde man aber keinesfalls tatenlos bleiben, erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter Bernhard Schwarz-Röhr von der Jade-Hochschule laut Mitteilung: „Wir suchen zunächst Wege, das Optimierungsproblem auf gegenwärtigen Quantenrechnern zu lösen. Dazu soll zunächst die Summe aus Treibstoff- und Verspätungskosten für ein einzelnes Schiff minimiert werden.“
Derzeit steige die Leistungsfähigkeit von Quantencomputern jedoch schnell an, heißt es von der Hochschule weiter. Man gehe davon aus, die Methode zur Marktreife bringen zu können. Denker erläuterte, dass man bis 2024 einen Prototypen umsetzen wolle – und zwar gemeinsam mit Partnern. Zu diesen zählen laut Mitteilung etwa die Firma Imrecke Consulting aus Schleswig-Holstein, die Betriebe aus der maritimen Wirtschaft berät, sowie das Unternehmen Frankfurt Consulting Engineers (FCE), das sich mit Quantentechnologie beschäftigt und die Vermarktung übernehmen soll.
Einen eindeutigen Weg für die Klimaneutralität der Schifffahrt gibt es bisher nicht
Die Jade-Hochschule beschreibt das Projekt QSMN als eines, das trotz bestehender technischer Herausforderungen schnell umsetzbar sei. Und tatsächlich: Die Klimaziele, die sich die für die Regeln der globalen Schifffahrt verantwortliche IMO gesteckt hat, klingen bisher wenig ambitioniert. Während die EU bis 2050 eine Klimaneutralität erreichen will, sollen die Treibhausgasemissionen der Schifffahrt bis zu diesem Zeitpunkt um 50 Prozent im Vergleich zu 2008 reduziert werden, wie die IMO auf ihrer Webseite schreibt. Offen ist allerdings noch, wie genau dies geschehen soll.
Im Straßenverkehr haben Politik und Wirtschaft bereits einen klaren Weg in Sachen Klimaneutralität gewiesen: Das Elektroauto soll das Fahrzeug der Zukunft sein. Für die Schifffahrt scheiden E-Antriebe in den meisten Fällen jedoch aus, wie Martin Cames, der Leiter des Bereichs Energie und Klimaschutz am Berliner Öko-Institut, im Gespräch mit „tagesschau.de“ erklärte: Elektromotoren seien für Containerschiffe keine Alternative, weil die Ozeanriesen die weiten Entfernungen mit Batteriekraft nicht bewältigen könnten. „Allerdings erleben wir bereits, dass beispielsweise Fähren, die nur einige Stunden und kurze Distanzen unterwegs sind, mit Elektromotoren oder Wasserstoff fahren und dadurch klimaneutral sind“, so Cames.
Klimabilanz von LNG-Antrieben kann schlechter ausfallen als bei Schweröl
Bei größeren Schiffen bereits zur Anwendung kommen Antriebe mit Flüssigerdgas (LNG), wie sie auch die Meyer-Werft bereits für einige in Papenburg gebaute Kreuzfahrtschiffe genutzt hat. Ältere Schiffe müssten hingegen erst einmal umgerüstet werden, schreibt das Umweltbundesamt. Zudem brauche es für LNG eine entsprechende Infrastruktur in den Häfen, damit die Schiffe auch mit dem Gas betankt werden könnten. Die Behörde nennt zudem einen Kritikpunkt am LNG-Antrieb: Sowohl beim Verbrennen des Gases im Schiffsmotor als auch bei der Förderung und beim Transport könne Methan entweichen. Und da dieses als Treibhausgas sogar noch wirksamer sei als der Schwefel aus dem Schweröl, könne die Klimabilanz eines LNG-Antriebs am Ende sogar schlechter aussehen als die eines herkömmlichen Schiffsmotors.
Was sind also die Alternativen? Selbst der Nabu empfiehlt zumindest vorerst den Einsatz von Dieselkraftstoff mit einem Schwefelgehalt von maximal 0,005 Prozent – also einem Zwanzigstel dessen, was aktuell auf Nord- und Ostsee erlaubt ist. Langfristig brauche es für Schiffe aber andere Treibstoffe, so die Umweltschützer: „Ein Umstieg auf nachhaltige Kraftstoffe wie Wasserstoff, gegebenenfalls auch Ammoniak oder Methanol, ist (...) notwendig, um die Klimabilanz in der Seeschifffahrt mittelfristig deutlich zu verbessern.“
Die dänische Reederei Maersk setzt für ihre Containerschiffe auf Methanol
Ammoniak allerdings sei noch lange nicht einsatzbereit, sagte Cames „tagesschau.de“: „Die Motoren, die dann mit einem Ammoniak-Treibstoff betrieben werden sollen, befinden sich alle noch in der Laborphase.“ Hinzu komme, dass beim unvollständigen Verbrennen von Ammoniak Lachgas entstehen könne – und das wiederum wirke als Treibhausgas 265-mal so stark wie CO2.
Im Gegensatz zu Ammoniak sei Methanol zwar bereits einsetzbar, dieses werde aber momentan noch vorwiegend aus Erdgas gewonnen, so Cames. Einen möglichen Weg für die Zukunft könnte die weltgrößte Containerreederei Maersk aus Dänemark weisen, die bereits angekündigt hat, acht Schiffe in Betrieb nehmen zu wollen, die mit CO2-neutralem Methanol betrieben werden. Das erste soll 2024 in See stechen, wie das Unternehmen schreibt. Angetrieben werden sie mit „grünem“ Methanol, das mithilfe erneuerbarer Energien aus Biomasse hergestellt wird, oder mit E-Methanol. Bei letzterem wird die Menge an CO2, die beim Verbrennen im Motor freigesetzt wird, zuvor bei der Herstellung verbraucht, sodass sich eine neutrale Klimabilanz ergibt.
Die Reederei hat sich – wie einige große Mitbewerber auch – vorgenommen, auf diesem Weg bis 2050 klimaneutral zu werden. „Die Zeit zum Handeln ist jetzt, wenn wir die Klimaherausforderung der Schifffahrt bewältigen wollen“, erklärte Maersk-Chef Søren Skou das Vorhaben in einer Unternehmensmitteilung. Und auch der VDR betonte, dass alle Einsparpotenziale genutzt werden müssten, wenn man bis 2050 eine Klimaneutralität der Schifffahrt erreichen wolle. Hierfür müssten nicht nur neue Antriebe und Treibstoffe entwickelt, sondern auch die Prozesse müssten optimiert werden – so, wie es mit dem QSMN-Projekt der Jade-Hochschule geplant ist.