Weiterbildung für Flüchtlinge Einstieg ins Berufsleben statt ewige Hilfsjobs


An der VHS Leer ist die erste Weiterbildung zur Sozialpädagogischen Hilfskraft beendet – mit durchschlagendem Erfolg. Das Konzept könnte über Leer hinaus Schule machen.
Leer - Es war ein erster Probelauf, als vor gut zehn Monaten bei der Volkshochschule (VHS) in Leer eine Weiterbildung begann, bei der Migrantinnen fit für die Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistentin an der Berufsfachschule gemacht wurden. Jetzt ist der Kursus beendet. Teilnehmerinnen und die Verantwortlichen von Volkshochschule und Jobcenter ziehen eine überaus positive Bilanz
Was und warum
Darum geht es: Die Premiere einer VHS-Weiterbildung von Migrantinnen zu sozialpädagogischen Hilfskräften war so erfolgreich, das sie wohl Schule machen wird.
Vor allem interessant für: die Verantwortlichen von Kindergärten, Migrantinnen und diejenigen, die sich zur Aufgabe gemacht haben, Flüchtlinge zu unterstützen
Deshalb berichten wir: Wir hatten mit der VHS verabredet, nach Ende der Weiterbildung zu schauen, ob sie den gewünschten Erfolg hatte. Die Autorin erreichen Sie unter: k.mielcarek@zgo.de
„Wir sind genau da gelandet, wo wir wollten“, sagt Sibylle Teich, die beim Jobcenter des Landkreises Leer das Sachgebiet Arbeitsvermittlung Flüchtlinge leitet. 13 von 14 Teilnehmerinnen hätten den Kursus beendet. Sechs von ihnen seien an der Berufsfachschule angenommen worden. Eine Frau pausiere wegen ihrer Kinder ein Jahr und werde dann an die Berufsfachschule gehen. Eine weitere nehme ein Lehramts-Studium auf. Zwei ließen sich beim Familienservice zur Tagesmutter ausbilden, eine habe sich für einen ganz anderen Beruf entschieden. Bei einer Frau fehlten noch entscheidende Papiere, so dass sie wahrscheinlich noch Abschlüsse nachholen werden müsse, und bei einer sei noch offen, wohin sie ihr Weg führen werde. Ohne die Fortbildung hätten die Frauen keine Chance auf Berufsfachschule, Studium oder eine Anstellung beim Familienservice gehabt, sagt Helga Albers, Arbeitsvermittlerin beim Jobcenter. „Schon alleine, weil sie es sich nicht zugetraut hätten.“
Erfahrungen der Frauen nutzen
Als man die Weiterbildung konzipiert habe, habe man einerseits auf den Mangel an Fachkräften in der Kinderbetreuung reagieren, andererseits das Wissen und die Erfahrung der Frauen nutzen wollen, sagt Sabine Kasimir, Leiterin der VHS. Die Migrantinnen sollten eine realistische Chance haben, mehr als Hilfsjobs zu erreichen.

Der Schwerpunkt in der Weiterbildung hat mit gut 600 Unterrichtsstunden auf den berufsspezifischen Sprachkenntnissen und den pädagogische Ansätzen in Deutschland gelegen, die sich zum Teil deutlich von denen in den Herkunftsländern der Frauen unterscheiden. Dazu kamen noch elf Wochen Praktikum in Kindergärten, Kinderkrippen, Tagespflege und Grundschule.
Unterschiede zu Herkunftsländern
Sie habe bei ihren Praktika in Kinderkrippen und Kindergärten gelernt, dass man den kleinen Kindern viel mehr zutrauen könne, als sie geahnt habe, erzählt eine junge Frau, die ihren Namen nicht nennen will. In ihrer Heimat, der Ukraine, hat sie bisher nur als Babysitterin gearbeitet. Dort werde den Kindern viel mehr abgenommen.
Große Unterschiede zu ihrer Heimat Syrien haben auch Suha Eido, Nada Hesso und Ibtisam Alaswad bemerkt. „In unseren Grundschulen wird viel mehr mit Druck und Gehorsam und weniger mit Spaß gearbeitet“, berichtet Alaswad. Das bestätigt Eido, die auch der Einsatz neuer Technologien beeindruckt hat. Der Umgang mit Tablets und Smartboards sei für die Kinder schon ganz selbstverständlich. Gegenwind bekommen sie von einer anderen Syrerin, die aus der Hauptstadt Damaskus kommt. Auch in Syrien hänge vieles von der Qualität der Lehrkräfte ab, sagt sie. Nicht überall werde nur mit Drill gearbeitet.
Jede hat profitiert
„Jedes Kind hat ein Recht auf Freiheit und eine eigene Meinung“, hat Hesso aus ihren Praktika mitgenommen. Sie wird einen Beruf ergreifen, der nichts mit Kinderbetreuung zu tun hat. „Trotzdem war der Kursus wichtig für mich“, sagt sie. Schon allein wegen der Wertschätzung, die sie erfahren habe.
Ilham Eldasogi aus dem Sudan ist eine von den Teilnehmerinnen, die zunächst nicht in den Beruf einsteigen werden. „Ich habe kleine Kinder, da geht das nicht.“ Profitiert habe sie aber trotzdem. „Ich nehme viel für meine Kinder mit und habe viel gelernt und bin selbstbewusster geworden.“
Kursus geht in die zweite Runde
Bei so viel positiver Resonanz ist für die Verantwortlichen von VHS und Jobcenter klar, dass man auf dem richtigen Weg ist: Ende August wird die zweite Weiterbildung für sozialpädagogische Hilfskräfte starten – mit leichten Anpassungen, die sich im Laufe der vergangenen zehn Monate ergeben haben. Beispielsweise werde man stärker als bisher die Tagespflege einbeziehen. Die Auswahl der Teilnehmer läuft. Und Volkshochschule und Zentrum für Arbeit tüfteln gerade an ähnlichen Konzepten für andere Berufsgruppen herum. „Wir könnten uns vorstellen, dass das auch im Bereich Beratung und Pflege, IT oder Bürokommunikation funktioniert“, sagt Ursula Behrends, Fachbereichsleiterin Integration bei der VHS.
Auch der Landesverband der Volkshochschulen sei interessiert und wolle die Leeraner Weiterbildung in ein festes Konzept gießen, das dann auch andere Volkshochschulen übernehmen könnten. „Aber wir sind noch in der Pilotphase“, sagt Kasimir. Deshalb wolle man mindestens noch den zweiten Durchgang abwarten und schauen, ob und wie sich die leichten Anpassungen bewähren.