Zeitreise Braves Familienauto und Tiefflieger

Uwe Prins
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Von Uwe Prins
| 15.09.2023 08:58 Uhr | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Der Opel Kadett GT/E hatte anfangs 105, später 115 PS Leistung. Das Sport-Coupé ist heute teuer: Unter 20.000 Euro geht nix.
Der Opel Kadett GT/E hatte anfangs 105, später 115 PS Leistung. Das Sport-Coupé ist heute teuer: Unter 20.000 Euro geht nix.
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Die dritte Generation des Opel Kadett feiert das 50-jährige Jubiläum. Insgesamt 1,6 Millionen Exemplare wurden bis 1977 gebaut.

Ostfriesland - Der knallrote Kadett B von Opa ist unvergessen. In den Sommerferien, wenn traditionell ein Besuch beim Großvater in Berlin anstand, ging es Anfang der 70er Jahre reichlich gemächlich durch die geteilte Stadt. Opa war schaltfaul, der kleine Vierzylinder mit 1,1 Liter Hubraum und 45 PS drehte öfter mal über längere Zeit höher als ihm gut tat – Opa vergaß gerne, vom Dritten in den Vierten zu schalten. Der Enkel saß derweil hinten und schwitzte auf den Kunstledersitzen. Ob es die Hitze war, der Bezug des Gestühls oder das Geheule des Motors? Man weiß es bis heute nicht.

Das Cassettenradio

war nachgerüstet

Als der Kadett C auf den Markt kam, war Opel für „Opa Berlin“ allerdings Geschichte. Er wechselte zu Volkswagen, der Passat aus Emden hatte es ihm angetan. So musste das Enkelkind bis zur Volljährigkeit warten, ehe es zum ersten persönlichen Kontakt mit einem C-Kadett kam. Eine gute Freundin hatte die froschgrüne Limousine bei einem Autohändler erworben. Sofern die Erinnerung nicht trügt, handelte es sich bei dem Zweitürer um ein karges Basismodell. Immerhin: In der Mittelkonsole verrichtete ein nachgerüstetes Cassetten-Radio treu und laut seine Dienste. Mehr Platz gab es auch als in Opas B-Kadett, das Plus an Leistung jedoch hielt sich in Grenzen. 1,2 Liter Hubraum, 55 PS. Entschleunigung war angesagt. Aber als Teenager hatte man ja auch alle Zeit der Welt.

Volkswagen kreierte die Bezeichnung „Weltauto“ für seinen Golf. Der kam jedoch erst im Frühjahr 1974 auf den Markt, und da hatte Opel bereits zig Exemplare von seinem Weltauto verkauft. Am Ende waren es insgesamt gut 1,6 Millionen – von solchen Stückzahlen wird heute in Rüsselsheim nur noch geträumt.

Warum diese Geschichte überhaupt geschrieben wird? Nun, der Kadett C feiert sein 50-jähriges Jubiläum, und das ist durchaus ein Grund, diesem Volkswagen – das ist nicht konzerntechnisch, sondern im wahrsten Sinne des Wortes gemeint – ein paar Zeilen zu widmen. Ein Auto für Otto Normalverdiener, mit zwei oder vier Türen, als Limousine, Kombi, kurzes oder normales Coupé. Bezahlbar (der Grundpreis lag knapp unter 10.000 DM), mit robuster Technik, verlässlich.

Wenn Otto Normalverdiener ein paar Scheine mehr gespart hatte oder sie bei seiner Bank pumpen konnte, dann wurde aus dem braven Familienauto ein ungestümer Sportkamerad. GT/E – diese drei Buchstaben versetzen wahre Opel-Fans noch heute in Entzücken. Zwei Liter-Maschine mit 105 und später 115 PS – solche Leistungen gelten heute ja schon fast als untermotorisiert – sorgten für tolle Fahrleistungen, denn das Auto wog nicht einmal eine Tonne. Die Tachonadel im aufgebrezelten Cockpit mit Drehzahlmesser und weiteren Zusatzinstrumenten kratzte an der für damalige Verhältnisse atemberaubenden 200er-Marke!

Heute einen Kadett C im Originalzustand zu finden – und dann auch noch zu bekommen, ist ziemlich schwierig. Viele Exemplare sind getunt, einige richtig gut, andere grottenschlecht. Da kann es schon richtig Probleme mit der Oldtimer-Zulassung geben (H-Kennzeichen).

Einigen Bastlern ist das egal. So sind Kadetts der dritten Generation mit mehr als 180 PS nicht einmal so selten: Das Triebwerk aus dem Monza 3.0 passt nämlich tatsächlich in die Front des C-Kadetts. Und auch Motortuner mischten mit: Mantzel, Irmscher und Steinmetz entwickelten Maschinen mit Leistungen weit über 200 PS.

Wie „Opa Berlin“ wohl mit so einem Tiefflieger klargekommen wäre?

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