Bundesländer-Vergleich Lehrerbedarf planen – kann Niedersachsen von anderen lernen?
Wie viele Lehrer in Ostfriesland fehlen, wusste die Landesverwaltung ein paar Tage vor Schuljahrsbeginn nicht. Haben andere Bundesländer einen besseren Überblick über ihre Unterrichtsversorgung?
Ostfriesland/Hannover/Deutschland - Niedersachsens Landesschulverwaltung wusste am 8. August nicht, wie viele Lehrerstunden ab dem 17. August im neuen Schuljahr zur Unterrichtsversorgung in Ostfriesland erforderlich sind und wie viele vorhanden sein werden. Die Unterrichtsversorgung werde erst zum Stichtag 31. August ermittelt , teilte das Regionale Landesamt für Schule und Bildung in Lüneburg im Auftrag des Kultusministeriums mit – veröffentlicht werden sollen die Zahlen erst im nächsten Kalenderjahr. Das warf Fragen auf. Unter anderem die Frage, ob die Lehrerbedarfsplanung in allen Bundesländern so abläuft.
Was und warum
Darum geht es: Ob in anderen Bundesländern der Lehrerbedarf planvoller ermittelt wird als in Niedersachsen.
Vor allem interessant für: Schülerinnen und Schüler sowie Eltern
Deshalb berichten wir: Weil Niedersachsens Landesschulverwaltung kurz vor Schuljahresbeginn nicht wusste, wie viele Lehrkräfte in Ostfriesland fehlen. Den Autor erreichen Sie unter: a.ellinger@zgo.de
Denn wie soll eine Unterrichts- beziehungsweise Lehrerbedarfsplanung gelingen, die ein paar Tage vor Schuljahresbeginn keine Aussage darüber zulässt, wie gut oder schlecht die Lehrerversorgung ist? Laut Niedersachsens Kultusministerium haben die Prognosedaten, mit denen die Lehrerbedarfsplanung gemacht wird, nur eine „begrenzte Aussagekraft“ – deshalb sei deren Veröffentlichung nicht vorgesehen.
Bayern veröffentlicht Prognosedaten bezüglich des Lehrerbedarfs
Das bayerische Kultusministerium hat hingegen auf die Frage unserer Redaktion nach der dortigen Lehrer- und Unterrichtsbedarfsplanung eine Internetadresse geschickt. Unter der ist die bayerische Lehrerbedarfsprognose inklusive Prognosedaten veröffentlicht – wenn auch bisher nur für das Jahr 2022. Die Prognose werde aber jährlich fortgeschrieben, ergänzt das bayerische Ministerium.
Unsere Redaktion hat eine Umfrage unter den Kultus- und Bildungsministerien in Deutschland gemacht. Eine Frage lautete: „Zu welchem Zeitpunkt wissen Sie, ob in einem Schuljahr Lehrkräfte fehlen und gegebenenfalls wie viele Lehrer(stunden)?“ Aus zwölf Bundesländern kamen bislang Antworten. Wo wird anders vorgegangen als in Niedersachsen? Nochmal kurz zur Erinnerung: In Niedersachsen kann die Landesverwaltung nur bezüglich eines Stichtags im Jahr sagen, wie gut oder schlecht die Unterrichtsversorgung zu diesem Zeitpunkt war.
Wann ist in Sachsen-Anhalt klar, wie viele Lehrer fehlen?
„Aussagen zum Stand der voraussichtlichen Unterrichtsversorgung, fehlenden Lehrkräften und Lehrerstunden sind zum jeweiligen Planungsstand mit der Erhebung ab April/ Mai für jede Schule möglich und unterliegen bis zum Schuljahresbeginn einem regelmäßigen Monitoring“, berichtet das Bildungsministerium aus Sachsen-Anhalt.
Eine Stichtagsregelung ähnlich der in Niedersachsen kommt in Sachsen-Anhalt noch dazu: „Im Oktober werden mit der Erhebung der Unterrichtsversorgung für jede Schule Lehrkräftebedarf und Lehrkräfteausstattung zum Stichtag für das Schuljahr festgestellt. Danach erfolgt für die aktuelle Unterrichtsversorgung jeder Schule im Schuljahresverlauf ein Monitoring.“
Wann ist in Brandenburg klar, wie viele Lehrer fehlen?
„Die staatlichen Schulämter haben einen laufenden Überblick darüber, wie viele Lehrkräfte an welchen Schulstandorten noch einzustellen sind, um den [...] ermittelten Bedarf an Lehrkräften und sonstigem pädagogischen Personal zu decken.“ Das hat Brandenburgs Bildungsministerium mitgeteilt. Das Ministerium lasse sich „von den staatlichen Schulämtern regelmäßig zum Stand der Schuljahresorganisation berichten und wertet den Stand der Planung für das zu planende Schuljahr auch selbst aus“.
Weiter schreibt das Ministerium: „Kurz vor Beginn des jeweils geplanten Schuljahres wird in einer ausführlichen Dienstberatung mit den einzelnen staatlichen Schulämtern der erreichte Stand der Organisation des Schul- und Unterrichtsbetriebs der Schulen ausgewertet.“ Sinn und Zweck dieser Vorgehensweise: „Dabei werden für die Schulen, deren Personalbedarf zum Beginn des Schuljahres noch nicht vollständig durch die Zuweisung von Lehrkräften und sonstigem pädagogischen Personal gedeckt werden konnte, Maßnahmen mit dem staatlichen Schulamt abgestimmt, um einen geregelten Unterrichtsbetrieb zu gewährleisten und den Personalbedarf der Schule in absehbarer Zeit nach Möglichkeit zu decken.“
Wann ist in Thüringen klar, wie viele Lehrer fehlen?
„In Thüringen wird fortlaufend eingestellt, daher werden auch fortlaufend Bedarfe ermittelt“, schreibt das dortige Bildungsministerium. „Das Wissen aktualisiert sich fortlaufend.“ Der Zeitpunkt zur Planung des nächsten Schuljahres werde in einer Verwaltungsvorschrift zur Organisation des Schuljahres festgelegt – in der Regel liege der Start gegen Ende April.
Das Thüringer Ministerium führt aus: „Nachdem die Anmeldeverfahren an den Schulen abgeschlossen sind und die Schülerzahl somit feststeht, gehen die Schulämter die Voranmeldung mit den Schulen durch und planen auf dieser Basis die Einstellungen.“ Der Schwerpunkt der Einstellungen liege „vor Beginn eines Schulhalbjahres“.
Wann ist in Mecklenburg-Vorpommern klar, wie viele Lehrer fehlen?
„Die Überwachung der Absicherung der Kontingentstundentafelverordnung an den Schulen erfolgt im Schuljahresverlauf regelmäßig in einem monatlichen Rhythmus“, erklärt das Bildungsministerium aus Mecklenburg-Vorpommern. „Gegen Ende und zu Beginn eines Schuljahres werden die Schulen engmaschig zunächst zweiwöchentlich, dann wöchentlich und zuletzt zweimal pro Woche hinsichtlich eines von der Planung abweichenden sich kurzfristig ergebenden Lehrkräftebedarfs begleitet.“
Mecklenburg-Vorpommern schreibe ganzjährig Stellen für Lehrkräfte aus und stelle ganzjährig Lehrkräfte ein, schreibt das Ministerium. „Der Prozess des Ausschreibungs- und Einstellungsverfahrens ist ein dauerhaft rollierendes System, das nicht auf eine retroperspektive Betrachtung orientiert ist, sondern vielmehr eine prospektive Sicht einnimmt und danach fragt: Welche Bedarfe ergeben sich (künftig) und wie können diese gedeckt werden?“
Wann ist in Hessen klar, wie viele Lehrer fehlen?
„Im Rahmen der kurzfristigen Prognose wird datengestützt basierend auf den Schülerzahlen des laufenden Schuljahres der schul- und schulformscharfe Unterrichtsstundenbedarf des kommenden Schuljahres geplant“, so das hessische Kultusministerium. Hierbei werde das elektronische Planungssystem Personal und Budget (PPB) verwendet, an das die öffentlichen hessischen Schulen angeschlossen seien. „Der in PPB automatisch zur Schülerzahlprognose berechnete Unterrichtsstundenbedarf ermöglicht Schulen, Schulämtern und dem Hessischen Kultusministerium jederzeit eine Übersicht des Lehrkräftebedarfs auf Basis des aktuellen Prognosestands.“
Wann ist in Sachsen klar, wie viele Lehrer fehlen?
Das sächsische Vorgehen ähnelt dem niedersächsischen: „Der Ist-Stand des Schuljahres wird zum 2. Stichtag mit der Sächsischen Schulverwaltungssoftware Mitte Oktober erhoben“ – also später als in Niedersachsen. Allerdings braucht die sächsische Schulverwaltung nicht mehrere Monate, um die Daten zu prüfen, sondern nur ungefähr zwei bis drei Wochen: „Nach Validierung der Daten wird als amtlicher Stand die Kenndatentabelle des Kultusministeriums Anfang November veröffentlicht. Mit diesen Daten lassen genaue Angaben zum tatsächlichen Lehrerbedarf machen.“
Das Saarland als Sonderfall
„Für das Schuljahr 2023/24 ist es uns – wie auch in den Vorjahren – gelungen, alle ausgeschriebenen Stellen mit entsprechenden Bewerber:innen zu besetzen“, schreibt das Bildungsministerium aus dem Saarland. „Strukturellen Unterrichtsausfall haben wir nicht, die gesundheitlich bedingten Abwesenheitsquoten von Lehrkräften bewegen sich auf einem unauffälligen Niveau.“
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