Weihnachtsaktion 2023 Helfer im Alltag – mit diesen Tricks meistern Blinde ihren Haushalt
Was sich bewährt hat, das bleibt. Das ist die Devise von Hannelore Folkerts, die blind ihren Alltag meistert – und das ohne große technische Hilfe. Eine Sache kann sie besonders gut.
Ostfriesland - Seit dem 1. Dezember 1972 ist Hannelore Folkerts Mitglied im Blindenverband Niedersachsen (kurz: BVN) – eine echte Dauerbrennerin und selbst betroffen: Sie erblindetet in jungen Jahren. In der Zwischenzeit hat sich technisch einiges geändert. Geräte sprechen mit einem. Sprachassistenz-Systeme, wie etwa Alexa, machen das Haus per Sprachbefehl bedien- und beherrschbar. Geräte vernetzen sich und kommunizieren miteinander.
Viele Menschen profitieren von dem Fortschritt. Für Hannelore Folkerts aus Aurich hingegen ist das nichts, sie öffnet für die Weihnachtsspendenaktion von OZ und GA die Türen und gewährt Einblicke in ihren Alltag als blinde Person.
OZ+GA-Weihnachtsaktion 2023
Spendenzeitraum: Ab dem 22.11.2023 bis Anfang 2024
Spendenkonto: Ein Herz für Ostfriesland gGmbH
IBAN: DE28 2859 0075 0011 1112 01 Ostfriesische Volksbank eG
Stichwort: OZ+GA-Weihnachtsaktion 2023 Die Spendernamen werden veröffentlicht. Wer dies nicht möchte, vermerke das bitte. Die Verwaltungskosten werden von der Zeitungsgruppe Ostfriesland getragen. Bei Beträgen ab 199 Euro kann per E-Mail an info@einherzfuerostfriesland.de eine Spendenquittung beantragt werden.
„Meine alten Geräte tun‘s alle noch“, sagt sie. Sie schwöre auf ihre teils Jahrzehnte alten Maschinen, die noch mit Drehknöpfen statt mit Touchscreens bedient werden. „Das Problem bei Touch ist, dass man sich immer nur auf ein Piepen verlassen kann und man so und so oft drücken muss“. Das sei nichts für sie und bereite manchem Kopfzerbrechen. Sie sei eingespielt auf ihren Haushalt und das lässt sich bestätigen.
In ihrem Gewürzregal steht alles am rechten Fleck. Jegliche Gewürze etwa sind mit Etiketten versehen, die in Brailleschrift, der gepunkteten Blindenschrift, geschrieben sind. Auch dafür hat sie ein Gerät, von dem es vermutlich schon etliche neue Generationen gibt.
Aber auch so geht‘s, denn Kuchen backt sie seit Jahr und Tag souverän, selbst mit ihrer älteren Kücheneinrichtung. Ihre Backkünste sind berühmt berüchtigt. Sei es mit ihrer sprechenden Waage oder aber mit dem Litermaß – so genau müsse man es beim Abmessen der Zutaten ohnehin nicht nehmen. „Ob da nun 30 Gramm mehr oder weniger drin sind, merkt am Ende doch niemand, der Kuchen schmeckt immer lecker“, sagt sie.
Am Herd gilt das gleiche, Folkerts ist mit den Geräten und Gegebenheiten in ihrer Küche vertraut, dass ihr jedes Gericht in der gleichen Zeit wie jedem anderen auch gelingt. „Es ist alles eine Frage von Routine“, sagt die Vorsitzende des BVN in Ostfriesland.
Alltag mit Enkeln lässt sich auch blind meistern
Hannelore Folkerts hat Enkelkinder, und zur Erinnerung von vielen Enkeln gehört: Spielen. So gut wie jede Großmutter hat die große Brettspielesammlung zuhause mit „Mensch ärgere dich nicht“, „Fang den Hut“ oder klassisch „Mühle“. Aber wie spielt man denn eigentlich, wenn man nichts sehen kann?
„Das ist gar nicht so kompliziert, wie man vielleicht denken mag“, sagt Folkerts. Etwa beim Schach haben die schwarzen Figuren einen „Nupsi“ oben drauf, die weißen eben nicht. Die Form der Spielfiguren lassen sich – auch für sehende – relativ einfach ertasten. Bei „Mensch ärgere dich nicht“ leiten Furchen und Löcher den Weg.
Die Karten eines Skat-Blattes hingegen sind wesentlich dicker als die gängigen. Das liegt daran, dass die Symbole wie etwa Caro Bube auch in Brailleschrift aufgedruckt sind. Schlitzohren können bei zu dünnen Karten, so denn sie Brailleschrift lesen können, die Karte erkennen. Die Kartendicke gewährleistet somit also einen inklusiven Spielspaß, bei dem sehende und nicht-sehende Menschen gleichermaßen mitspielen können.
Der BVN kann im Alltag beraten und helfen
Der BVN kümmert sich darum, die besten Hilfsmittel und Hilfestellungen für einen soliden Alltag zu finden. „Das kann sehr individuell sein und wir richten uns in der Beratung nach den Wünschen und Ansprüchen von den Betroffenen“, sagt Heidi Bentlage vom BVN in Leer. Es gebe wirklich immer wieder Neuheiten auf dem Hilfsmittel-Markt, sagt die BVN-Sozialarbeiterin Andrea Sweers. Aber, dass das nicht für jeden etwas sei, wisse sie auch. „Die einen sind wirklich immer am Ball und haben immer die neuste Technik. Das kann auch wirklich extrem hilfreich sein“. Andere könnten wiederum mühelos mit Dingen, die bereits im Besitz sind, im Alltag zurechtkommen – eben wie Hannelore Folkerts. Der BVN in Leer würde gerne sogenannte Hilfsmittel-Pakete anschaffen, damit sich jeder Mensch seinen Weg der Lebensgestaltung nach einigem Probieren aussuchen kann. „Das ist aktuell aber viel zu teuer“, sagt die Sozialarbeiterin Andrea Sweers.
Schulungen gehen extrem ins Geld
Laut Schätzungen des BVN erblinden etwa 3.000 bis 5.000 Menschen pro Jahr bundesweit. Für sie stellen sich etwa die Fragen: Wie findet man sich im Alltag zurecht, wie löse ich rechtliche Probleme, wer steht mir seelisch bei im neuen Lebensabschnitt? Dafür sind die Blickpunkt-Auge-Berater des BVN da. Sie arbeiten nah an den Betroffenen, sind eine Erstanlaufstelle rund um das Thema Auge. Es sei daher wichtig „immer am Ball zu bleiben“ und regelmäßig weitergebildet zu werden. Das sei so entscheidend, weil eben noch nicht alle Menschen wie Hannelore Folkerts mit beiden Beinen im Alltag einer blinden Person stünden, sagt Sonja Ostendorp, Blickpunkt-Auge-Beraterin in Weener. Nur geschultes Personal gewährleiste eine kompetente Beratung, weiß sie. Ihr Kollege Hermann Reiners, der für Blickpunkt-Auge in Papenburg zuständig ist, war aus diesem Grund kürzlich erst auf einer Fortbildung in Berlin.
„Das ist auch notwendig, denn wir lernen da jedes Mal allerhand Neues. Sei es technisch oder methodisch“, sagt Reiners. Zudem sei es dort wichtig, dass man Erfahrungen austausche, sich vernetze und somit ein besseres Beratungsangebot bereitstellen kann. Eine angemessene Beratung könne dann Betroffenen im alltäglichen Leben zu Gute kommen, weiß Andrea Sweers. Das Problem ist, dass Fortbildungen ein hoher Kostenfaktor sind, der aber gerne ausgegeben werde, betont Sweers. Die Kosten für Schulungen trägt der BVN. Nur fehle an anderer Stelle das Geld für Investitionen, sagt sie.
Erlebniskiste – Chefredakteur und Volontär auf Tuchfühlung mit dem Blindsein
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Leser spenden 43.957,86 Euro für den Blindenverband in Ostfriesland