Mehr Blühwiesen? Beim Kampf gegen das Insektensterben sind alle gefragt


Der Hegering ist bei der Ansaat. Das Ziel: Insekten Lebensräume verschaffen. Die Oberledingerland-Gemeinden fördern das. Doch auch die Bürger können helfen.
Rhauderfehn/Ostrhauderfehn - Der Trecker zieht Furchen in den Boden. Der ist nun schön krümelig – und endlich nicht zu trocken und nicht zu nass. „Wir hinken zwei Monate hinterher“, sagt Heiner Cordes vom Hegering Overledingen. Eigentlich wird mit der Aussaat schon Ende April, Anfang Mai begonnen. Doch dieses Jahr passte die Witterung nicht. Nun endlich kommt die bewährte Saatmischung des Hegerings in den Boden: Buchweizen, Gelbsenf und viele andere Pflanzen, die Insekten Nahrung bieten.

Am Steuer des Treckers sitzt Heinrich-Gerhard Wahrheit. Er gehört zur Truppe des Hegerings, der in Rhauderfehn und Ostrhauderfehn jährlich an die 35 Hektar Fläche Blühwiesen anlegt. Die Flächen stellen die Besitzer zur Verfügung – Landwirte, Kommunen, Privatleute. Finanziell unterstützt wird der Hegering von den Gemeinden. Ostrhauderfehn hat längerfristig einen Zuschuss zugesagt. Rhauderfehn für drei Jahre. Die waren jetzt zu Ende. Im jüngsten Fachausschuss stellte die Politik die Weichen, das Projekt weiter zu unterstützen.
Zig Insektenarten sind bedroht
Das hatte die Gruppe Ampel+ beantragt. Sie würde gerne auch auf kleineren innerörtlichen und vor allem kommunalen Flächen Blühstreifen sehen. „Den Artenrückgang aufzuhalten, ist eine wichtige gesamtgesellschaftliche Herausforderung“, heißt es in dem Antrag, den Thorsten Vesper vortrug. Die Lage sei dramatisch.
Das macht auch das Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz deutlich. Bei 45 Prozent der 33.300 in Deutschland lebenden Insektenarten sei der Bestand rückläufig. 42 Prozent gelten als bestandsgefährdet, extrem selten oder bereits ausgestorben. „Beim Insektenrückgang handelt sich nicht um ein lokales oder regionales Phänomen, sondern um eine bundesweite und klar belegbare Entwicklung“, heißt es aus dem Ministerium. Der Verlust von Insektenlebensräumen spiele dabei eine entscheidende Rolle.
Vor der eigenen Haustür gucken
„Deshalb müssen wir auch etwas gegen das übermäßige Versiegeln von Flächen tun. Und Versiegelungen aufbrechen – auch an kleineren Stellen“, so Ampel+-Vorsitzender Dirk de Boer. Die Gruppe schlägt vor, zu prüfen, ob und an welchen Plätzen – etwa auf Schulhöfen, an Spazierwegen, bei Dorfgemeinschaftsanlagen - noch Blühflächen entstehen könnten.
An die Bürger richtete sich ein Appell von Hillmar Schulte, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion. Die befürwortet die Unterstützung der Hegerings-Aktion. „Zusätzlich sollte aber auch jeder schauen, ob er vor seiner eigenen Haustür etwas machen kann. Jeder einzelne muss zusehen, dass Grün in Siedlungen erhalten wird“, sagte er.
Arbeit beginnt jedes Jahr aufs neue
„2018 haben wir mit zwei Mal fünf Hektar angefangen“, sagt Heiner Cordes vom Hegering Overledingen. Im Fachausschuss für Umwelt der Gemeinde Rhauderfehn berichtete er von dem Projekt.
Der Hegering, so Cordes, betreue in den beiden Fehngemeinden 27 Reviere. Das Thema Blühwiesen gehe man hier landwirtschaftlich an: Eingesetzt werde schweres Gerät, um die möglichst größeren zusammenhängenden Flächen zu beackern. Bei mittlerweile fast 35 Hektar kommt da einiges an Arbeit zusammen. Die geht den Jägern auch nicht aus, denn: „Wir säen für ein Jahr aus. Das ist im darauffolgenden Jahr wieder Grünland, weil sich andere Pflanzen dann durchsetzen. Das mehrjährige Saatgut haben wir ad acta gelegt“, so Cordes. Das Land müsse jedes Jahr aufs neue umgedreht werden.

Passendes Saatgut gefunden
Beim Saatgut habe man mittlerweile gute Mischungen gefunden, auch für moorigere Böden. Die Anforderungen seien von Standort zu Standort unterschiedlich. An einigen Flächen habe man sich zunächst die Zähne ausgebissen.
Wer selber eine Blühwiese bei sich anlegen möchte, kann vom Saatgut des Hegerings etwas abbekommen. Kostenlos, „solange der Vorrat reicht“, so Cordes. Kontakt könne am besten über die Gemeinde hergestellt werden.
Auch Büsche sind wichtig
In Ostrhauderfehn zieht Heinrich-Gerhard Wahrheit die Spatenrollegge übers Land. Zuvor, erzählt er, wurde der Boden gemulcht und gefräst. Am Rand des Feldes stehen noch ein paar Mohnblumen, die von der vergangenen Aussaat übrig geblieben sind. Die neue Saat, sagen die beiden Hegerings-Mitglieder, werde trotz des Zeitverlusts durch das ungünstige Frühjahrswetter noch kommen. „Das wird noch was, und dann blüht das hier bis in den Oktober hinein.“

Im Umweltausschuss betonte Cordes, dass neben Wildblumen auch Büsche wichtig seien für die Artenvielfalt. Mit ein paar Grünlandhecken und insektenfreundlichen Sträuchern könne man viel erreichen. Weniger begeistert zeigte er sich von Blühstreifen zwischen Autofahrbahn und Radweg: „Da haben die Tiere nichts von, die landen doch alle vor der Windschutzscheibe.“