Ottos Anfänge Kleiner Friesenjung kam vor 50 Jahren ganz groß raus
Otto Waalkes ist einer der beliebtesten Komiker Deutschlands. Der Mitschnitt eines Live-Auftritts und seine erste Fernsehshow bescherten dem Ostfriesen vor 50 Jahren den Durchbruch.
Emden - Er ist einer der erfolgreichsten und beliebtesten Komiker Deutschlands. Und er ist ein waschechter Ostfriese. Spätestens jetzt dürfte fast jedem klar sein, dass damit niemand anderes als Otto Waalkes gemeint sein kann. Richtig in Gang kam seine Karriere vor ziemlich genau 50 Jahren, als seine Debüt-Langspielplatte die deutschen Album-Charts stürmte und im August 1973 die erste „Otto Show“ im Fernsehen ausgestrahlt wurde.
Der Wunsch, Künstler zu werden, offenbarte sich dem gebürtigen Emder jedoch bereits lange zuvor. Im Sommer 1962 nahm Otto einen Monat vor seinem vierzehnten Geburtstag an einer vom Kaufhaus „Hertie“ organisierten Talent-Veranstaltung teil. Er sang den „Babysitter Boogie“ und landete immerhin auf Rang zwei. 1964 war er Mitglied in einer Beat-Formation namens „The Rustlers“. Die spielten vorrangig Cover-Versionen britischer Vorbilder wie „Beatles“, „Rolling Stones“, „Kinks“ und dergleichen. Damit mauserten sie sich zu einer lokalen Größe, gewannen diverse regionale Nachwuchs-Wettbewerbe und begleiteten Stars wie Ted Herold oder Tony Sheridan, wenn die ohne eigene Band in Ostfriesland auftreten wollten.
Nach dem Abi gings nach Hamburg
Als er 1968 sein Abi in der Tasche hatte, zog es Otto nach Hamburg, wo er ein Pädagogik-Studium begann und 1970 auf Kunst umsattelte. Während dieser Zeit gehörte er kurz zu einer Wohngemeinschaft, in der unter anderem Udo Lindenberg und Marius Müller-Westernhagen lebten. Zur Aufbesserung seiner Finanzen sorgte der hibbelige Blondschopf mit der Gitarre in kleinen Clubs für Stimmung. Die „Gage“ betrug zunächst fünf Mark die Viertelstunde. „Ich habe halt so ein bisschen rumgedödelt und Folklore gemacht“, erinnerte sich Otto im Nachhinein. „Mir ist immer das Mikro runtergefallen. Und ich habe mich dafür entschuldigt. Die Entschuldigungen sind immer besser angekommen als die Lieder.“ Kein Wunder, Die Clubs, in denen er singen und spielen durfte, wurden stetig größer.
1972 traf Otto den Pharmastudenten Hans Otto Mertens, der sein Manager wurde. Sie beschlossen, einen Live-Auftritt im Hamburger Universitätshörsaal „Audimax“ mitschneiden zu lassen. Weil etablierte Plattenfirmen mit dem Material nichts anzufangen wussten, gründeten die Geschäftspartner Waalkes und Mertens Ende des Jahres kurzerhand eine eigene Plattenfirma und nannten sie „Rüssl Räckords“. Zu ihrem Markenzeichen wurden die von Otto entworfenen lustigen Elefantenkarikaturen, die als „Ottifanten“ bald mindestens genauso populär wie ihr Schöpfer werden sollten.
Schnelle Gags waren revolutionär
Einstweilen blieben beide jedoch noch ein Geheim-Tipp. Was Ottos besondere Talente betraf, waren die unterdessen bereits auf seinem ersten Tonträger hinlänglich dokumentiert. Mal abgesehen davon, dass die Langspielplatte unvergessene Klassiker wie den „Tarzanruf“ („Greif die Liane Jane!“) oder das live nach wie vor regelmäßig mit dem Publikum kanonartig zelebrierte „Nasdrovje womm“ enthielten, wirkte der Ostfriese in seiner ganzen Art ungemein frech und spontan. Vor allem war er für damalige Verhältnisse irrsinnig schnell. Manche Gags dauerten kaum mehr als ein paar Sekunden. Für das bis dahin eher bieder-gemütliche Humorverständnis der meisten Deutschen war das neu, zumal Otto seine Darbietungen häufig zusätzlich mit ungewöhnlicher Stimmakrobatik effektvoll zu untermalen verstand.
Außer Folklore – Vorlage für „Nasdrovje womm“ war ein russisches Volkslied – parodierte er auf seinem Debütalbum eine Reihe bekannter Hits. Beispielsweise ergänzte er die „See me, feel me“-Passage aus der Rock-Oper „Tommy“ um die Worte „Kill me, grill me“. Bei Gilbert Bécauds „L’important, c’est la rose“ sang er anstelle des korrekten Refrains die Zeile:“L’Impotenz est dans ma Hose.“ Eine ähnlich schlüpfrige Umdichtung erfuhr „Es wird Nacht Señorita“ von Udo Jürgens („Ei, wo ist meine Hos‘?). Solche „verfremdeten“ Schlager-, Folklore-, Rock- und Pop-Songs wurden zu einem wichtigen Stilmittel im künstlerischen Konzept des Ostfriesen. Am Anfang seiner Karriere bediente sich Otto ab und an auch bei verschiedenen Komikerkollegen. So befanden sich auf seiner ersten LP gleich zwei Gedichte von Heinz Erhardt („Das Gewitter“ und „König Erl“), eine englischsprachige Comedy-Nummer des amerikanischen Entertainers Tiny Tim („The Viper“) und das Lied „Er war einsam, aber schneller“, das Peter Ehelbracht von der Ulk-Truppe „Insterburg & Co.“ verfasst hatte.
Das Fernsehen lieferte die Initialzündung
Ein anderer ebenfalls auf dem Debütalbum enthaltener „Fremdtext“ war „Die Gabel des Teufels“. Dieses Nonsens-Gedicht hatte Otto schon relativ früh in seinem Repertoire. Allein vergaß er lange, sein Publikum auf den tatsächlichen geistigen Urheber Robert Gernhardt hinzuweisen. Der schrieb für das Satire-Magazin „pardon“ und sprach den Ostfriesen irgendwann auf dessen „Plagiat“ an. Statt der sonst oft üblichen gerichtlichen Auseinandersetzung einigte man sich auf eine gemeinsame Zusammenarbeit.
Neben dem 2006 verstorbenen Gernhardt wurde diese Kooperation um die ebenfalls aus der „pardon“-Schmiede stammenden Autoren Bernd Eilert und Pit Knorr ergänzt. Mit diesem Trio und Manager Hans Otto Mertens im Rücken hatte Otto jetzt sein persönliches „Dreamteam“ gefunden, um auf der Karriereleiter voll durchzustarten. Die Initialzündung lieferte einmal mehr das Fernsehen. Der visionäre TV-Macher Rolf Spinrads erkannte das Potenzial des jungen Komikertalents und produzierte für den WDR vor der Kulisse eines kleinen Studiopublikums die erste „Otto Show.“ Die Sendung wurde am 27. August 1973 abends in der ARD ausgestrahlt.
Zur Sicherheit trat Otto nicht alleine auf
Im Wesentlichen wiederholte Otto darin weite Teile seines Bühnenprogramms wie es schon auf seinem Debütalbum zu hören war. Indes traute Rolf Spinrads dem Fernsehfrischling wohl nicht so ganz. Jedenfalls stellte er ihm mit Peter Horton und dem Gesangs-Duo „Cherry Cats“ sicherheitshalber Gaststars an die Seite. Otto musste mit ihnen sogar Sketche spielen. Und die wirkten nicht von ungefähr etwas verkrampft. „Ein Konzept hatten wir bei der ersten Show nicht“, gab der Protagonist in einem Interview später unumwunden zu. Da war einiges an Improvisation gefragt, weswegen Otto seine virtuosen Fertigkeiten als Musiker demonstrieren durfte. Er legte zur E-Gitarre zwei fulminante Rock’n’Roll-Nummern aufs Parkett und interpretierte im Duett mit Peter Horton auf einer akustischen Gitarre die „Beatles“-Ballade „The Fool on the Hill“. Der Musiker Otto Waalkes geriet beim breiten Publikum jedoch zur Nebensache. Die meisten fanden den Mann aus Ostfriesland einfach nur komisch. Der freche Humor und die ungewöhnliche Stimmakrobatik wurden durch zappelige Körpersprache und urige Grimassen auch optisch perfekt abgerundet. Otto wurde zu einer Art medialem Gesamtkunstwerk
Nichtsdestotrotz kugelten sich viele bereits vor Lachen, wenn sie ihm bloß zuhörten. Und das brachte den Absatz seiner Schallplatte mächtig in Schwung. Am 31. August 1973 kletterte sie auf Platz eins der Deutschen Album-Charts und hielt sich vier Wochen an der Spitze. Noch besser lief es für die Nachfolge-LP „Otto (die Zweite)“, bei der die Zusammenarbeit mit dem Autorenteam Knorr, Eilert und Gernhardt erstmals voll zum Tragen kam. Sie wurde im April 1974 veröffentlicht und war 18 Wochen lang Deutschlands Langspielplatte Nummer eins. Bis 1983 erschienen sieben weitere Otto-Alben, die alle jeweils mindestens den Sprung auf einen Top-10-Rang schafften.
Parallel dazu sendete die ARD bis 1979 einmal im Jahr eine neue Otto-Show. Die Einschaltquoten erreichten bis zu 44 Prozent. Bis 1983 folgten drei weitere Fernsehen-Shows. Dann wagte der Ostfriese den Schritt auf die große Leinwand – und war dort nicht minder erfolgreich. „Otto – Der Film“ lockte 1985 in der Bundesrepublik und in der DDR 14,5 Millionen Zuschauer in die Lichtspielhäuser. Kein anderer deutscher Streifen hat diese Rekordmarke bisher knacken können. In der Ewigen-Bestenliste der zwölf erfolgreichsten deutschen Kinofilme aller Zeiten ist Otto nach aktuellem Stand der Dinge darüber hinaus noch mit „Otto – Der neue Film“ (1987) und „7 Zwerge – Männer allein im Wald“ (2004) vertreten.
Otto ist immer noch am Puls der Zeit
In Anerkennung seiner schier grenzenlos anmutenden Kreativitätswut ist der Ostfriese im Verlaufe seiner Karriere mit Preisen geradezu überschüttet worden. Außer diversen Schallplatten in Platin und Gold erhielt er mehrere „Bambis“, den „Adolf-Grimme-Preis“, die „Goldene Kamera“, die „Goldene Leinwand“, den „Deutschen Comedy Preis“ und den „Echo“, um nur ein paar der wichtigsten Auszeichnungen zu nennen.
Schließlich und endlich war und ist Otto Waalkes ja auch auf etlichen anderen Gebieten aktiv, wie zum Beispiel als Buchautor, Zeichner oder Synchronsprecher (siehe „Ronny:s Pop-Show“ oder „Ice Age“). Selbst nach nunmehr gut 60 Jahren im Rampenlicht zeigt der Blondschopf aus Emden kaum nennenswerte Ermüdungserscheinungen und bewegt sich nach wie vor überraschend nahe am Puls der Zeit. Erst im Mai dieses Jahres veröffentlichten die beiden Rapper Ski Aggu und Joost Klein einen Techno-Remix von Ottos altem Hit „Friesenjung“. Die Kooperation des Trios sorgte viral für mächtig viel Wirbel mit der Konsequenz, dass der Song vier Wochen lang den ersten Platz der deutschen Single-Charts belegte.