Ostfriesen besiegen Concordia Hamburg Riesenjubel! Kickers Emden feiert den Regionalliga-Aufstieg
Das Emmerling-Team hat es geschafft und sich in der Aufstiegsrunde durchgesetzt. 500 Emder Zuschauer in Oberneuland sorgten für Heimspielatmosphäre. Der Jubel bei allen war grenzenlos.
Oberneuland - Was Kickers Emden in der Saison 2021/2022 mit einem kleinen Kader geleistet hat, war unglaublich und gipfelte am 1. Juni im vor der Serie nicht für möglich gehaltenen Regionalliga-Aufstieg. Nach dem 2:1-Auftaktsieg in der Aufstiegsrunde gegen den Bremer SV am 29. Mai im Ostfrieslandstadion vor 2000 Zuschauern begleiteten 500 Ostfriesen das Team zum zweiten Spiel nach Oberneuland. Der neutrale Spielort war fest in Hand der Kickers-Fans, es lag etwas in der Luft - alle Beteiligten fühlten sich an große, alte Zeiten erinnert. Und als das Kickers-Team dann tatsächlich den Aufstieg schaffte, brachen bei Spielern, Fans und Begleitern alle Dämme. Auch wenn das Team sechs Monate später abgeschlagenes Regionalliga-Schlusslicht ist, diesen Abend und diese Momente werden alle, die mit in Oberneuland waren, sicher nicht vergessen. Momente für die Ewigkeit - und mein Sportreporter-Moment des Jahres.
Nach 14 langen Jahren ist Kickers Emden zurück in der vierten Liga. Nach dem 3:1-Sieg (1:1) in Oberneuland gegen Concordia Hamburg spielt Kickers Emden in der kommenden Saison in der Regionalliga Nord. Kapitän Bastian war schon kurz nach dem Abpfiff in Feiermodus und verteilte die Aufstiegsshirts– die Emder waren im Ausnahezustand.
Trainer Stefan Emmerling rannte nach dem Abpfiff direkt zu seiner Familie. Als er seine Frau Simone in den Arm nahm, vergoss er auch einige Tränen. „Meine Mannschaft hat eine unfassbare Mentalität gezeigt, vor allem in den beiden Aufstiegsspielen. Wir haben die Partien völlig verdient mit einem wahnsinnigen Spirit gewonnen. Es war eine unglaubliche Saison“, meinte ein emotionaler Coach.
500 Emder Fans sind dabei
Auf den Rängen war schon vor dem Anpfiff klar, wer im großen Vorteil sein wird. Kickers mobilisierte wesentlich mehr Anhänger zur Partie in Oberneuland, rund 500 der insgesamt 800 dürften den Ostfriesen die Daumen gedrückt haben. Die ersten Minuten auf dem Platz begannen recht verhalten. Zwar konnte Tido Steffens (8.) den ersten Torschuss setzen, aber zum frühen Jubel durfte dann Concordia Hamburg ansetzen. Nach einem Freistoß war die Kickers-Defensive noch nicht sortiert. Vincent Boock schaltete ganz schnell und passte auf Ian Prescott Claus (10.), der aus gut 16 Metern Jannik Wetzel mit einem sehenswerten Schuss in den Winkel keine Abwehrmöglichkeit ließ.
Von dem frühen Schock erholte sich Kickers aber sehr gut. Mit einem Schuss aus 20 Metern ließ Ibrahim Sillah (21.) aufhorchen. Zwei Minuten später setzte Tido Steffens zu einem Solo an. Sein Versuch wurde aber von Concordia-Keeper Johannes Florian Höcker noch abgefangen. Ganz klar: Kickers drängte nun vehement auf den Ausgleich. In der 33. Minute wurden die starken Bemühungen dann auch belohnt. Mit einem Wahnsinnssprint leitete Milad Faqiryar den Treffer ein. Kein Concordia-Akteur konnte dem Defensivspieler folgen. Kurz vor dem Strafraum legte er geschickt auf Torjäger Tido Steffens quer, der dann mit einem Schuss unter die Latte den Ausgleich erzielte. So hatten sich das die Emder Fans vorgestellt. Von den Stehrängen klappte dann auch der Wechselgesang („Kickers! - Emden!“) mit den Anhängern auf der Sitztribüne.
„Nie mehr, Oberliga, nie mehr, nie mehr“
Und auch nach dem Ausgleich behielten die Emder das Heft in der Hand. Ayo Adeniran (34.) oder auch Holger Wulff (45.) hätten mit ein wenig mehr Schussglück sogar noch vor dem Wechsel für die Führung sorgen können. So ging es mit dem Remis in die Halbzeitpause, mit ganz klaren Vorteilen auf Seiten von Kickers Emden.
Auch zu Beginn der zweiten gab es zunächst ein leichtes Abtasten. Das sollte sich erst nach einer Viertelstunde wieder ändern. Und wie! Aus 20 Metern fasste sich erneut Tido Steffens einfach mal ein Herz und zog ab. Der Schuss wurde unhaltbar abgefälscht - 2:1 für Kickers. Sollte es wirklich mit dem heiß ersehnten Aufstieg in die Regionalliga-Nord klappen? Die Kickers-Anhänger waren sich da während der zweiten Halbzeit schon sicher. „Nie mehr, Oberliga, nie mehr, nie mehr“, skandierten sie.
Adeniran beseitigt alle Zweifel
Beinahe hätte Ayo Adeniran in der 73. Minute schon alles klar gemacht, doch sein Schuss zischte nur an den Pfosten. Concordia Hamburg wechselte mehrfach, aber die ganz großen Möglichkeiten konnten sich die Hamburger nicht erarbeiten. Das lag vor allem auch daran, dass die Kickers-Abwehr mit Bastian Dassel, Milad Faqiryar und Alagie Jabbie überaus sicher stand.
Kurz vor Ende der Partie hatte Hamburg noch die Riesenchance zum Ausgleich, doch Selim Ajkic scheiterte aus kurze Distanz. Als Hamburg dann alles nach vorne warf, setzte Ayo Adeniran in der Nachspielzeit mit dem 3:1 den Schlusspunkt. Jetzt war nur noch grenzenloser Jubel angesagt.
Stimmen
Bastian Dassel (Kickers-Kapitän): „Wir sind richtig schwer in Spiel gekommen, hatten schwere Beine – das hatten wir schon beim Aufwärmen gemerkt. Aber wie wir uns dann ins Spiel gekämpft haben, ist einfach überragend. Diese Mannschaft hat eine unglaubliche Mentalität. Ich bin einfach nur stolz. Jetzt wird erstmal richtig gefeiert.“
Milad Faqiryar (Verteidiger): „Das ist für mich heute auch der schönste Tag als Fußballer. Die Unterstützung von der Tribüne war unglaublich. Das hat uns getragen.“
Matthias Goosmann (Mittelfelmotor): „Das ist Wahnsinn. Ich habe morgen leider keinen Urlaub – aber meine Kollegen wissen Bescheid, dass es heute bei mir später wird.“
Gerd Krauledat (seit 46 Jahren Stadionsprecher bei Kickers): „Die Leistung der Mannschaft in dieser Saison war unglaublich. Mit diesem kleinen Kader so eine tolle Saison zu spielen. Jetzt darf ich nächste Saison doch nochmal in der Regionalliga als Stadionsprecher arbeiten. Wenn irgendwann nochmal wieder die 3. Liga kommt, hätte ich nichts dagegen.“
Simone Emmerling (Ehefrau von Stefan Emmerling): „Ich bin einfach nur glücklich und froh, dass die Mannschaft das geschafft hat.“
Tido Steffens (Doppeltorschütze): „Mir fehlen die Worte, mir fehlen einfach die Worte. Ich kann das alles noch gar nicht realisieren.“
Raik Dassel (Bruder von Kapitän Bastian Dassel): „Ich bin mit unserem Vater heute extra aus unserem Wohnort Rostock angereist. Sonntag fieberten wir noch aus der Ferne vor dem Liveticker mit. Ich bin so unglaublich stolz auf meinen kleinen Bruder, dass er mit 32 Jahren nochmal in die Regionalliga aufgestiegen ist. Das ist sensationell.“
Nils Ludwig (Ersatzkeeper, der zu Pewsum wechselt): „Ich musste diese Saison ein paar Mal mein Ego hinten anstellen, auch wenn man natürlich auch gerne mal gespielt hätte. Aber es ging nur um das Team, das habe auch ich verstanden und die Jungs beim Training und von außen bestmöglich gepusht. Ich bin der Mannschaft sehr dankbar, dass sie mir mit dem Aufstieg einen so tollen Abschied geschenkt hat. Jetzt geht es am Montag zum Abschluss mit dem Team noch fünf Tage nach Mallorca. Die Jungs haben mich einfach mitgebucht – meine Freundin ist nicht so begeistert, aber jetzt wird nochmal einige Tage gefeiert.“
Heiko Visser (Mittelfeldspieler): „Wir waren in beiden Spielen sehr nervös, haben uns aber in beiden Begegnungen immer weiter gesteigert. Jetzt fällt die Anspannung langsam ab.“
Reiner Bruns (früherer Sportlicher Leiter und Kickeraner): „Es ist eine unglaubliche Leistung der Mannschaft mit so einem kleinen Kader so etwas Großes erreicht zu haben. Hier waren einige Hundert Emder Fans. Es ist wieder eine richtige Euphorie entstanden. Ich hätte nach dem Drittliga-Rückzug im Jahr 2009 nicht gedacht, dass Kickers nochmal wieder in die Regionalliga zurückkommt. Kompliment an alle.“
Frank Pieper-von Valtier (Trainer Concordia Hamburg): „Wir sind gut ins Spiel gekommen. Dann hat Emden sich aber reingebissen und uns teilweise auch gut gepresst. Wir haben dann auch ein paar Sachen falsch gemacht und letztlich auch verdient verloren. Wir brauchen Sonntag in Bremen nun einen Sieg, um noch aufsteigen zu können und hoffen, dass Emden auch nochmal eine gute Leistung in Todesfelde zeigt.“