Im VW-Umfeld Ausbeuter von Leiharbeitern aus Emden in Köln angeklagt

Daniel Noglik
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Von Daniel Noglik
| 04.08.2023 18:33 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Jonas P. (Name geändert) sieht sich juristischen Konsequenzen ausgesetzt. Grafik: Fischer
Jonas P. (Name geändert) sieht sich juristischen Konsequenzen ausgesetzt. Grafik: Fischer
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In Emden ließ er unseren Recherchen zufolge Leiharbeiter in unwürdigen Verhältnissen leben und bezahlte sie nur unregelmäßig. Jetzt hat die Kölner Staatsanwaltschaft den Unternehmer angeklagt.

Emden/Köln - Dem Mann, der vor allem polnische Leiharbeiter im Umfeld des Emder Volkswagen-Werks ausgebeutet hat, drohen nun strafrechtliche Konsequenzen. Auf Nachfrage der Redaktion hat eine Pressesprecherin des Amtsgerichts Köln bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft Köln Anklage gegen Jonas P. (Name geändert) erhoben hat. „Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Insolvenzverschleppung vor, außerdem soll er Beiträge zur Sozialversicherung vorenthalten haben“, so die Gerichtssprecherin. Konkret gehe es um 46 Fälle von Krankenkassenbeiträgen, die zwischen Dezember 2020 und Oktober 2022 nicht gezahlt worden sein sollen. „Überschlagen liegen wir da auf jeden Fall bei einer Summe im fünfstelligen Bereich“, so die Sprecherin.

Der Inhalt der Anklage deckt sich mit unseren Recherchen. Unter dem Titel „Ein Luxusleben auf Kosten der Emder Leiharbeiter“ hatten wir im Februar öffentlich gemacht, dass Jonas P. vor allem Polen in Emden in schäbigen Wohnungen untergebracht, sie nicht regelmäßig bezahlt und zum Teil ohne Sozialversicherung beschäftigt hat. Eingesetzt waren die Mitarbeiter bei verschiedenen Volkswagen-Zulieferern in Ostfriesland. Die ursprüngliche Firma von Jonas P. ist inzwischen insolvent und in Liquidation. Unseren Informationen zufolge hatte aber nicht der Geschäftsführer und Eigentümer selbst die Insolvenz angemeldet, sondern die AOK als Gläubigerin der Firma. Das hatte unseren Quellen zufolge auch die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen.

Bei einer Verurteilung droht eine Geld- oder Haftstrafe

Wie hoch die Außenstände bei der AOK sind, hat man uns nicht verraten, sondern nur das Insolvenzverfahren bestätigt. „Von weiteren Details (…) müssen wir absehen, da es sich bei den Angaben um Sozialdaten handelt, für die uns keine Übermittlungsbefugnis vorliegt“, hieß es. Gut informierten Quelle zufolge sollen auch die Barmer und die HKK betroffen sein – doch aus deren Pressestellen war nichts zu erfahren. „Leider dürfen wir Ihnen die gewünschten Auskünfte nicht erteilen, da sich die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen (…) auch auf Arbeitgeberdaten beziehen“, so die HKK. „Ich muss Ihnen (…) leider mitteilen, dass ich zu dem (…) Sachverhalt aus Gründen des Datenschutzes keine Angaben machen kann“, so ein Barmer-Sprecher.

Sollte es zum Gerichtsprozess kommen, könnten Vertreter dieser – und möglicherweise weiterer – Krankenkassen allerdings als Zeugen aussagen müssen. Wann es dazu kommen könnte, ist allerdings noch unklar. „Die Anklageschrift ist dem Verteidiger des Angeklagten zugestellt worden“, sagte die Sprecherin des Kölner Amtsgerichts. In den kommenden Wochen werde das Gericht entscheiden, ob die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen werde. Sollte das der Fall sein, werde ein Verhandlungstermin anberaumt. Im Falle einer Verurteilung sieht das Gesetz für die Insolvenzverschleppung in der Regel eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haft vor. Für die Nichtabführung von Sozialabgaben fallen in der Regel eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft an.

Unklar bleibt, ob Jonas P. auch wegen anderer Delikte wie Steuerhinterziehung oder illegaler Beschäftigung verfolgt wird. Zwar hatte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Köln Anfang Mai mitgeteilt, „dass bei der Staatsanwaltschaft Köln kein (Wirtschaftsstraf-)Verfahren gegen Verantwortliche eines Kölner Zeitarbeitsunternehmens im Zusammenhang mit Tätigkeiten in Ostfriesland anhängig ist“. Vertrauenswürdigen Quellen zufolge wissen wir allerdings von Ermittlungstätigkeiten des Zolls in Ostfriesland. Bestätigt wurden diese bislang auf Nachfrage weder von den Hauptzollämtern Oldenburg und Köln noch der Kölner Staatsanwaltschaft.

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