Gedenkveranstaltung in Ihrhove Für den Frieden und gegen Antisemitismus eintreten

| | 09.11.2023 17:52 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Westoverledingens Bürgermeister Theo Douwes (rechts) begrüßte zahlreiche Gäste zur Gedenkfeier. Foto: Ammermann
Westoverledingens Bürgermeister Theo Douwes (rechts) begrüßte zahlreiche Gäste zur Gedenkfeier. Foto: Ammermann
Artikel teilen:

Zum Gedenken an die Pogromnacht hatten sich an diesem 9. November viele Interessierte beim Denkmal in Ihrhove eingefunden. Im Mittelpunkt der Reden stand das Massaker der Hamas-Terroristen in Israel.

Ihrhove - Wolfgang Kellner, Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Ostfriesland, machte zu Beginn seiner Rede anlässlich der Gedenkfeier für die ehemaligen jüdischen Mitbürger in Westoverledingen vor dem Denkmal in Ihrhove deutlich, dass Deutschland am 9. November 1939 mit der Reichspogromnacht endgültig den Weg in die Barbarei gegangen sei. „Nach Jahren systematischer Entrechtung jüdischer Menschen unter den Nationalsozialisten wurden die Tore nach Auschwitz weit aufgestoßen“, sagte Kellner.

Unter den Gästen waren auch (von links) Wolfgang Kellner, Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Ostfriesland, der Holocaustüberlebende Albrecht Weinberg und Gerda Dänekas, die mit Weinberg in einer Wohngemeinschaft lebt. Foto: Ammermann
Unter den Gästen waren auch (von links) Wolfgang Kellner, Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Ostfriesland, der Holocaustüberlebende Albrecht Weinberg und Gerda Dänekas, die mit Weinberg in einer Wohngemeinschaft lebt. Foto: Ammermann

Er führte vor zahlreichen Gästen – unter ihnen war auch der in Rhauderfehn geborene Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg – aus, dass der heutige 9. November ein besonderer sei. „Nicht weil der von 1938 jetzt 85 Jahre entfernt ist. Es hat einen anderen Grund“, sagte Kellner. „Am 7. Oktober, dem Morgen des Festtages zum Ende des Laubhüttenfestes, bei Tagesanbruch eines friedlichen Schabbats, feuerten Hamas-Terroristen Tausende Raketen auf Israel. Bei ihrer Rückkehr wurden diese Mörder wie Helden empfangen“, führte der Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit aus. „Unsere volle Solidarität gilt Israel und seiner Bevölkerung. Das Land hat jedes Recht auf seiner Seite, sich gegen den Terror zu verteidigen. Es ist die Verpflichtung Deutschlands, Israel bei der Wiederherstellung seiner Sicherheit zu unterstützen“, so Kellner.

An der Gedenkfeier wirkten auch Schüler des Schulzentrums Collhusen mit. Sie lasen Kurzporträts der 13 ehemaligen jüdischen Mitbürger vor, die in Westoverledingen gelebt haben. Foto: Ammermann
An der Gedenkfeier wirkten auch Schüler des Schulzentrums Collhusen mit. Sie lasen Kurzporträts der 13 ehemaligen jüdischen Mitbürger vor, die in Westoverledingen gelebt haben. Foto: Ammermann

Theo Douwes, Bürgermeister der Gemeinde Westoverledingen, wies darauf hin, dass der 9. November ein „Schicksalstag“ der Deutschen sei. „An diesem Tag fanden die Novemberrevolution, der Hitlerputsch, die Reichpogromnacht und der Fall der Berliner Mauer statt. „Es ist der 9. November 1938, also vor genau 85 Jahren, als mit der Reichspogromnacht Hitler-Deutschland sichtbar sein wahres Gesicht zeigte. An diesem Tag wurden im Deutschen Reich tausende Juden misshandelt, verhaftet oder getötet. Spätestens an diesem Tag konnte jeder in Deutschland sehen, dass Antisemitismus und Rassismus bis hin zum Mord staatlich gewollt waren. Es ist daher ein Tag, der uns heute mahnt. Nie wieder sollen in unserer Gesellschaft und bei uns vor Ort Minderheiten ausgeschlossen und verfolgt werden“, sagte Douwes. Auch der Bürgermeistermeister erinnerte an den 7. Oktober dieses Jahres. „Vor wenigen Wochen erlebte Israel das schlimmste Massaker an Juden seit der Ermordung durch Nazi-Deutschland. Die Terroristen der Hamas feuerten Raketen, mordeten und entführten. Israel ist in einem Krieg gegen den Terror“, betonte Douwes. „Man sollte doch denken, dass wir Menschen aus der Vergangenheit gelernt haben und wir in Frieden mit unseren Nächsten und Nachbarn leben wollen. Wir müssen an dieser Stelle deutlich machen, dass wir Eintreten für Frieden, eintreten gegen Antisemitismus! Und die Wertigkeit Isreals für Deutschland auch international herausstellen“, sagte der Bürgermeister.

Die Schüler und Schülerinnen lasen Kurzporträts der 13 jüdischen Mitbürger, die damals in Westoverledingen gelebt haben, vor. Foto: Ammermann
Die Schüler und Schülerinnen lasen Kurzporträts der 13 jüdischen Mitbürger, die damals in Westoverledingen gelebt haben, vor. Foto: Ammermann

Auch der Leeraner Landrat Matthias Groote ging auf die Vergangenheit und auf die aktuelle Situation nach dem Terrorakt der Hamas in Israel ein. „Nie wieder!, das ist in den Jahrzehnten nach 1945 ein klares Nein zu Diktatur und Gewaltherrschaft – und ebenso eine Absage an jede Form von Antisemitismus. Doch hier und heute, 85 Jahre nach den Schrecken des November-Pogroms, müssen wir uns einer bitteren Erkenntnis stellen: Wir haben es nicht geschafft, dass sich Jüdinnen und Juden in Deutschland sicher und gut aufgehoben fühlen können. Im Gegenteil: Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger werden wieder belästigt, eingeschüchtert und attackiert. Sie haben Angst“, sagte Groote.

Rote Rosen wurden an den 13 Stelen des Denkmals niedergelegt. Die Stelen erinnern an die Juden, die in Westoverledingen gelebt haben. Foto: Ammermann
Rote Rosen wurden an den 13 Stelen des Denkmals niedergelegt. Die Stelen erinnern an die Juden, die in Westoverledingen gelebt haben. Foto: Ammermann

Sowohl Kellner als auch Groote begrüßten das Engagement der Gemeinde Westoverledingen, der Schüler des Schulzentrums Collhusen und der Einwohner. „Seit Jahrzehnten stemmen sich engagierte Menschen in Initiativen, Gedenkstätten und Geschichtswerkstätten – oft auch ehrenamtlich, wie in Westoverledingen – gegen das ,Jetzt wieder‘. Das muss bei aller Schwarzmalerei gesagt und auch gewürdigt werden“, sagte Kellner. „Für mich ist es sehr erfreulich und ermutigend, dass auch junge Leute sich in Westoverledingen engagieren“, führte der Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit aus. Und Landrat Groote führte aus: „Ein Dank geht an die Gemeinde Westoverledingen, dass sie mit dem Denkmal diesen Ort der Erinnerung geschaffen hat. Das Denkmal, das der Künstler Gerd Christmann gestaltet hat, ist für mich auch ein Zeichen der Hoffnung. Ein Zeichen dafür, dass Menschen bereit sind, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und diese nicht nur als abgeschlossene Vergangenheit zu begreifen, sondern als etwas, dass in die Gegenwart und Zukunft wirkt – im Sinne einer moralischen Verantwortung, sich aktiv gegen Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit zu stellen“, so Groote.

An der Gedenkfeier wirkten auch Schüler des Schulzentrums Collhusen mit. Sie sangen das Lied „Näher, mein Gott, zu Dir“, sie lasen Kurzporträts der 13 ehemaligen jüdischen Mitbürger vor, die in Westoverledingen gelebt haben, und legten rote Rosen an den 13 Stelen des Denkmals nieder. Die Stelen erinnern an die jüdischen Mitbürger.

Ähnliche Artikel