Ex-Mitarbeiter unzufrieden Fassungslosigkeit nach Urteil für Ausbeuter von Emder Leiharbeitern

Daniel Noglik
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Von Daniel Noglik
| 15.09.2023 17:31 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Jonas P. wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Grafik: Fischer
Jonas P. wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Grafik: Fischer
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Ein Kölner Unternehmer hat in Emden Leiharbeiter ausgebeutet. Unter anderem wegen Insolvenzverschleppung wurde er jetzt verurteilt – doch erledigt ist der Fall noch nicht.

Ostfriesland/Köln - Nach der Verurteilung des Kölners, der in Emden vor allem polnische Leiharbeiter ausgebeutet hat, herrscht bei ehemaligen Mitarbeitern von Jonas P. (Name geändert) Fassungslosigkeit. „Er hat so viele Leben zerstört und kommt im Grunde damit davon“, sagt eine dieser Personen. Aus Gründen des Quellenschutzes nennen wir den Namen unseres Informanten nicht, haben uns aber unter anderem anhand von Dokumenten davon überzeugt, dass er tatsächlich für P. gearbeitet hat. „Ich habe wegen der Machenschaften dieses Mannes noch immer Schulden“, sagt er. Er wisse oft nicht, wie er es mit dem Gehalt aus seinem neuen Job bis ans Monatsende schaffen solle.

Der Kölner P. hatte im Umfeld des Emder Volkswagen-Werks Arbeitskräfte verliehen – und sie in unwürdigen Behausungen leben lassen und Löhne gar nicht oder enorm verspätet gezahlt. Greg, einer der Mitarbeiter, hatte der Redaktion davon berichtet, wie er in Emden habe Pfandflaschen sammeln müssen, um sich überhaupt etwas zu essen kaufen zu können. Am Mittwoch verurteilte das Amtsgericht Köln P. zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen in Höhe von je 40 Euro – und damit zur Zahlung von insgesamt 3600 Euro. Der Strafrichter sieht es als erwiesen an, dass sich P. der Insolvenzverschleppung und des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt schuldig gemacht hat. Seit Dezember 2020 war seine Firma pleite – doch insolvent hatte er sie nicht gemeldet.

„Es ist erschütternd“

Der Prozess in Köln hat nicht einmal 30 Minuten gedauert. Keine Zeugen wurden befragt, keine Dokumente wie etwa Abrechnungen oder Belege eingebracht. „Mir reicht das Geständnis“, so der Richter nach der Aussage von P. Staatsanwaltschaft und Strafverteidiger waren sich bei den 90 Tagessätzen einig, ebenso das Gericht. „Es ist erschütternd, dass er jetzt nicht einmal als vorbestraft gilt“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter von P. Tatsächlich werden in Deutschland ausschließlich Geldstrafen von mehr als 90 Tagessätzen ins Führungszeugnis eingetragen – P. hat es mit seinem Geständnis, dass er Krankenkassen um Beiträge in Höhe von etwa 50.000 Euro geprellt und die Insolvenz seiner Firma verheimlicht habe, genau auf die Grenze geschafft.

P. hatte vor Gericht Reue gezeigt und gesagt, er habe sich als junger Unternehmer und Vater in den Wirren der Corona-Pandemie überfordert gefühlt. Er habe die Buchhaltung seinen Mitarbeitern überlassen und sich lediglich auf die Akquise von Kunden konzentriert, so der ehemalige Unternehmer. Seine Ex-Mitarbeiter kaufen ihm das nicht ab. „Ich bin der Meinung, dass das alles kalkuliert war, vielleicht sogar inklusive der möglichen Strafen“, sagt einer von ihnen. P. sagte vor Gericht, er wolle nicht mehr als Unternehmer tätig sein. Inzwischen gibt es längst neue Firmen in seinem Umfeld. Geführt werden sie von engen Vertrauten, die auch schon in seiner ursprünglichen Firma tätig waren. Ob P. Einfluss auf die Geschäfte hat, wissen wir nicht.

Offenbar hat auch der Zoll Interesse an P.

Was wir aber wissen, ist, dass die Geschichte für Jonas P. längst nicht vorbei ist – ganz abgesehen von den 217.000 Euro Schulden aus der Insolvenz, die er in monatlichen 2000-Euro-Raten abstottern muss. Mehrere Krankenkassen haben sich in letzter Zeit an ehemalige Mitarbeiter von P.s Firmen gewandt – mit der Frage nach Beschäftigungszeiten. Das Ziel ist klar: Die Krankenversicherungen wollen nachweisen, zu welchen Zeiten P. Personen zwar beschäftigt hat, ihre fälligen Sozialversicherungsbeiträge aber nicht abführte. Ob die Krankenkassen damit nur zivilrechtliche Ansprüche geltend machen, also Geld fordern, oder auch Strafanträge stellen wollen, wissen wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht.

Auch der Zoll scheint an P. interessiert zu sein, etwa wegen des naheliegenden Verdachts der Schwarzarbeit. Unseren Informationen zufolge sind bereits Zeugen befragt und potenzielle Beweismittel, beispielsweise Computerdateien, gesichtet worden. Bestätigt haben uns die Ermittlungsbehörden das noch nicht. Eine Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Köln hat uns am Freitagnachmittag allerdings versichert, sich am Montag um unsere entsprechende Anfrage zu kümmern. Bisher hatten sich die Kölner Ermittler uns gegenüber stets bedeckt gehalten – und auf den Persönlichkeitsschutz verwiesen. Erst nach der Anklageerhebung gegen Jonas P. wurde die Redaktion auf Nachfrage informiert.

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