Wochenglosse Mehr Sein zum Schein


Viele Betrüger machen auf dicke Hose, ganz nach dem Motto: mehr Schein als Sein. Doch es geht auch anders, findet die Autorin.
Marcus Braun und Jan Marsalek gaben sich als Finanzgenies aus – und legten mit Wirecard eine milliardenschwere Pleite hin. Doch die Chefs geben sich jetzt völlig ahnungslos. „Ich? Niemals!“ Nichts gewusst, nicht gesehen, nichts gehört. Der andere war’s. Der andere, Ex-Vorstand Marsalek, der, nachdem die Bilanzmanipulationen seines Unternehmens aufgeflogen waren, vor Verhaftung und Gerichtsverfahren geflohen war, hat sich jetzt aus dem Nirgendwo beim Richter in München gemeldet. Schriftlich. In seinem Brief schiebt er die Schuld auf den Kronzeugen. Und natürlich ist auch Marsalek unschuldig. Nichts gewusst, nichts gesehen, nichts gehört.
Mehr Schein als Sein: Damit fahren Betrüger immer gut. Briefträger, die kaum ein Pflaster auf eine Blase kleben können, arbeiten Jahre lang als Arzt, andere drehen Regierungen und Anlegern eine lange Nase. Fliegt man aber auf, ist das schöne Leben vorbei.

Vielleicht sollte man es mal umgekehrt versuchen: mehr Sein zum Schein. Da könnte die verhuschte Maus in den Second-Hand-Klamotten von nebenan über tausend Ecken durchsickern lassen, dass sie drei Millionen Euro im Lotto gewonnen hat. Gleich wird sie ganz anders angesehen und ist kreditwürdig, ohne einen Piep sagen zu müssen.
Und: Psst, nicht weiter sagen! Denn ich bin nur im Nebenberuf Redakteurin. Hauptberuflich bin ich nämlich die verschwundene Zarentochter Anastasia. Die 122 Jahre sieht man mir doch nicht an, oder? Obwohl: Bekomme ich in dem Alter bei der Raiffeisen- und Volksbank wirklich noch einen Millionenkredit? Dann lieber russische Oligarchen-Tochter. Geht immer.
Die Autorin erreichen Sie unter e.wieking@ga-online.de
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